By Published On: 6. August 2025Categories: Psychologie, Soziales

Der Begriff People-Pleasing ist heute allgegenwärtig – vor allem in sozialen Medien. Am ehesten lässt er sich mit „es allen recht machen wollen“ übersetzen. Doch was steckt dahinter, woran erkennen wir dieses Muster – und wie gelingt ein gesünderer Umgang damit?

Was genau steckt hinter dem Begriff People-Pleasing?

In der psychologischen Forschung wird People-Pleasing teils mit Soziotropie gleichgesetzt, teils als Teilaspekt davon gesehen. Laut Beck bilden Soziotropie und Autonomie zwei entgegengesetzte Pole eines Kontinuums – mit dem Bedürfnis nach sozialer Anerkennung auf der einen und dem Streben nach Unabhängigkeit und persönlichen Zielen auf der anderen Seite (Bieling et al., 2000, S. 763). Lange wurde Soziotropie in drei Bereiche unterteilt: Angst vor Ablehnung, Angst vor Trennung und das Bestreben, anderen zu gefallen (Bieling et al., 2000, S. 764). Neuere Studien fassen diese zu zwei zentralen Faktoren zusammen. Der erste ist die Angst vor Kritik und Zurückweisung – Betroffene fürchten negative Bewertungen, vermeiden Konflikte und neigen zu People-Pleasing, selbst auf Kosten eigener Bedürfnisse (Bieling et al., 2000, S. 765). Der zweite Faktor ist das Streben nach Zugehörigkeit, das auf dem Bedürfnis nach Nähe und sozialer Verbundenheit beruht. Interessant ist der unterschiedliche Zusammenhang mit psychischer Gesundheit: Während Angst vor Zurückweisung klar mit Depression und Hoffnungslosigkeit verknüpft ist, zeigt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit nur schwache Zusammenhänge mit psychischen Belastungen (Bieling et al., 2000, S. 775).

Eine weitere Perspektive ist der Zusammenhang zwischen People-Pleasing und den Big Five Persönlichkeitsfaktoren: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Studien zeigen, dass Menschen mit stark ausgeprägtem People-Pleasing häufig hohe Werte in Verträglichkeit aufweisen – sie sind freundlich, kooperativ und rücksichtsvoll im Umgang mit anderen. Gleichzeitig zeigen sich aber auch erhöhte Werte im Neurotizismus, was bedeutet, dass Betroffene negative Emotionen wie Angst, Unsicherheit oder Selbstzweifel intensiver und häufiger erleben (Kuang, 2025, S 2). Zusätzlich verfügen People-Pleaser oft über ein geringes Selbstwertgefühl, wenig Selbstwirksamkeit und geringe emotionale Stabilität. Da ihr Selbstwert stark von äußerer Bestätigung abhängt, führt das häufig zu Unzufriedenheit und innerer Leere (Kuang, 2025, S 3).

Laut Studien kann People-Pleasing eine Folge von Trauma sein und wurde als vierte Überlebensreaktion neben Kampf, Flucht und Erstarrung beschrieben – bekannt als das sogenannte Fawn-Verhalten. Dabei versuchen Betroffene, durch Anpassung, Gefallenwollen und das Streben nach Harmonie Konflikte zu vermeiden, sich sicherer in Beziehungen zu fühlen und die Anerkennung anderer zu erhalten. Menschen, die diese Reaktion zeigen, neigen zu einer unterwürfigen, abhängigen Haltung, in der sie ihre eigenen Grenzen und Bedürfnisse opfern, um Beziehungen aufrechtzuerhalten oder Ablehnung zu vermeiden (Gewirtz-Meydan & Godbout, 2023, S. 3).

Typische Anzeichen für People-Pleasing sind etwa die Schwierigkeit, „Nein“ zu sagen, sowie das ständige Grübeln darüber, was andere über einen denken könnten. Eigene Bedürfnisse werden oft zurückgestellt, um niemandem zur Last zu fallen, und es wird sich häufig entschuldigt – auch ohne wirklichen Grund. Dahinter steckt meist die Sorge, ohne ständiges Gefallen nicht akzeptiert zu werden. Konflikte werden vermieden, aus Angst, andere könnten verärgert oder enttäuscht reagieren (Braiker, 2001).

Was können wir tun?

People-Pleasing loszulassen bedeutet nicht, dass man aufhören muss, hilfsbereit oder fürsorglich zu sein. Es geht vielmehr darum, die ständige Erwartung abzulegen, es immer allen recht machen oder von jedem gemocht werden zu müssen. Die folgenden Tipps zeigen, wie das gelingen kann.

