By Published On: 16. März 2023Categories: Soziales

Fallbeispiel: Die Eltern suchen eine ärztliche Fachperson auf, da sie Auffälligkeiten bei ihrer sechsjährigen Tochter Maria feststellten. Seit einiger Zeit weist Maria eine Essstörung auf sowie ein ängstliches Verhalten und einen damit resultierenden Rückzug. Außerdem ergreift sie oft die Flucht. Im Einzelgespräch mit Maria wird deutlich, dass diese besonders den Vater im Gespräch umgeht. Dabei schaut sie die ganze Zeit nach unten und kann der Gesprächsperson nicht in die Augen schauen. Bei einer körperlichen Untersuchung werden Hämatome und Verbrennungen festgestellt. Die Mutter stellt in einem Gespräch klar, nichts von dem Vorgehen des Kindermissbrauches gewusst zu haben. In Folge wurde der Kinderschutz, eine Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie das Frauenhaus zu dem Fall zugezogen (Schneider/Margraf, 2009, S. 868). Welche Modelle bestehen, die das Verhalten der Eltern gegenüber ihren Kindern darlegen? Welche psychischen Folgen ergeben sich für die betroffenen Kinder?

Definition Kindesmisshandlung

Unter der Bezeichnung wird die Schädigung eines Kindes durch gewaltsame, psychische oder physische Einschränkungen oftmals durch ein Elternteil, verstanden. Die Einschränkungen entstehen durch Handlungen, z.B. körperliche Handlungen an dem Kind oder durch Vernachlässigung hinsichtlich physischer oder emotionaler Sicht (Deegener, 2005, S. 94). Allgemein findet eine Unterteilung in körperlicher, sexueller Missbrauch sowie die emotionale und körperliche Vernachlässigung statt (Grabe/Spitzer, 2012, S. 16–18).

Epidemiologie

Eine weite Verbreitung der Kindesmisshandlung ist nicht nur in Deutschland bekannt. Explizit sollen die Zahlen von Betroffenen ausschließlich von Deutschland betrachtet werden. Dabei wird zwischen dem Hellfeld und dem Dunkelfeld unterschieden. Jährlich gibt die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) Informationen der Kindesmisshandlung bekannt. Darunter fallen Verdachtsfälle von Misshandlungen sowie sexueller Missbrauch von Kindern. 2022 veröffentlichte das BKA aktuelle Zahlen. Ein Anstieg von 6,3% betrifft die Fälle des sexuellen Missbrauchs und entspricht damit einer Anzahl von 15.500 Fällen. In Betracht auf die Missbrauchsdarstellungen gab es einen Anstieg von 108,8%, dies entspricht über 39.000 Fällen (BKA, 2022). Im Gegensatz dazu besteht das Dunkelfeld, welches vermutlich um einiges höher ist. Schätzungen lassen vermuten, welche Zahl der Betroffenen vorliegt, jedoch lässt sich dies nicht erweisen.

Erklärungsmodelle Kindesmisshandlung

Um die Gründe für eine Kindesmisshandlung darzustellen, werden kurz drei Erklärungsmodelle vorgestellt. Pauschal kann nicht zum Nachweis erbracht werden, welche „Gründe“ Eltern/ Personen haben, eine Misshandlung einem Kind zuzufügen.

Als Erstes ist das psychopathologische Erklärungsmodell zu nennen. Zurückzuführen sind Erklärungen für eine Misshandlung auf Persönlichkeitsprobleme der Eltern oder eine Erfahrung aus der eigenen Kindheit, welche harte Strafen beinhaltete. Das Modell erklärt, dass die Gewalt dann sozusagen weitergegeben wird.

Eine Studie von Reisel und Wetzels zeigt die Weitergabe der Gewalt an die eigenen Kinder. Zwei Drittel der Eltern, welche geschlagen wurden, geben die Gewalt weiter.

Daneben bestehen die soziologischen Erklärungsansätze. Hierbei werden verschiedene Ansätze angeführt. Dazu zählen: Überforderung der Familie durch Lebensbelastungen, Zulassung von Gewalt in der Erziehung in unserer Gesellschaft und zuletzt ein Fehlen an sozialen Unterstützungssystemen.

Das letzte Modell ist das sozial-situationale Erklärungsmodell. Hier werden Misshandlungen von Kindern betrachtet, die das Ende von einem ausgearteten Konflikt darstellen. Die Beziehung basiert auf Eltern, welche hilflos sind und Kindern, welche ein aggressiveres Verhalten aufweisen. Ebenso haben Studien belegt, dass problematischere Kinder Strafen und Misshandlungen erlangen (Hasselhorn, 2008, S. 499–502).

Folgen von Kindesmisshandlung

Die Folgen von Kindesmisshandlung erlangen eine Klassifizierung in Kurzzeit- und Langzeitfolgen. Aus der wissenschaftlichen Perspektive liegen mehr Befunde und Erkenntnisse zu den Langzeitfolgen als zu den Kurzzeitfolgen vor (Schneider/Margraf, 2009, S. 869).  In Abhängigkeit von der Art sowie der Schwere der Kindesmisshandlung tritt das Ausmaß der Folgen auf.

