By Published On: 8. August 2022Categories: Literaturempfehlungen

von Anna Maria Sanders

Im Buch „Ich dreh gleich durch!“ wird das Leben des 11jährigen Max für einen Zeitraum von ca. 6 Monaten beschrieben. Max hat ADHS, wobei im Buch deutlich wird, dass die Abklärung und Diagnosestellung offiziell noch nicht stattgefunden hat aber die Eltern die Störung vermuten.

Es werden verschiedene Situationen aus der Sicht von Max, seinen Eltern, den Lehrpersonen oder auch seines Bruders oder Opas beschrieben. Hierbei wird deutlich wie die einzelnen Erlebnisse oder Begebenheiten aus der Schule, dem Zuhause oder den Ferien in Bezug auf die Störung ADHS wahrgenommen werden und vor allem wie sie Max tagtäglich begleiten und behindern. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Autorin im Verlauf des Buches immer wieder wissenschaftliche Information einbringt, sich auf Fachliteratur bezieht und ein umfangreiches Literaturverzeichnis zur Vertiefung vorweisen kann.

Die Darstellung der Verhaltensweisen von Max und seine geschriebenen Empfindungen in Form eines Tagebuchs, beschreiben sehr klar wie die ADHS Störung Max beeinflusst und wie sein Umfeld auf Fehler, Regelverstösse und Zappligkeit reagiert. Es wird sehr deutlich, wie oft die genannten Probleme nicht absichtlich passieren und meistens aus dem vorliegenden Störungsbild mit Unaufmerksamkeit, Vergesslichkeit, Impulsivität und verminderter Reizkontrolle entstehen. Besonders aufmerksam wird die Leserschaft über das Meinungsbild, welches sich die Klassenkameraden, Lehrpersonen und auch sein Opa über Max gemacht haben. Er ist ein Störenfried, welcher ständig alles vergisst, nicht zuhört, immer zu träumt, Streit anzettelt und schusselig ist. Dabei ist Max ein lieber, empathischer Junge mit gutem Intellekt, welcher aufgrund des ADHS nicht strukturiert denken kann, allen Einflüssen ausgesetzt ist und sich nicht langfristig fokussieren kann.

Könnte Max in einem Gebiet nicht Höchstleistungen bringen, wenn man ihn anhand seiner Stärken messen würde und nicht anhand seiner Schwächen?

Gemäss Nyberg et. al. sind Menschen mit ADHS mutig und haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn (Vgl. Nyberg/Hofecker-Fallahpour/Stieglitz, 2013, Kapitel 3.3.5, Absatz 1). Dies trifft auf Max zu, da er seinen besten Freund vor Gehässigkeiten beschützen möchte oder sich für die Pflege der verletzten Pfote seine Katze im besonderen Masse einsetzt und hierfür ein Risiko eingeht.

Fazit:

Im Anschluss an die Diagnose ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) in unserem Umfeld, suchte ich ein Buch, welches mir die Störung näherbringen konnte. Nicht die Definition gemäss ICD oder DSM oder die Symptombeschreibung in der Fachliteratur, denn die kannte ich bereits aufgrund meines Studiums und diverser Literaturrecherchen für Hausarbeiten. Ich suchte ein Buch aus dem realen Leben mit Beispielen des Alltages, um das Denken eines ADHSlers und seine Handlungen besser verstehen zu können. Ich wollte nachvollziehen können, was sich im Kopf abspielt, wenn z.B. das Zähneputzen verlangt wird und das Kind dann beim Sortieren seiner Plüschtiere erwischt wird. Das ist mir mit diesem Buch hervorragend gelungen. Ich verstehe nun welche Vielzahl von Eindrücken auf ein Kind mit ADHS einwirken und wie schwierig der Alltag zu bewerkstelligen ist, wenn das Gehirn bei der Filterung der Eindrücke nicht gut funktioniert.

Kritisch hingegen empfinde ich die fehlende medizinische Abklärung von Max. Da ich im privaten Umfeld ein ADHS Kind kenne, bei welchem viele Jahre lang die Augen verschlossen wurde und auch von Aussenstehenden nie ein konkreter Hinweis vorlag, empfinde ich es schade, dass Max mit seinen 11 Jahren allein mit dem Problem kämpfen muss. Die ständige Ablehnung, Kritik und Zurückweisung sind in seinen Worten und Empfindungen bereits tief verankert und persönlich hätte ich als Mutter zu grosse Angst vor einer Abwärtsspirale aus Entmutigung, Misserfolgen und Resignation sowie daraus folgende Depressionen (Vgl. Ney-Lobkowicz, 2020, Ausgabe 63, Absatz 6).

Für wen ist das Buch geeignet?

Der Verein ADHS Deutschland e. V. empfiehlt das Buch „Ich dreh gleich durch!“ als Aufklärungslektüre für Eltern und geht sogar so weit, dass Lehrpersonen dieses Buch als Pflichtlektüre lesen sollten, denn es hilft nachzuvollziehen, wie das Chaos im Kopf eines ADHS-Kindes aussieht und was dieses Kind fühlt, erlebt und erleidet (Vgl. Melzer-Reuter, 2016, Absatz 9-10). Die Autorin Anna Maria Sanders verbindet Information aus der Fachliteratur mit Beispielen aus dem Alltag eines ADHS Kindes aus der Perspektive der Eltern, Lehrpersonen, Bezugspersonen und natürlich aus der von Max. Alle Personen beschreiben aus ihrer jeweiligen Sicht, wie sie viele kleine Katastrophen erleben und ermöglichen es somit der Leserschaft, die Störung ADHS und das Kind zu verstehen. Hierbei kann man lernen das Kind mit seinen Stärken und Schwächen anzunehmen und dennoch lieb zu haben (Vgl. Melzer-Reuter, 2016, Absatz 8).

Literaturverzeichnis

Melzer-Reuter, M. (2016), ADHS Deutschland e.V. In: http://www.adhs-deutschland.de/desktopdefault.aspx/tabid-51/39_read-10510/, abgerufen am 10. Juli 2022

Nyberg, E./Hofecker-Fallahpour, M./Stieglitz, R. D. (2013), Ratgeber ADHS bei Erwachsenen, Informationen für Betroffene und Erwachsene, 1. Aufl., Göttingen.

Ney-Lobkowicz, A. (2020), Schweizerische Fachstelle ADHS, Ausgabe 63, In: https://www.sfg-adhs.ch/de/17-newsletter/70-ausgabe-63.html , abgerufen am 10. Juli 2022.

Medienquellen:

Abbildung 1: Beitragsbild – Quelle: Eigene Fotografie

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