By Published On: 7. August 2025Categories: Pädagogik, Psychologie

Überbehütendes Erziehungsverhalten wird häufig als „Helikopter-Elternschaft“ bezeichnet. Darunter versteht man Eltern, die ihre Kinder engmaschig überwachen und bereits bei kleinsten Schwierigkeiten eingreifen – meist mit positiven Absichten (Urone et al., 2024, S. 2). Dieser Artikel erläutert, weshalb ein solches Verhalten dennoch nachweislich negative Folgen für die kindliche Entwicklung haben kann und welche Alternativen Eltern stattdessen fördern sollten.

Warum Helikopter-Eltern Kindern nicht unbedingt guttun

Bereits Thorndikes Theorie des Lernens durch Versuch und Irrtum zeigt: Wir lernen durch Fehler und daraus gezogene Schlüsse (Mangal & Mangal, 2024, S. 96). Auch aktuelle Studien belegen, dass Herausforderungen und Rückschläge wichtig für den Aufbau von Resilienz sind. Menschen, die moderaten Belastungen ausgesetzt waren, verfügen über bessere mentale Gesundheit und sind weniger anfällig für Stress (Vigdal & Brønnick, 2022, S. 2). Werden Kinder jedoch ständig vor Schwierigkeiten geschützt, fehlen ihnen wichtige Lernerfahrungen für Selbstständigkeit und seelische Stabilität.

Des Weiteren stellt die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan einen wichtigen theoretischen Ansatz dar, um das Phänomen von Helikopter-Eltern besser zu verstehen. Nach der Selbstbestimmungstheorie verfügen Menschen über drei grundlegende psychologische Bedürfnisse: das Bedürfnis nach Autonomie – also das Erleben von Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit –, das Bedürfnis nach Kompetenz, das sich im Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und im Erleben von Selbstwirksamkeit zeigt, sowie das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit, das durch wertschätzende und stabile Beziehungen erfüllt wird. Die Selbstbestimmungstheorie geht davon aus, dass sich Menschen nur dann bestmöglich entwickeln können, wenn alle drei Bedürfnisse gleichermaßen befriedigt werden (Vigdal & Brønnick, 2022, S. 2). Werden diese grundlegende Bedürfnisse dauerhaft nicht erfüllt – etwa durch übermäßige elterliche Kontrolle –, kann das bei Kindern zu Stressproblemen, vermeidendem Verhalten, geringem Selbstwert, depressiven Symptomen und erhöhter Ängstlichkeit führen (Reed et al., 2016, S. 3144).

Aus Sicht der Selbstbestimmungstheorie behindern Helikopter-Eltern die Entwicklung von Autonomie und Kompetenz, indem sie sich übermäßig in Entscheidungen ihrer Kinder einmischen – etwa in finanziellen, emotionalen oder gesundheitlichen Fragen (Reed et al., 2016, S. 3137). So nehmen sie ihnen wichtige Erfahrungen in Selbstständigkeit.

Außerdem besagt die Beziehungsmotivationstheorie – eine Erweiterung der Selbstbestimmungstheorie –, dass insbesondere die Befriedigung der Bedürfnisse nach Autonomie und Kompetenz eine entscheidende Rolle für die Entstehung und Entwicklung von qualitativ hochwertigen Beziehungen spielt (Deci & Ryan, 2014, S. 56).

Warum Eltern zu Helikopter-Verhalten neigen

Überbehütendes Erziehungsverhalten entsteht oft nicht nur aus dem Wunsch heraus, das eigene Kind zu schützen, sondern kann auch Ausdruck der eigenen Ängste und Unsicherheiten der Eltern sein. Studien zeigen, dass insbesondere elterliche Bindungsängste mit übermäßigem Kontroll- und Schutzverhalten zusammenhängen. Anstatt die Bedürfnisse und Entwicklungsschritte des Kindes im Blick zu behalten, reagieren Eltern dabei häufig auf ihre eigenen inneren Unsicherheiten (Jiao & Segrin, 2021, S. 864). Elterliche Überfürsorge kann auch aus eigenen unerfüllten Lebenszielen entstehen. Wer verpasste Chancen betrauert, neigt dazu, unbewusst eigene Erwartungen auf die Kinder zu übertragen, sodass sich elterliche und kindliche Ziele vermische (Urone et al., 2024, S. 4). Umso wichtiger ist es, dass Eltern zunächst ihr eigenes Verhalten und ihre eigenen Ängste reflektieren. Wer versteht, woher das überprotektive Verhalten kommt, kann lernen, loszulassen und dem Kind die nötigen Freiräume für Selbstständigkeit zu geben.

