By Published On: 3. Juni 2022Categories: Psychologie

„Du bist einfach zu nah am Wasser gebaut!“

„Du bist ja so empfindlich!“

„Wieso weinst du jetzt schon wieder?“

Wenn du zu Hochsensibilität neigst oder jemanden kennst, der hochsensibel ist, dann kommt dir das mit Sicherheit auch bekannt vor. Denn diese Aussagen bekommen Hochsensible Menschen immer wieder zu hören.

Aussagen wie diese führen bei Hochsensiblen Menschen oft zu Selbstkritik und dem Gefühl irgendwie „falsch zu sein.“ Da empathische Menschen eher zum Grübeln und zum “vielen Nachdenken“ neigen, ist dieses Gefühl oft auch eine Bestätigung dafür nicht „gut genug zu sein“. Ganz besonders wenn die betroffene Person bereits unterbewusst dieser Überzeugung ist, dass sie sich verändern oder verstellen muss, um es anderen Menschen recht zu machen.

Was ist Hochsensibilität?

„Als Hochsensibilität – oder auch Hochsensitivität – wird jenes Phänomen beschrieben, bei dem die betreffenden Menschen deutlich mehr Reize und Informationen wahrnehmen. Vor allem verarbeiten sie Reize intensiver, als dies beim Rest der Menschen der Fall ist.“[1]

Bisher konnte nicht festgestellt werden, wie viele Menschen hochsensibel sind, dennoch liegen realistische Schätzungen bei etwas 1 bis 3 Prozent der Weltbevölkerung.[2] Das liegt ohne Zweifel auch an der Tatsache, das vielen Menschen nicht bewusst ist, dass sie eine hochsensible Persönlichkeit haben.

Es gibt unterschiedliche bekannte Arten von Hochsensibilität, darunter sensorische Sensibilität, kognitive- und auch emotionale Sensibilität. In diesem Blogbeitrag wird jedoch auf Hochsensibilität im Allgemeinen Stellung bezogen, sowie ein Weg aufgezeigt, wie hochsensible Menschen ihre Stärken erkennen, nutzen und gleichzeitig mit den negativen Eigenschaften der Hochsensibilität besser umzugehen lernen.

Wahrnehmung und Stärken

Ein Hochsensibler Mensch nimmt, wie bereits weiter oben erwähnt, die Welt um sich, ohne Filter wahr.

Fähigkeiten und Stärken einer Hochsensiblen Person sind beispielsweise:

  • ausgeprägte Empathie
  • Sinn für Ästhetik
  • Aktives Zuhören
  • Ausgeprägte Konzentrationsfähigkeit
  • Analyse und Mediation
  • Vorstellungskraft und Visualisierung
  • Selbstreflexion
  • Ausgeprägte Sinneswahrnehmung

All diese Fähigkeiten machen einen Hochsensiblen Menschen zu einem guten Zuhörer, ein Mediator, Ratgeber und einem Menschen, mit dem man gerne über tiefgründige Themen spricht. Das erklärt, wieso viele Empathen und hochsensible Menschen in psychologischen oder wissenschaftlichen Berufen tätig sind oder Berufe wählen, wo die Arbeitsatmosphäre eher ruhig und harmonisch ist.

Abbildung 1:

Die Schattenseiten der Hochsensibilität

All die zuvor genannten Fähigkeiten und Stärken, können, in falschem Maß angewandt oder auch missbraucht werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die ausgeprägte Sinneswahrnehmung, denn sie führt zu einer nahezu seismografischen Wahrnehmung von Stimmungsschwankungen anderer Menschen oder auch von Gefahren. Das kann zu gesteigerter Angst oder auch schlechter Laune führen, sobald ein Betroffener damit in Berührung kommt.

Wird also nicht der richtige Umgang mit der Hochsensibilität erlernt, dann sind Angststörungen, Depression, Compassion Fatigue oder auch die sogenannte Reizüberflutung nicht selten. Die empathische Fähigkeit und Feinfühligkeit ist sozusagen Fluch und Segen gleichzeitig.

