By Published On: 20. Juli 2022Categories: Meine Hochschule und mein Studium

„Du studierst Psychologie? Also arbeitest du später in einer Praxis und analysierst Menschen, die psychische Probleme haben?“ – mit diesem und vielen weiteren Kommentaren wurde und werde ich seit dem Beginn meines Psychologiestudiums konfrontiert. Sehr viele Menschen in meinem Umfeld denken, dass ein Psychologiestudium nur dazu da ist, um später als Psychotherapeut*in zu arbeiten, psychische Probleme von Patient*innen zu ergründen und dabei irgendwelche unbewussten Konflikte, Bindungsstörungen aus der Kindheit oder Vaterkomplexe aufzudecken. Das klassische Bild von einem Therapieraum mit dem typischen „roten Sessel“ ist in der Gesellschaft weit verbreitet und viele Menschen wissen nicht, wie umfangreich die Psychologie eigentlich ist und wie viele Möglichkeiten ein Studium in diesem Bereich eröffnet. Dieser Beitrag soll zeigen, dass ein Studium der Psychologie nicht nur zwangsläufig bedeutet, die allgemein bekannte Psychotherapie zu praktizieren, und dass die Psychologie auch mit mehr assoziiert werden sollte als nur dem charakteristischen Symbol des „roten Sessels“.

Die Geschichte der Psychologie

Viele Menschen verbinden Psychologie als erstes mit einem typischen Bild: Ein Psychologe analysiert Menschen mit psychischen Problemen, während diese auf einer Couch liegen und über ihre Beschwerden berichten. Dieses Klischee hat seinen Ursprung bei Sigmund Freud und der Psychoanalyse. Durch das freie Erzählen von Gedanken, Wünschen und Träumen, was „freie Assoziation“ genannt wird, sollen unbewusste Konflikte aufgedeckt und die Probleme der Patient*innen erklärt werden (Gerrig & Zimbardo, 2018, S. 610–611; Lück, 2009, S. 91). Doch der Ursprung der Psychologie liegt in einer Zeit lange bevor Freud die Psychoanalyse entwickelte und war zunächst dem Bereich der Geisteswissenschaften zuzuordnen. Schon im 4. und 5. Jahrhundert vor Christus beschäftigten sich einige Menschen mit essenziellen Fragestellungen der Psychologie. Philosophen wie Platon und Aristoteles versuchten, menschliches Funktionieren zu verstehen, sie befassten sich mit Themen wie Emotionen, Gedächtnis, Lernen und Persönlichkeit und sie versuchten, Konstrukte wie den Geist und die Seele des Menschen zu begreifen. 1879 wurde die experimentelle Psychologie von Wilhelm Wund gegründet, woraufhin viele wissenschaftliche Experimente zur Erforschung psychologischer Phänomene durchgeführt wurden. Erst 1900 entwickelte Sigmund Freud die Psychoanalyse, was bis heute das Bild der Psychologie maßgeblich prägte (Gerrig & Zimbardo, 2018, S. 8; Lück, 2009, S. 12; Myers, 2014, S. 3; Reuter, 2014, S. 24–26).

In der heutigen Zeit ist die Psychologie die „Wissenschaft der psychischen Vorgänge, vom Erleben und Verhalten des Menschen“ (Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen, o. J.-a). Erkenntnisse werden anhand wissenschaftlicher Untersuchungen, systematischer Methoden und empirischer Absicherung gewonnen. Dies stellt auch den Unterschied zu der sogenannten Alltagspsychologie dar, die Menschen in ihrem alltäglichen Leben häufig selbst anwenden, um das Verhalten anderer zu verstehen und sich in der Gesellschaft zurechtzufinden (Renner, Heydasch & Ströhlein, 2012, S. 11–15).

Zudem gibt es mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Psychotherapieansätze, die sich von Freuds klassischer Psychoanalyse unterscheiden und in denen es nicht nur um das „Aufdecken unbewusster Konflikte“ geht. Beispielsweise zielen humanistische Therapien darauf ab, eine gesunde und positive Lebensführung zu fördern und Menschen bei ihrer Selbstverwirklichung und Selbsterfüllung zu verhelfen. Bei Verhaltenstherapien steht das Verhalten eines Menschen im Zentrum der Therapie und Störungen und Probleme werden auf Lernerfahrungen und Konditionierungsprozesse zurückgeführt, an denen gearbeitet werden kann, um das Verhalten zu ändern. Kognitive Therapien zielen auf eine Umstrukturierung und Neuanpassung von problematischen Gedanken und Bewertungen ab, da diese zu psychischen Problemen und ungünstige Verhaltensweisen führen können (Gerrig & Zimbardo, 2018, S. 605; Myers, 2014, S. 707–715).

