By Published On: 26. August 2019Categories: Wiki

7,1 Prozent der deutschen Bevölkerung litten im Jahr 2016 unter somatoformen Störungen. Das sind 19 Prozent mehr als im Jahr 2005.[1] Somatoforme Störungen beziehen sich allgemein auf körperliche Symptome, die nicht auf physiologischen Ursachen beruhen und für die keine medizinischen Befunde vorliegen.[2] Doch woher kommen diese Schmerzen, welche Auswirkungen haben sie und was kann dagegen unternommen werden?

 

Definition und Ursachen

Definiert werden somatoforme Störungen von der ICD 10, dem Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen der WHO, als langanhaltende und quälende Schmerzen, die auf emotionalen Verstimmungen oder auf psychosozialer Belastung beruhen.[3] Der Begriff „somatoform“ gibt dabei Hinweis darauf, dass die Beschwerden zwar psychischen Ursprungs sind, aber in ihrer Form dem Modell körperlicher Krankheiten gleichen.

Durch Stress und Anspannung werden bei den meisten Personen körperliche Symptome hervorgerufen, die aber schnell wieder vorrübergehen, wenn die unangenehme Situation beendet wird. Von einer Krankheit wird dann gesprochen, wenn sich die Beschwerden automatisieren und ein sinnfälliger Zusammenhang mit den Emotionen nicht mehr erkannt werden kann.[4] Mögliche Ursachen sind neben alltäglichen Belastungen, wie Arbeit, Schule oder Familie, auch biografische, wie etwa emotionale Ablehnung oder körperliche Misshandlung durch die Eltern oder ausgeprägter Leistungsdruck. Betroffene klagen dann unter anderem über erhöhte oder erniedrigte Schmerzschwellen, Schlafstörungen oder Verspannungen der Muskulatur.[5] Zwei ätiologische Bedingungen bestimmen, zu welcher Art von Störung es kommt: Zum einen kann eine Person auf eine plötzliche oder andauernde Stressbelastung reagieren. In diesem Fall wird von einer reaktiven somatoformen Störung gesprochen. Um eine neurotische somatoforme Störung handelt es sich zum anderen, wenn eine nicht zu bewältigende Konfliktsituation Auslöser ist, die in dem Betroffenen ein äußeres Ereignis losgetreten hat.[6]

 

Auswirkungen

Wenn nun also durch Stress oder andere Belastungen eine somatoforme Störung ausgelöst worden ist, besteht die Gefahr, dass weitere Auswirkungen folgen. Auf psychischer Ebene können bei besonders schweren Formen Depression, Angst- oder Persönlichkeitsstörungen die weitere Folge sein.[7] In Bezug auf das Verhalten nehmen die Betroffenen oft eine Schonhaltung des Körpers an, suchen exzessiv nach medizinischen Informationen über ihre Krankheit oder versuchen, Belastungen in der Arbeit aus dem Weg zu gehen. Vor allem die Schonhaltung geht mit weiteren Risiken einher, da sich die Patienten einem untrainierten Zustand des Körpers nähern, was wiederum zu einer falschen Bewertung von Körperempfinden führen kann. Für den Staat bedeuten Somatisierungspatienten höhere Ausgaben, da diese häufiger zum Arzt gehen und somit neunmal so hohe Behandlungskosten verursacht werden wie bei der Durchschnittsbevölkerung.[8] Weitere mögliche Auswirkungen sind unter anderem Arbeitslosigkeit, Frühpensionierung, erhöhte Einnahme oder Missbrauch von Medikamenten sowie Partnerprobleme und sozialer Rückzug.[9]

 

Therapie

Während es bis vor einigen Jahren noch kaum Therapieansätze für Somatisierungspatienten gab, können heute einige Modelle gefunden werden, die den Betroffenen helfen sollen, wieder gesund zu werden. Eines dieser Modelle ist die Psychodynamisch-Interpersonelle-Therapie bei somatoformen Störungen (PISO-Intervention), eine 12-stündige, phasendefinierte Intervention. Allgemeine Therapieprinzipien sind eine aktive Einbindung des Körpers sowie psychoedukativer Elemente, die Erarbeitung von Zusammenhängen zwischen Emotionsregulation und Somatisierung und die persönliche Klärung interpersoneller Prozesse über die Entstehung und Aufrechterhaltung der Symptome. Durch diese Intervention kann ein individueller Plan für eine längerfristige Psychotherapie erstellt und eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden.[10]

 

Fazit

Auch wenn bei somatoformen Störungen keine medizinischen Befunde gefunden werden können, weil die Symptome nicht auf physiologischen, sondern psychischen Prozessen beruhen, sollte diese Erkrankung dennoch ernst genommen werden. Wenn der Betroffene langfristig unter seinen Problemen leidet, ist es ratsam, einen Experten aufzusuchen, der ihm, zum Beispiel mit der PISO-Intervention, wieder zu einem verbesserten Lebensgefühl verhelfen kann.

 

Fußnoten

[1] Vgl. Laschet (2018)

[2] Vgl. Häcker/ Stapf (Hrsg.) (2009), S. 923

[3] Vgl. Bach/ Asenstorfer (o.A.)

[4] Vgl. Ermann et al. (2009), S. 62

[5] Vgl. Arbeitskreis PISO (Hrsg.) (2012), S. 14

[6] Vgl. Ermann et al. (2009), S. 62-63

[7] Vgl. Arbeitskreis PISO (Hrsg.) (2012), S. 1

[8] Vgl. Margraf/ Neumer/ Rief (Hrsg.) (1998), S.7

[9] Vgl. Morschitzky (2000), S. 113

[10] Vgl. Arbeitskreis PISO (Hrsg.) (2012), S. 38-39

 

Literaturverzeichnis

Arbeitskreis PISO (Hrsg.) (2012), Somatoforme Störungen, Göttingen.

Ermann, M. et al. (2009), Einführung in Psychosomatik und Psychotherapie, 2. Auflage, Stuttgart.

Häcker, H./ Stapf, K. (Hrsg.) (2009), Dorsch Psychologisches Wörterbuch, 15. Auflage, Bern.

Margraf, J./ Neumer, S./ RiefW. (Hrsg.) (1998), Somatoforme Störungen, Berlin.

Morschitzky, H. (2000), Somatoforme Störungen, Wien.

 

Internetquellen

Bach, M./ Asenstorfer, C. (o.A.), Entstehung und Behandlunghttps://oegpb.at/2015/11/23/entstehung-und-behandlung/, 26.08.2019.

LaschetH. (2018), 38 Prozent mehr psychische Diagnosen bei jungen Erwachsenen, https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/neuro-psychiatrische_krankheiten/article/957990/arztreport-2018-38-prozent-psychische-diagnosen-jungen-erwachsenen.html, abgerufen am 26.08.2019.

 

Titelbild: VSRao, https://pixabay.com/de/illustrations/gehirn-entz%C3%BCndung-schlaganfall-3168269/

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