Dabei prasseln verschiedenste Reize der Außenwelt, wie beispielsweise Licht, Geräusche, Stimmungsschwankungen anderer Menschen, Gerüche, Düfte, Stress, Konflikte, etc. ungefiltert auf die betroffene Person ein. Das erschwert das Leben, eines hochsensiblen Menschen, erheblich.

Abbildung 2:

Resilienzstärkung als Lösungsansatz

Wenn ein Betroffener zusätzlich auch noch eine nicht vorhandene oder geschwächte psychische Widerstandskraft hat, dann steigt die Wahrscheinlichkeit einer Reizüberflutung. Diese bringt Überforderung, Schlafstörungen, Aggression, Depression oder Migräne mit sich. In weiteren Fällen mündet es auch in einem Burnout – einem Zustand des „ausgebrannt seins“ – oder einer sogenannten Compassion Fatigue.

Compassion Fatigue, auch Mitgefühlsmüdigkeit oder „Empathische Distress- Ermüdung“[3] genannt, tritt ganz besonders bei hochsensiblen Menschen auf, die auch zu Altruismus, also selbstloser Sorge um das Wohlergehen anderer, neigen.

Um als Betroffener besser mit der emotionalen, sensorischen oder kognitiven Sensibilität umzugehen, ist es wichtig resilienter zu werden, also die persönliche psychische Widerstandskraft zu stärken. Resilienz ermöglicht Gelassenheit und einen unbeschwerten Umgang mit den Anforderungen des Lebens, sowie den Begleiterscheinungen einer Hochsensibilität.

Es sind unterschiedliche Ansätze zur Resilienzstärkung bekannt. Ein ganzheitlicher Ansatz durch Selbstfürsorge, wird in diesem Blogbeitrag (Verlinkung zu Beitrag Nr 2) im genaueren beschrieben.

Was verändert sich durch Resilienz

Wird ein Betroffener psychisch widerstandsfähiger, durch gezielte und geübte Resilienz-Stärkung, dann zeigt sich das in vielerlei Hinsicht:

  • Konstruktiver Umgang mit negativen Emotionen
  • Besserer Umgang mit Fehlern
  • Stärkere Kompetenz mit Krisen und Rückschlägen umzugehen

Fazit

So können auch hochsensible Menschen vorteilhafter und erfolgreicher mit ihren Fähigkeiten und Stärken leben, ohne das diese zur Last werden. Resilienz ist meiner Meinung nach, für Hochsensible Menschen, wie ich es beispielsweise auch bin, der Schlüssel für ein unbeschwertes Leben, glückliche und gesunde Beziehungen und der Widerstandsfähigkeit, um mit dem klarzukommen, was das Leben für einen bereithält. Hochsensibilität ist keine Schwäche und bringt weitaus mehr Vorteile mit sich, als angenommen wird. Es ist mehr als nur „nah am Wasser gebaut zu sein“. Hochsensibilität ist ein Geschenk, bei dem es lediglich wichtig ist, zu lernen, auf die Richtige Art und Weise damit umzugehen.


[1] Roemer C. (2021)

[2] Vgl. Risch M. (2019)

[3] Klimecki, O., & Singer, T. (2012)

Literatur

Klimecki, O., & Singer, T. (2012). Empathic distress fatigue rather than compassion fatigue? Integrating findings from empathy research in psychology and social neuroscience. In B. Oakley, A. Knafo, G. Madhavan, & D. S. Wilson (Eds.), Pathological altruism (pp. 368–383). Oxford University Press.

Risch M. (2019) Über Depression und Hochsensibilität, https://clinicum-alpinum.com/ratgeber/ueber-depression-und-hochsensibilitaet/ , abgerufen am 23.03.2022.

Roemer C. (2021) Hochsensibilität. In: Abenteuerlustig & Hochsensibel. essentials. Springer, Wiesbaden.

Bildquellen

Beitragsbild: Pixabay.com

Abbildung 1: Pixabay.com, URL: Pixabay.com

Abbildung 2: Eigene Darstellung in Anlehnung an Pixabay.com

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