Kurzzeitfolgen

Direkt oder bis ca. zwei Jahre nach der Kindesmisshandlung erscheinen diese Art von Folgen.

Bei der Anwendung einer physischen Gewalt zeigen sich sichtbar auf dem Körper z.B. Hämatome oder Verbrennungen. Eine Verzögerung oder eine Störung der Entwicklung tritt bei der Vernachlässigung des Kindes bzw. durch eine emotionale Kindesmisshandlung ein. Betroffen sind beispielsweise Bereiche der Motorik oder der Kognition. Bei dem Geschehnis eines sexuellen Missbrauchs zeigen sich Folgen durch ein sexualisiertes Verhalten und durch Verletzungen im Genital- bzw. Analbereich (Hörmann/Körner, 2008, S. 267).

Langzeitfolgen

Langzeitfolgen machen sich im Erwachsenenalter durch das Auftreten verschiedener Störungsbilder bemerkbar. Zur Verdeutlichung werden im Folgenden kurz zwei Störungsbilder im Hinblick auf die Langzeitfolgen dargestellt.

Posttraumatische Belastungsstörung: Durch das Bestehen von Erinnerungen an die Kindesmisshandlung erleben Betroffene die Geschehnisse wieder. Bei dem Bestehen einer Verbindung zu der Kindesmisshandlung wird diese gemieden.

Persönlichkeitsstörungen und Persönlichkeitsstile: Es liegt eine anfällige Emotionalität vor sowie Impulsivität. Eine Persönlichkeitsstörung die als Folge besonders in den Vordergrund rückt ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung (Deegener, 2005, S. 99).

Allgemein kann gesagt werden, dass misshandelte Kinder im weiteren Verlauf des Lebens schlecht gesellschaftsfähig sind (Fegert, 2010, S.19). Dies lässt sich anhand der verzerrten Wahrnehmung der sozialen Situation erklären (Egle, 2005, S. 10) .

Behandlung


Eine Vielzahl an Methoden besteht mittlerweile hinsichtlich einer Behandlung. Es ist nicht möglich, alle vorhandenen aufzuzählen und darauf einzugehen. Wichtig sei anzumerken, dass diese Möglichkeit für die*den Betroffene*n eine Chance darstellt, um zu versuchen, mit den Geschehnissen leichter umzugehen. Behandlungsverfahren, die angewendet werden, sind z.B. psychoanalytische Traumatherapie, kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze der Behandlung, emotionsfokussierte Traumatherapie oder eine Gruppentherapie von erwachsenen Betroffenen mit traumatisierenden Erfahrungen im Kindesalter (Grabe/Spitzer, 2012, S. 233–368).

Fazit

Kindesmisshandlung ist ein weit verbreitetes Thema. Deutlich wurde, dass die Folgen gravierend sind und bis ins Erwachsenenalter bestehen. Es ist nahezu unmöglich, Kindesmisshandlung zu stoppen. Wichtig für das Umfeld ist, Ausschau zu halten und bei Auffälligkeiten sofort Hilfe zu holen, um das Kind zu schützen. Weiterhin ist es von Bedeutung, dass auf die Kurzzeit- und Langzeitfolgen hingewiesen wird. Mittlerweile gibt es eine hohe Anzahl an Therapiemöglichkeiten, um eine Behandlung anzutreten.


Quellenverzeichnis:

BKA (2022), An­stieg bei Ver­brei­tung, Er­werb, Be­sitz und Her­stel­lung von Dar­stel­lun­gen se­xua­li­sier­ter Ge­walt ge­gen Kin­der im Jahr 2021. Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer, in: https://​www.bka.de​/​SharedDocs/​Kurzmeldungen/​DE/​Kurzmeldungen/​220530_​PK_​KindlicheGewaltopfer2021.html, abgerufen am 02.02.2023

Deegener, G. (Hrsg.) (2005), Kindesmisshandlung und Vernachlässigung. Ein Handbuch, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, Oxford, Prag

Egle, U. T. (2005), Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung. Erkennung, Therapie und Prävention der Folgen früher Stresserfahrungen, 3. Aufl., Stuttgart

Fegert, J. M. (2010), Problematische Kinderschutzverläufe. Mediale Skandalisierung, fachliche Fehleranalyse und Strategien zur Verbesserung des Kinderschutzes, Weinheim

Grabe, H. J./Spitzer, C. (2012), Kindesmisshandlung, Stuttgart

Hasselhorn, M. (2008), Entwicklungspsychologie des Säuglings- und Kindesalters, Göttingen

Hörmann, G./Körner, W. (2008), Einfuehrung in die Erziehungsberatung, Stuttgart

Schneider, S./Margraf, J. (2009), Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Heidelberg

Bildquelle:

geralt (2014b), Mann Hand Schlagen Gewalt Kind Ohrfeige Brutal, in: https://pixabay.com/de/photos/mann-hand-schlagen-gewalt-kind-349265/ , abgerufen am 14.03.2023

Teile diesen Artikel