By Published On: 27. Juli 2017Categories: Psychologie, Wirtschaft

Das Pareto-Prinzip: Viele kennen es, einige kennen es theoretisch, viele denken sie kennen es und einige kennen es gar nicht. Doch was bedeutet die Umsetzung der sog. Pareto-Regel wirklich? Wie funktioniert das aus dem Zeitmanagement bekannte Phänomen im Kontext von Marketing und Vertrieb? Viele Unternehmen führen für eine erfolgreiche Ermittlung der verschiedenen Käufergruppen und deren Bedürfnisse eine Marktsegmentierung durch. Im Anschluss können sie ihren Zielmarkt bestimmen und sich richtig positionieren. Bekannt und vielfach verbreitet sind dabei die geografische, demografische, psychografische und verhaltensbezogene Segmentierung. Doch das Internet kennt viel feinere Segmentierungsmöglichkeiten.

 

80/20? Das ist doch alles Schönfärberei!

Lassen Sie uns versuchen Antworten zu finden. Was steckt wirklich hinter dem Pareto-Prinzip? Kann es in einer Zeit der transparenten Nachfrager-Märkte eingesetzt werden, um Kunden zu aquirieren, die ein Unternehmen wirklich will? Oder will ein Unternehmen nicht eigentlich jeden Kunden, der Deckungsbeiträge produziert?

 

Der Hintergrund

Der italienische Ingenieur, Ökonom und Soziologe Vilfredo Pareto hat bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts herausgefunden, dass 80% der Ergebnisse durch 20% der Tätigkeiten erzielt werden[1]. Er untersuchte die Einkommensverteilung in Italien und fand dabei heraus, dass 20% der italienischen Bevölkerung über 80% des Vermögens verfügten. Andersrum ausgedrückt besaßen 80% der Bevölkerung lediglich 20% des Vermögens. Diese Gesetzmäßigkeit ist auf sehr viele Bereiche im Leben und im Arbeitsalltag anwendbar[2]; mit erheblichen Auswirkungen. Rund 80% des Umsatzes eines Unternehmens werden durch 20% der Kunden erzielt[3]. Ein Lagerbestand wird zu 80% durch 20% der Materialien gefüllt, gleichzeitig ergibt sich der Wert des Lagerbestandes zu 80% durch 20% der Materialien[4]. Das Schreiben eines wissenschaftlichen Textes erfordert eine sehr perfektionistische Herangehensweise und steht dem Pareto Prinzip daher im Wesentlichen entgegen. Während man bereits in 20 Prozent der Zeit die wichtigsten Informationen zusammengetragen und ausformuliert hat, wird der Rest der Zeit für Formatierungen, Verzeichnisse, Grafiken, Rechtschreibkorrektur und die Verbesserung von Formulierungen sowie Vervollständigung der Textpassagen, usw. aufgewendet.

 

Grundsätzliches Verständnis:

Abb. 1: Das Pareto-Prinzip (Quelle: Eigene Darstellung).

 

Die Pareto-Formel funktioniert wie ein Naturgesetz wenn die Menge X eine genügend hohe Quantität aufweist. Das auch als 80/20-Regel bekannte Phänomen findet für jedes Produkt und in jeder Branche Anwendung. Die Missachtung des Pareto-Prinzips führt im Ergebnis zu einer erheblich negativen Auswirkung auf die wertvollste Ressource des Menschen: „die Zeit“. Wer die 20% Aufgaben nicht kennt, die 80% der Ergebnisse ausmachen, wird nur durch die Unwissenheit zu viel Zeit für uneffektive Tätigkeiten, Projekte und Kunden aufwenden und damit in der Mittelmäßigkeit verschwinden. Daher ist das Pareto-Prinzip vor allem im Zeitmanagement sehr aktuell. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass das 80/20 Verhältnis keine feste Konstante ist. Es ist ein Richtwert, der im Ergebnis aussagt, dass von einer Menge X immer ein prozentualer Anteil (y%) das Ergebnis in einem erheblich höheren Maße beeinflusst als der übrige Teil (abnehmender Grenznutzen[5]). Aus diesem Grund ist die Wirkung noch größer, als sie auf den ersten Blick schon scheint: Innerhalb der 20% lässt sich wieder eine 80/20 Aufteilung durchführen, sodass sich wirklich effiziente Tätigkeiten herauskristallisieren.

 

Doch was bedeutet diese Gesetzmäßigkeit für Marketing und Vertrieb einer Organisation? Welche konkreten Strategien und Techniken können implementiert werden, um wertvolle Kunden zu extrahieren, das eigene Angebot anzupassen und somit die Ergebnisse zu optimieren?

 

Klassische Methoden in Anlehnung an Pareto:

Die klassische Kunden- bzw. Marktsegmentierung ist ein sehr gebräuchliches Marketinginstrument. Bei der Marktsegmentierung geht es darum, die Kunden z.B. hinsichtlich Ihres Alters, Einkommens, Geschlechts, Wohnorts, etc. zu differenzieren[6]. Das Ziel ist ein Überblick über aktuelle und potenzielle Kunden. Dabei schauen die Unternehmen jedoch häufig nur auf ihr Produkt und auf die potenziellen Kunden – ohne Bewertung: Letztlich ist ein Kunde ein Kunde, wenn er ein Produkt oder eine Dienstleistung erwirbt.