  1. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl stärken

Ein wichtiger Schritt zu mehr Selbstvertrauen und innerer Stabilität besteht darin, sich bewusst zu machen, dass die wichtigste Form der Anerkennung die eigene ist. Wer lernt, den eigenen Wert nicht länger von Aussehen, Herkunft oder bestimmten Leistungen abhängig zu machen, sondern sich selbst grundsätzlich anzuerkennen, legt die Grundlage für ein gesundes Selbstwertgefühl. Auf diese Weise verlieren tief verankerte Unsicherheiten an Einfluss – und auch das Bedürfnis, ständig anderen gefallen zu müssen, kann allmählich in den Hintergrund rücken (Braiker, 2001, S. 49).

  1. Gesunde Grenzen setzen

Eigene Bedürfnisse und Grenzen zu wahren, mindert den eigenen Wert keineswegs – es ist ein Zeichen von Selbstrespekt. Ein erster Schritt ist es, in bestimmten Situationen oder gegenüber einzelnen Personen bewusst „Nein“ zu sagen. So zeigt sich, dass eigene Grenzen zu setzen nichts zerstört – im Gegenteil, es stärkt das Selbstwertgefühl (Braiker, 2001, S. 79).

  1. Assertive Kommunikation

People-Pleasern fällt es oft schwer, eigene Bedürfnisse klar zu äußern. Aus Angst, Anerkennung zu verlieren, ziehen sie sich lieber zurück (Kuang, 2025, S. 2). Ein Ausweg kann assertive Kommunikation sein – die Fähigkeit, eigene Rechte, Gefühle und Meinungen offen und respektvoll zu vertreten, ohne andere zu verletzen. Sie fördert Eigenverantwortung, ist lösungsorientiert und hilft, sich klar und selbstsicher mitzuteilen (Price & Ota, 2016, S. 26).

  1. Psychotherapie

Die typischen Denkmuster hinter dem People-Pleasing sind oft nicht nur falsch, sondern auf Dauer schädlich. Das ständige Bedürfnis nach äußerer Bestätigung verstärkt Selbstzweifel, Schuldgefühle und Ängste und hält so einen belastenden Stresskreislauf aufrecht (Braiker, 2001, S. 20). Menschen mit starkem Gefallenwollen sind besonders anfällig für psychische Probleme wie Angststörungen oder Depressionen (Kuang, 2025, S. 2). Wird das Verhalten zur Belastung, kann eine Psychotherapie hilfreich sein – vor allem, wenn ein Trauma dahinter vermutet wird.

Fazit

People-Pleasing entsteht oft aus tief verankerten Ängsten, Selbstzweifeln oder dem Bedürfnis nach Harmonie. Auch wenn dahinter häufig das Streben nach Anerkennung steckt, führt übermäßiges Gefallenwollen langfristig zu innerem Druck, Unzufriedenheit und psychischen Belastungen. Umso wichtiger ist es, eigene Grenzen zu erkennen, den Selbstwert gezielt zu stärken und klare, respektvolle Kommunikation zu üben. Wer sich von der ständigen Erwartung löst, es allen recht machen zu müssen, gewinnt nicht nur innere Stabilität, sondern auch mehr echte Wertschätzung – von sich selbst und von anderen.

Literaturverzeichnis

Bieling, P. J., Beck, A. T. & Brown, G. K. (2000). The Sociotropy-Autonomy Scale: Structure and Implications. Cognitive Therapy and Research, 24, S. 763-780

Braiker, H. B. (2001). The disease to please: Curing the people-pleasing syndrome. McGraw-Hill

Gewirtz-Meydan, A. & Godbout, N. (2023). Between pleasure, guilt, and dissociation: How traume unfolds in the sexuality of childhood sexual abuse survivors. Child abuse & neglect, 141

Kuang, X., Li, H., Luo, W., Zhu, J. & Ren, F. (2025). The mental health implications of people-pleasing: Psychometric properties and latent profiles oft he chinese people-pleasing questionnaire. PsyCh Journal, 0, S. 1-13

Price, D. & Ota, C. (2016). The Assertive Practitioner: How to improve early years practice through effective communication. New York: Routledge

Titelbildquelle

Titelbild von Kelly Sikkema, veröffentlicht am 16. Januar 2020, Zugriff am 08.07.2025, verfügbar unter

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