By Published On: 28. November 2023Categories: Wiki

Es gibt verschiedene therapeutische Ansätze zur Bewältigung von emotionalen und psychischen Herausforderungen. Einer dieser Ansätze ist die Kunsttherapie, deren detaillierte Betrachtung im Fokus dieses Blog-Beitrags steht. Dabei werden die Grundlagen der Kunsttherapie sowie ihre Ziele und die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Kunsttherapie dargestellt.

Grundlagen

Die Kunsttherapie wird, wie auch die Musik-, Tanz-, Poesie- und Dramatherapie, zu den künstlerischen Therapien gezählt (Ganter-Argast, Junne & Seifert, 2022, S. 347). Sie ist ein nichtmedikamentöser und nicht-invasiver Ansatz, der für alle Altersgruppen geeignet ist (Masuch et al., 2021, S. 30). Für das kreative Gestalten werden Materialien wie Pastellkreiden, Farbstifte, Ton oder Holz verwendet (Masuch et al., 2021, S. 30). Die Kunstwerke können Zeichnungen, Gemälde, Skulpturen, Collagen oder andere künstlerische Ausdrucksformen sein. Die Kunsttherapie greift das allgemeine Bedürfnis des Menschen nach kreativem Ausdruck auf (Ganter-Argast et al., 2022, S. 348). Sie findet Anwendung in verschiedenen Bereichen, unter anderem in (teil-)stationären, rehabilitativen und präventiven Kontexten der (Geronto-)Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie sowie im (heil-)pädagogischen Bereich (Ganter-Argast et al., 2022, S. 348).

In der Kunsttherapie arbeiten Patient*innen mit Kunsttherapeut*innen zusammen, um die emotionalen Konflikte und Probleme der Patient*innen durch das Schaffen von Kunstwerken zu erkunden (Gumz & Strauß, 2023, S. 235). Der Prozess des Schaffens von Kunstwerken ermöglicht es Menschen, auf nonverbale Weise mit ihren inneren Konflikten in Kontakt zu treten und diese zu bearbeiten (Gumz & Strauß, 2023, S. 236). Dies unterscheidet Kunsttherapien von rein verbalen Psychotherapien und ist besonders hilfreich für Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen. Es wird von einer kunsttherapeutischen Triade gesprochen, welche die Beziehung zwischen Patient*in, Therapeut*in und dem entstandenen Kunstwerk sowie deren wechselseitige Dynamik umfasst (Ganter-Argast et al., 2022, S. 349).

Die folgende Abbildung – das kunsttherapeutische Beobachtungs- und Interaktionsdreieck – verdeutlicht diese Beziehungen und Dynamiken. Sie veranschaulicht die Triade und zeigt die direkte Verbindung zwischen Patient*in und Therapeut*in (Beziehungsebene), die Verbindung zwischen Therapeut*in und Kunstwerk (Reflexionsebene) und die Verbindung zwischen Patient*in und Kunstwerk (Handlungsebene). Das Kunstwerk dient als Vermittler zwischen Patient*in und Therapeut*in, indem es eine gemeinsame Kommunikationsbasis schafft. Auf der Handlungsebene kann sich der oder die Patient*in durch das kreative Gestalten ausdrücken. Auf der Reflexionsebene können Therapeut*in und Patient*in das Werk und den Gestaltungsprozess gemeinsam reflektieren und interpretieren.

Abbildung 1: Kunsttherapeutisches Beobachtungs- und Interaktionsdreieck
(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schulze, 2019, S. 259)

Kunsttherapie kann als eigenständige Therapieform oder in Kombination mit anderen psychotherapeutischen Ansätzen eingesetzt werden. In vielen Kliniken ist sie integraler Bestandteil des multimodalen Behandlungskonzeptes (Ganter-Argast et al., 2022, S. 348).

Ziele der Kunsttherapie  

Nachdem die Grundlagen der Kunsttherapie erläutert wurden, werden im Folgenden die Ziele der Kunsttherapie beschrieben. Kunsttherapie fördert die Selbstreflexion und das Selbstbewusstsein, indem sie die Patient*innen ermutigt, ihre eigenen Gedanken und Gefühle auf nonverbale und symbolische Weise auszudrücken (Gumz & Strauß, 2023, S. 236). Die Selbstwahrnehmung, das Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeit können durch Kunsttherapie gesteigert werden (Martius & Marten, 2014, S. 332). Menschen, die traumatische Ereignisse erlebt haben, kann Kunsttherapie helfen, diese Erfahrungen zu verarbeiten (Gumz & Strauß, 2023, S. 236). Ferner kann Kunsttherapie die Emotionsregulation verbessern und kommunikative Fähigkeiten sowie soziale Interaktionen fördern (Gumz & Strauß, 2023, S. 236). Die Verwendung von Symbolen und Metaphern ermöglicht einen „sicheren Abstand“ von belastenden Themen (Gumz & Strauß, 2023, S. 236). Dadurch können diese Themen betrachtet und strukturiert werden (Gumz & Strauß, 2023, S. 236), ohne direkt damit konfrontiert zu werden. Dies kann zu einer Reduktion von Angstsymptomen und zu einer Distanzierung von Schmerzen führen (Martius & Marten, 2014, S. 332). Zudem kann die Konzentrationsfähigkeit durch den Gestaltungsprozess gesteigert werden (Martius & Marten, 2014, S. 332).

