By Published On: 12. November 2021Categories: Soziales

Deutschland gehört zu einer der reichsten Regionen der Welt. Dementsprechend wird Armut hierzulande oft nur am Rande beobachtet und selten als Gesellschaftliches Problem wahrgenommen.[1] Dabei sind mehr als ein Fünftel, das sind 21,3% bzw. 2,8 Mio. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre von Armut betroffen. Damit einhergehen signifikante Folgen für das Wohlbefinden, das Aufwachsen, die Bildung und die Zukunftschancen der Kinder. Zwar konnte die materielle Versorgung von Kindern in der Grundsicherung (Sozialgesetzbuch Ⅱ / Hartz Ⅳ) verbessert werden, es besteht jedoch eine erhebliche Unterversorgung in den Bereichen der Mobilität, der Freizeit und der sozialen Teilhabe.[2]

Die aktuelle Corona Pandemie verschärft die Situation von Armut betroffener Kinder und Jugendlicher und zeigt die verheerenden Auswirkungen sozioökonomischer Ungleichheit. In Folge der Schulschließungen sind Kinder und Familien auf digitale Endgeräte angewiesen, welche oft gar nicht vorhanden sind und auch nicht kurzfristig beschafft werden können. 24% der Kinder im Grundsicherungsbezug steht kein internetfähiger PC zur Verfügung. Des Weiteren fehlt es von Armut betroffenen Kindern und Familien an ausreichenden Wohnraum. 13% der Kinder haben keine Rückzugsmöglichkeiten, um z.B. in Ruhe zu lernen.[3] Im Rahmen der Kindergarten- und Schulschließungen brach für viele Kinder aus prekären Verhältnissen der konstante Tagesablauf ein. Das kostenlose Mittagessen sowie Außerschulische Betreuungsangebote wurden ohne Alternativangebote gestrichen. Die psychosozialen Folgen der Coronakrise sind deutlich erkennbar. Vor der Pandemie galt ein Drittel der befragten Kinder und Jugendlichen als „psychisch stark belastet“. Im Verlauf der Coronakrise wuchs die Zahl auf 71%. Die Corona Pandemie wirkt sich auch auf das Miteinander innerhalb der Familien aus. 27% der Kinder und 37% der Jugendlichen gaben an, dass Streitigkeiten in der Familie zugenommen haben. Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich das psychische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen massiv verschlechtert hat.[4]

Entstehung und Bekämpfung von Kinderarmut

Zu den Maßgeblichen Treibern der Kinderarmut zählen gesellschaftliche Entwicklungsprozesse, die von einer Deregulierung des Arbeitsmarktes bis hin zur Pluralisierung der Familienformen reichen. Die Entstehungsursachen sind demnach multifaktoriell und müssen somit auch mehrdimensional behandelt werden.

Arbeitsmarkt und sozialpolitische Maßnahmen

Zur Entstehung der Kinderarmut trägt in Deutschland dazu bei, dass hierzulange kein Flächendeckendes Netz von tariflichen Mindeststandards zur Einkommensfestsetzung existiert. Zwar orientieren sich nicht an Tarifverträge gebundene Arbeitgeber an vorhandenen Branchentarifverträgen, dennoch zeigt sich eine Zunahme der Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse. Flächendeckende Kontrollen können bewirken, dass z.B. der Mindestlohn auch tatsächlich ausgezahlt wird. Des Weiteren müssen Beschäftigte die Möglichkeit haben, ihre Mindestlohnansprüche gegenüber dem Arbeitsgeber auch durchzusetzen. Eine weitere Möglichkeit stellt die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse dar.

Familienpolitik

Kinderarmut geht häufig mit Frauenarmut einher. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bedeutet in der Regel eine Reduzierung der weiblichen Erwerbstätigkeit. Durch Schaffung flexiblerer Arbeitszeiten sowie kostengünstigerer Kinderbetreuung kann eine Verbesserung der aktuellen Situation erreicht werden.

Bildungs- und Schulpolitik

Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Kinderarmut spielt Bildung. Bildung kann diesen Kindern und Jugendlichen bessere Zukunftsaussichten ermöglichen. Es ist jedoch zu erwähnen, dass Bildung allein nicht als Wundermittel stilisiert werden darf. Kostenfreie Betreuungsplätze bieten die Möglichkeit von Armut betroffene Kinder umfassend zu betreuen und zu fördern. Nötig ist eine qualitativ hochwertige inklusive Pädagogik, wobei die soziale Herkunft nicht über den Bildungserfolg eines Kindes entscheiden darf.

Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik

Der aktuelle Wohnungstrend zeigt, dass selbst Normalverdiener kaum in der Lage sind eine bezahlbare Wohnung in Groß- oder Universitätsstätten zu beziehen. Der Wohnungsbaumarkt wurde dereguliert gleichzeitig wurde der Ausbau von Sozialwohnungen verringert. Unter diesem Gesichtspunkt rückt das im Baugesetzbuch enthaltende Politikfeld der „sozialen Stadtentwicklung“ in den Fokus. Städte stehen somit vor der Herausforderung einen sozialen Ausgleich anzustreben.[5]

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die Ursprünge der Kinderarmut sowie der sozioökonomischen Ungleichheit in der neoliberalen Modernisierung und politischen Fehlentscheidungen zu finden sind. Eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft, Prekarisierung der Lohnarbeit sowie die wachsende Pauperisierung lassen sich in Folge der sozioökonomischen Ungleichheit beobachten. Bisher ist es der Politik nicht gelungen Konzepte zu entwickeln die sozialpolitischen Probleme und gesellschaftliche Polarisierung bekämpft. Erforderlich in dem Zusammenhang sind Neugestaltungen der Steuerpolitik, wirtschaftliche Interessensgegensätze sowie eine Neuordnung des sozioökonomischen Kräfteverhältnisses. Eine gute Arbeits-, Bildungs- und Sozialpolitik darf nicht abhängig vom sozialen Status einer Familie sein.[6]


[1]  Vgl. Wagner-Diehl (2020), S. 2

[2]  Vgl. Bertelsmannstiftung (2020)

[3]  Vgl. Bertelsmannstiftung (2020)

[4]  Vgl. Klundt (2021), S. 16

[5]  Vgl. Butterwegge (2021), S. 20-22

[6]  Vgl. Klundt (2021), S. 17


Quellenangaben

Bertelsmannstiftung: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2020/juli/kinderarmut-eine-unbearbeitete-grossbaustelle / abgerufen am: 18.10.2021

Butterwege, C., (2021), Kinderarmut in Deutschland in Sozial Extra 45, S.19-23, Köln: Universität zu Köln

Klundt, M., (2021), Soziale Spaltung und Corona Kapitalismus in Sozial Extra 45, S.13-18, Magdeburg: Hochschule Magdeburg-Stendal

Wagner-Diehl, D.,(2020), Familie, Armut und Unterstützung in Handbuch Familie (Ecarius, J. / Schlierbaum, A.) Wiesbaden: Springer Fachmedien

Beitragsbild: Trauig Kind Junge Weinen Tränen Trauigkeit – kostenloses Bild auf Pixabay

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