By Published On: 11. April 2024Categories: Soziales
Urheber: eigene Fotografie

In Deutschland nehmen wie in vielen anderen Staaten gesellschaftliche Spaltungen zu, die sich entlang grundlegender sozio-politischer Themen wie Klimawandel, Migration und Globalisierung ziehen. Dabei erstarken rechtskonservative Parteien, ebenso wie progressive Werte in Demokratien gesetzlich verankert werden. Ein Faktor tritt medial besonders in Erscheinung: Laut einer Studie der Universität Köln, hat sich das Wahlverhalten von Frauen in den letzten 70 Jahren um 180 Grad verändert. Sie wählen deutlich linker, vor allem junge Frauen von 18 bis 24 Jahren wählen Grüne, Linke und SPD. Die AfD wird häufiger von Männern gewählt (13,0% vs. 7,8% der Frauen). Junge Männer wählten 2021 am häufigsten die FDP (26,2% vs. 14,8% der Frauen).[1] 

Welche Faktoren begünstigen die konservative Haltung von jungen Männern sowie die Befürwortung liberaler Werte von Frauen und welche Auswirkungen kann dies auf die Beziehungen zwischen Männer und Frauen haben?

Faktoren für den „Modern Gender Gap“

Männer und Frauen sind keine homogene Gruppe, sondern andere Faktoren wie Bildung und ökonomischer Status spielen in der Werteorientierung ebenfalls eine Rolle. So existiert generell ein Gefälle zwischen links-liberalen Tendenzen in Großstädten gegenüber traditionell eher konservativen Haltungen auf dem Land. Dennoch lassen sich Faktoren finden, die ein geschlechterspezifisches Auseinanderdriften erklären. So wählen junge Frauen mit Universitätsabschluss in den USA eher die Partei der Demokraten, während Männer ohne diesen Abschluss sich eher republikanisch orientieren.[2] Bildung und insbesondere der Eintritt in den Arbeitsmarkt sind auch für die Politikwissenschaftlerin Simone Abendschön Faktoren für die eher liberale Haltungen von Frauen. Sozialdemokratische und sozialstaatliche Fragen sowie Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind für Frauen in den letzten Jahren tendenziell wichtiger geworden als ökonomische Themen, die wiederum für Männer eine relevante Rolle spielen.[3]  Auch die MeToo-Bewegung habe weltweit die Frauen für das Eintreten ihrer Rechte erstarken lassen.

Der Psychologe Stephan Grünewald sieht in den Jahren der Pandemie einen erklärenden Faktor, der alte Rollenmuster wieder reaktiviert habe. Die ökonomischen Einschnitte brachten Frauen zurück in die Betreuung der Familie, während Männer sich als alleinige Ernährer gefordert sahen. Als weiteren Faktor begünstigt der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine die Rolle des Mannes als Soldat und Patriot, der mit Durchsetzungsstärke und Kompromisslosigkeit sein Land verteidigt. Generell seien Populisten wie Trump weltweit auf dem Vormarsch, die Durchsetzungskraft, Entscheidungsfreudigkeit und eine starke Führung symbolisierten.[4] Für den Männerforscher Christoph May ist vor allem der Faktor des Backlash relevant, der Männer gegen das Erstarken des Feminismus aufbegehren lässt und traditionelle Männlichkeit begünstigt.[5] 

Konsequenzen parteipolitischer Geschlechtertrennung

Eine politische Trennlinie zwischen den Geschlechtern kann dazu führen, dass zwischen Familien, Freundeskreisen und Paaren ein konfliktreicher Graben entsteht. Dies lässt sich bereits in den USA beobachten, wo Freundschaften und Ehen zwischen Demokraten und Republikaner eher Seltenheitswert haben. In Südkorea beträgt der Abstand zwischen konservativen Männern und liberalen Frauen bereits rund 50 Prozentpunkte. Diese hat Auswirkungen auf die Heirats- und Geburtenrate, die stark gesunken ist.[6] Der Konflikt zwischen den Geschlechtern lässt das Thema der Gleichstellung wieder stärker zum Konfliktfeld werden.

Ausblick

Das Thema der weltweit divergierenden politischen Entwicklungen zwischen jungen Männern und Frauen hat medial auch in Deutschland für Schlagzeilen gesorgt. Aufgrund der bereits in den USA und Korea sich abzeichnenden gravierenden Konsequenzen für Partnerschaften und Familien gilt es diese Entwicklung weiterhin durch wissenschaftliche Studien zu analysieren, um Maßnahmen z.B. für den Arbeits- und Bildungssektor abzuleiten. Aber auch die Auswirkungen politischer Gräben innerhalb von Beziehungen und Familien dürften inter-personelle Konflikte steigern und den Belastungsgrad jedes Einzelnen erhöhen. Durch den weit verbreiteten einseitigen Konsum von Nachrichten in den sozialen Medien, werden solche Tendenzen zusätzlich gefördert.

[1] Vgl. Universität zu Köln (2023): Frauen wählen linker – aber das war nicht immer so. Zugriff am 25.02.2024. https://portal.uni-koeln.de/forschung/forschungsmeldungen/detail-forschungsmeldung/frauen-waehlen-linker-aber-das-war-nicht-immer-so.

[2] Vgl. Cox et al. (2022): Politics, Sex, and Sexuality: The Growing Gender Divide in American Life. Findings from the March 2022 American Perspectives Survey. Zugriff am 01.03.2024. https://www.americansurveycenter.org/research/march-2022-aps/.

[3] Vgl. Billmayer (2024): Werden junge Frauen linker, Männer rechter? Zugriff am 01.03.2024. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/politischer-gender-gap-100.html

[4] Vgl. Grünewald (2023): Konservativer Roll-Back – der harte Mann kehrt zurück. Zugriff am 01.03.2024. https://www.rheingold-marktforschung.de/gesellschaft/warum-die-harten-maenner-zurueckkehren/.

[5] Vgl. Kröpfl (2024): Männerforscher: „Sehen Backlash traditioneller Männlichkeit“. Zugriff am 01.03.2024. https://kurier.at/leben/gesellschaft/warum-maenner-konservativ-frauen-liberal-generation-z-geschlechtsidentitaet-jungs maennerforscher/402769612#:~:text=Männerforscher%20Christoph%20May%20überrascht%20das,im%20Gespräch%20mit%20dem%20KURIER.

[6] Vgl. Burn-Murchoch (2024): A new global gender divide is emerging. Young men and young women’s world views are pulling apart. The consequences could be far-reaching. Zugriff am 01.03.2024. https://www.ft.com/content/29fd9b5c-2f35-41bf-9d4c-994db4e12998

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