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit

Die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Kunsttherapie ist noch begrenzt (Gumz & Strauß, 2023, S. 236). Dennoch deuten neuere Forschungsergebnisse darauf hin, dass Kunsttherapie positive Auswirkungen auf verschiedene Aspekte der psychischen Gesundheit haben kann (Gumz & Strauß, 2023, S. 236). Die PAINT-II-Studie am Klinikum Nürnberg zeigte, dass Kunsttherapie einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden von geriatrischen Patient*innen hat (Masuch et al., 2023, S. 276). Ferner zeigte eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation, dass künstlerische Aktivitäten zur Gesundheitsförderung und Prävention von psychischen und physischen Erkrankungen beitragen können (Fancourt & Finn, 2019, S. 57).

Zusammenfassung und Ausblick

Kunsttherapie wird in verschiedenen Bereichen der Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Pädagogik eingesetzt. Sie ermöglicht Menschen, auf nonverbale Weise mit inneren Konflikten in Kontakt zu treten und diese zu bearbeiten. Das kunsttherapeutische Beobachtungs- und Interaktionsdreieck verdeutlicht die Verbindungen zwischen Patient*in, Therapeut*in und dem Kunstwerk als Kommunikationsmittel. Kunsttherapie fördert die Selbstreflexion, das Selbstbewusstsein, die Verarbeitung traumatischer Ereignisse, die Emotionsregulation sowie soziale Interaktionen und die Konzentrationsfähigkeit.

Obwohl die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Kunsttherapie noch begrenzt ist, zeigen neuere Studien vielversprechende Ergebnisse. Diese könnten dazu führen, dass Kunsttherapie in Zukunft verstärkt in therapeutische Behandlungskonzepte integriert wird. Die Forschung zur Wirksamkeit der Kunsttherapie sollte weiter intensiviert werden, um ihre Potenziale vollständig zu erschließen.

Literaturverzeichnis

Fancourt, D. & Finn, S. (2019). What is the evidence on the role of the arts in improving health and well-being? A scoping review (Health evidence network synthesis report, vol. 67). Kopenhagen: WHO Regional Office for Europe.

Ganter-Argast, C., Junne, F. & Seifert, K. (2022). Kunsttherapie: Aktuelle Entwicklungen in Forschung und Ausbildung. Die Psychotherapie, 67(4), 347–364. https://doi.org/10.1007/s00278-022-00600-2

Gumz, A. & Strauß, B. (2023). Künstlerische Therapien. Die Psychotherapie, 68(4), 235–237. https://doi.org/10.1007/s00278-023-00676-4

Martius, P. & Marten, D. (2014). Kunsttherapie. Psychotherapeut, 59(4), 329–343. https://doi.org/10.1007/s00278-014-1055-3

Masuch, J., Antwerpen, L., Vitzthum, K., Brons-Daymond, S., Gosch, M. & Singler, K. (2021). Ist Kunsttherapie im akutgeriatrischen Kontext wirksam? Geriatrie-Report, 16(2), 30–33. https://doi.org/10.1007/s42090-021-1236-5

Masuch, J., Brons, S., Habboub, B., Antwerpen, L., Del Palacio Lorenzo, A., Gosch, M. et al. (2023). Effekte von Kunsttherapie bei geriatrischen Patient:innen. Die Psychotherapie, 68(4), 271–279. https://doi.org/10.1007/s00278-023-00674-6

Schulze, C. (2019). Evidenzbasierter Forschungsbedarf in der Kunsttherapie: Entwicklung eines Modells und Manuals zur systematischen Beschreibung und Untersuchung von Interaktionsphänomenen in Gruppen (IiGART). In M. Ankele, C. Kaiser & S. Ledebur (Hrsg.), Aufführen – Aufzeichnen – Anordnen (S. 257–270). Wiesbaden: Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20151-7_14

Bildnachweis

Titelbild: Selbst erstelltes Bild mithilfe von Adobe Firefly generiert.

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