Themenbereiche und Arbeitsfelder der Psychologie

Neben der klinischen Psychologie und Psychotherapie gibt es zahlreiche weitere Bereiche und Teilgebiete der Psychologie, die sich mit anderweitigen psychologischen Themen beschäftigen. Zum Beispiel werden in der biologischen Psychologie biochemische und hirnphysiologische Aspekte im Zusammenhang mit dem menschlichen Erleben und Verhalten untersucht. Die Sozialpsychologie fokussiert sich auf psychologische Phänomene und Verhaltensweisen in der Gesellschaft und in sozialen Beziehungen. Im Bereich der Entwicklungspsychologie werden kognitive, emotionale, soziale und weitere psychische Veränderungen und Entwicklungen untersucht, die ein Mensch in der Lebenszeit durchläuft, wobei auch die Einflüsse von Genetik und Umweltfaktoren betrachtet werden. Des Weiteren gibt es auch noch das Gebiet der Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie, welches vielfältige unterschiedliche Themenbereiche umfasst, wie zum Beispiel psychologische Markt- und Werbeforschung, Beratungen zur Motivations- und Leistungssteigerung oder die Schaffung einer guten Arbeitsatmosphäre in Unternehmen. Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld ist die Gesundheits- und Rehabilitationspsychologie, in dem Themen wie Prävention und Gesundheitsförderung, Stressbewältigung sowie Unterstützung im Umgang mit Erkrankungen oder Einschränkungen eine zentrale Rolle spielen. Weiterhin gibt es noch die Pädagogische Psychologie und Schulpsychologie, die sich beispielsweise mit Lernförderung oder der Entwicklung geeigneter Lehrpläne und Förderprogramme beschäftigt. In der forensischen und Rechtspsychologie werden Rechtsstreitereien und juristische Fälle unterstützt und anhand von psychologischem Wissen eingeschätzt. Zuletzt sei noch die Umweltpsychologie genannt, die besonders im Hinblick auf den Klimawandel einen weiteren wichtigen Bereich der Psychologie darstellt. Diese befasst sich mit umweltbewusstem Verhalten, Tierschutz oder anderweitigen Forschungen wie zum Beispiel über die Auswirkungen von Wohngegenden und Natur auf das (psychische) Wohlbefinden der Menschen (Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen, o. J.-a, o. J.-b; Gerrig & Zimbardo, 2018, S. 20–21; Lück, 2009, S. 167–172).

Zusammenfassung

Ein Psychologiestudium bietet viel mehr Inhalte und berufliche Aussichten als vielen Menschen bewusst ist. Es gibt zahlreiche Themengebiete und Arbeitsfelder, die sich nicht ausschließlich mit psychischen Störungen und Problemen beschäftigen. Wenn ich bemerke, dass Personen in meinem Umfeld dies nicht wissen, dann kläre ich sie auf und erwähne die zahlreichen Möglichkeiten, die sich mit einem Studium der Psychologie eröffnen, um zu zeigen, dass die typische Assoziation mit einem roten Sessel nicht immer so passend ist, wie viele denken.


Literatur

Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen. (o. J.-a). Psychologie einfach erklärt! Zugriff am 29.6.2022. Verfügbar unter: https://www.bdp-verband.de/bdp-s/psychologie-studieren/kompass/was-ist-psychologie.html

Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen. (o. J.-b). Berufsbild Psychologie. Zugriff am 29.6.2022. Verfügbar unter: https://www.bdp-verband.de/profession/ausbildung/berufsbild.html

Gerrig, R. J. & Zimbardo, P. G. (2018). Psychologie (ps psychologie). (T. Dörfler & J. Roos, Hrsg., A. Klatt, Übers.) (21. Aufl.). Hallbergmoos/Germany: Pearson.

Lück, H. E. (2009). Geschichte der Psychologie: Strömungen, Schulen, Entwicklungen (Grundriß der Psychologie) (4. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer.

Myers, D. G. (2014). Psychologie (Springer-Lehrbuch) (3. Aufl.). Berlin Heidelberg: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-40782-6

Renner, K.-H., Heydasch, T. & Ströhlein, G. (2012). Forschungsmethoden der Psychologie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93075-6 Reuter, H. (2014). Geschichte der Psychologie (Bachelorstudium Psychologie). Göttingen Bern Wien: Hogrefe.

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