So fördern Eltern gesunde Entwicklung statt Kontrolle

Anstatt übermäßig einzugreifen, können Eltern die Selbstständigkeit ihrer Kinder gezielt stärken. Dazu gehört zunächst, Entscheidungen oder Regeln nachvollziehbar zu erklären, damit Kinder den Sinn dahinter verstehen. Anstatt Entscheidungen für die Kinder zu treffen, sollten Eltern sie darin unterstützen, eigene Entscheidungen zu fällen. Indem sie Wahlmöglichkeiten anbieten und Orientierung geben, wenn das Kind aktiv um Hilfe bittet, vermitteln sie Sicherheit und ermutigen die Eigeninitiative der Kinder. Zudem ist es ein wichtiger Schritt für Eltern, den eigenen Perfektionsanspruch loszulassen. Fehler gehören zum Aufwachsen dazu – genauso wie bei Erwachsenen. Wer seinem Kind jede Unsicherheit oder jedes Scheitern ersparen will, nimmt ihm wichtige Lernchancen und verhindert, dass es eigene Fähigkeiten und Problemlösungsstrategien entwickelt. Ein einfach umsetzbarer Tipp für den Alltag dazu wäre, Kindern altersgerechte Aufgaben zuzutrauen – etwa das eigene Zimmer aufzuräumen, Kleidung zu waschen oder Mahlzeiten vorzubereiten. Wer ihnen diese Verantwortung konsequent abnimmt, nimmt ihnen auch die Chance, Selbstständigkeit und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln.

Zudem ist es wichtig, die Gefühle und Sichtweisen des Kindes ernst zu nehmen und eine vertrauensvolle Kommunikation zu fördern (Joussemet et al., 2008, S. 165). Schon im Kleinkindalter fördern spielerische Aktivitäten zur Emotionserkennung und -regulation, und die bewusste Begleitung bei Gefühlen, dass Kinder lernen, ihre Emotionen früh besser einzuordnen und auszudrücken. In der Adoleszenz ist eine offene Gesprächskultur besonders wichtig, da Jugendliche eigene Meinungen entwickeln und emotionale Herausforderungen erleben. Eltern unterstützen sie, indem sie aktiv zuhören, Gefühle ernst nehmen und zum offenen Austausch ermutigen.

Fazit

Auch wenn hinter überbehütendem Erziehungsverhalten meist gute Absichten stehen, zeigen Forschungsergebnisse klar: Übermäßige Kontrolle nimmt Kindern wichtige Entwicklungschancen. Wer seinem Kind Selbstständigkeit, Entscheidungsfreiheit und das Erleben eigener Kompetenzen ermöglicht, legt hingegen den Grundstein für seelische Stabilität, Selbstvertrauen und gesunde Beziehungen. Das setzt voraus, dass Eltern eigene Ängste und Erwartungen reflektieren, loslassen lernen und gleichzeitig eine offene, wertschätzende Kommunikation im Familienalltag etablieren.

Um Eltern gezielt zu unterstützen, braucht es Aufklärung und Präventionsprogramme, die für die Folgen von Überkontrolle sensibilisieren. Solche Angebote können helfen, elterliche Erziehungsstrategien zu stärken, gegenseitiges Vertrauen zu fördern und so langfristig nicht auch die gesunde Entwicklung und das psychische Wohlbefinden der Kinder positiv zu beeinflussen (Urone et al., 2024, S. 22).

Literaturverzeichnis

Deci, E. L. & Ryan, R. M. (2014). Autonomy and need satisfaction in close relationships: Relationships motivation theory. In N. Weinstein (Hrsg.), Human motivation and interpersonal relationships: Theory, research, and application (S. 53-76). New York: Springer

Jiao, J. & Segrin, Ch. (2021). Emerging Ideas: Parent-Emerging-Adult-Child attachment and overparenting. Family relations, 70, S. 859-865

Joussemet, M., Landry, R. & Koestner, R. (2008). A self-determination theory perspective on parenting. Canadian Psychology, 49, S. 194-200

Mangal, S. K. & Mangal, S. (2024). Sport Psychology: Concepts and Applications. New York: Routledge

Reed, K., Duncan, J. M., Lucier-Greer, M., Fixelle, C. & Ferraro, A. J. (2016). Helicopter parenting and emerging adult self-efficacy: Implications for mental and physical health, Journal of child and family studies, 25, S. 3136-3149

Urone, Ch., Verdi, Ch., Iacono, Ch. L. & Miano, P. (2024). Dealing with Overparenting: Developmental outcomes in emerging adults exposed to overprotection and overcontrol, Trends in psychology, S. 1-26

Vigdal, S. J. & Brønnick, K. K. (2022). A systematic review of „helicopter parenting“ and ist relationship with anxiety and depression. Frontiers of Psychology, 13, S. 1-17

Titelbildquelle

Titelbild von sofatutor, veröffentlicht am 19. August 2021, Zugriff am 08.07.2025, verfügbar unter

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