Um der Gleichmachung aller Kunden entgegenzuwirken und die Effizienz von Marketingmaßnahmen zu erhöhen, verwenden viele Unternehmen im Anschluss die sog. ABC-Analyse. Die Kunden werden nach der Bedeutung für die Organisation klassifiziert: A Kunden können dabei die 20% der Kunden sein, die 80 % des Umsatzes generieren. C-Kunden können die 20% der Kunden sein, die 80% der Arbeit verursachen und damit am wenigsten zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen[7]. A-Kunden können beispielsweise bevorzugt behandelt werden oder Vergünstigungen erhalten (VIP-Service); B-Kunden erhalten eine Standardprozedur, die sich mit überschaubarem Aufwand erledigen lässt und C-Kunden werden durch automatisierte Systeme abgearbeitet. Dabei werden Kunden jedoch nicht ausschließlich nach der Höhe ihres direkten Einflusses auf den wirtschaftlichen Erfolg kategorisiert. Auch Synergieeffekte oder den „Customer-Lifetime-Value“ gilt es zu beachten.

Abb. 2: ABC-Analyse (Quelle: http://www.controlling-blog.de)

 

20% der Goldkunden sind Diamanten

Das Geheimnis von Pareto liegt allerdings in dem spiegelverkehrt exponentiell anmutenden Grafikverlauf.

Aus den 20% der besten Kunden lassen sich wieder 20% extrahieren, die für den größten Umsatz im Unternehmen verantwortlich sind.

 

Bedeutung für die Praxis

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus? Die weit verbreitete ABC-Analyse ist ein Anfang. Letztlich bleibt die Frage, ob ein Unternehmen den Kahlschlag vornehmen kann. Im extremsten Fall würde dies bedeuten, man konzentriert sich nur auf seine A-Kunden; C- Kunden müsste man sogar abweisen bzw. Aufträge dieser Kunden nicht annehmen. Diesem Kahlschlag kann entgegnet werden, dass viele Unternehmen froh um jeden Kunden sind. Häufig ist das jedoch ein Problem der fehlenden oder falschen Positionierung und einem zu breiten Produktportfolio. Das Internet und Big-Data ermöglichen in der heutigen Zeit, mit Hilfe von Werbemaßen gezielt die wichtigsten Kunden anzusprechen. Werbung über Social-Media kann relativ kostengünstig so gesteuert werden, dass die Zielgruppe exakt definiert und angesprochen wird. Es wäre also denkbar nur männliche oder nur weibliche Kunden anzusprechen, die sich im Alter zwischen 25 und 31 befinden und im Radius von 50 km zum Unternehmen wohnen[8]. Diese Kunden sind in der Regel auch gleichzeitig die besten Werbeträger im Sinne eines Viral-Marketings. Das Geheimnis in der Anwendung des Pareto-Prinzips liegt also darin, nach der ersten Klassifizierungsmaßnahme die Marketingaktivitäten an die Ergebnisse anzupassen – so genau wie möglich! Kunden werden nicht nur klassifiziert, angepasste Marketingaktivitäten sorgen dafür, dass A-Kunden direkt angesprochen werden und der Anteil dieser Kunden gesteigert wird. Bei jeder Aktivität wird periodisch die Effizienz überprüft. Arbeitet ein Unternehmen beispielweise mit verschiedenen Social-Media-Kanälen muss anhand einer Auswertung bzw. Statistik über die Neukundengewinnung in Relation zur Umsatzbeteiligung eine Rationalisierung vorgenommen werden. Der Einsatz des Werbeetats wird entsprechend an diese Auswertung angepasst.

 

Kritik                       

Das Pareto-Prinzip ist ein Richtwert, der bei Marketingentscheidungen berücksichtigt werden sollte. Der prozentuale Anteil idealer Kunden, oder eines idealen Zeiteinsatzes, kann jedoch Branchenübergreifend und auch mit der Zeit stark schwanken. Zukünftige Erwartungen müssen unbedingt berücksichtigt werden. Für die Anwendung genauer Marketingaktivitäten mit Hilfe des Internets bzw. Social Media sind umfangreiche Kenntnisse erforderlich. Neues Personal (Zusatzkosten) sind hier häufig die Folge.

 

 

Quellenverzeichnis

[1] Vgl. Kesper, B./Schoppen, E. M.: 2011, S. 79f.

[2] Vgl. Kesper, B./Schoppen, E. M.: 2011, S. 79.

[3] Vgl. Wädt, W.: 2008, S. 4.

[4] Vgl. Fischer, A.: 2015, S.63f.

[5] Vgl. Kesper, B./Schoppen, E. M.: 2011, S. 80.

[6] Vgl. Burmann, C./Kirchgeorg M./Meffert, H.: 2015, S. 181ff.

[7] Vgl. Burmann, C./Kirchgeorg M./Meffert, H.: 2015, S. 435.

[8] Vgl. Facebook. (13.05.2017), https://www.facebook.com.

 

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Pareto-Prinzip (Quelle: Eigene Darstellung)

Abb. 2: ABC-Analyse (Quelle: http://www.controlling-blog.de/abc-analyse-begriff-definition (11.05.2017)

 

Literaturverzeichnis

Burmann, C. / Kirchgeorg M. / Meffert, H.: Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung. 12. Auflage. Springer Gabler. Wiesbaden 2015

Fischer, A.: Reicher als die Geissens. 1. Auflage. AF Media. Düsseldorf 2015

Kesper, B. / Schoppen, E. M.: Management-Wissen-kompakt. 1. Auflage. Books on Demand. Berlin 2011

Wädt, W.: ABC-Analyse – Anwendung und Umsetzung im Marketing. 1. Auflage. Grin. Berlin 2008

 

Internetquellen

controlling-blog.de: ABC-Analyse als Verfahren zur Einteilung von Objekten.

URL: http://www.controlling-blog.de/abc-analyse-begriff-definition (11.05.2017)

facebook.com: Erste Schritte mit Werbeanzeigen.

URL: https://www.facebook.com/business/learn/facebook-ads-basics (13.05.2017)

 

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