By Published On: 30. Mai 2025Categories: Soziales, Wirtschaft

Trotz der gestiegenen gesellschaftlichen Sensibilität für Gleichberechtigung in den letzten Jahren, ist der Gender Pay Gap nach wie vor ein präsentes Problem, welches Frauen weltweit betrifft. Zahlreiche nationale und internationale Studien belegen diese geschlechterspezifische Ungleichheit bei der Entlohnung und zeigen einen deutlichen Verdienstnachteil von Frauen. Doch was versteht man eigentlich genau unter dem Gender Pay Gap, woher stammt diese Ungleichbehandlung am Arbeitsmarkt und ist sie entgegen allen kritischen Stimmen vielleicht sogar gerechtfertigt? Mit diesen Fragen beschäftigt sich folgender Beitrag. 

 

Größe und Begriffserklärung

Der Gender Pay Gap ist ein seit vielen Jahren von der EU verwendeter Indikator, der die Ungleichbehandlung von Frauen im Gegensatz zu Männern auf dem Arbeitsmarkt darstellt. Er misst den prozentualen Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst zwischen abhängig beschäftigten Frauen und Männern, wobei Beschäftigte in der Landwirtschaft, der öffentlichen Verwaltung und jene, die in Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern arbeiten, nicht berücksichtigt werden. In den letzten Jahren wird dem Gender Pay Gap auch immer häufiger die „bereinigte Lohnlücke“ gegenübergestellt. Dieser Wert gibt an, wie hoch der Gender Pay Gap wäre, wenn für Frauen und für Männer die gleichen Voraussetzungen bzw. Bedingungen gelten würden.[1] Während der Gender Pay Gap innerhalb der Europäischen Union durchschnittlich 12 Prozent beträgt, liegt er in Deutschland zusammen mit Österreich, der Tschechischen Republik und Ungarn verhältnismäßig hoch mit rund 18 Prozent. Der bereinigte Gender Pay Gap betrug 2024 in Deutschland 6 Prozent.[2] Dies wirft eine zentrale Frage auf: Sind diese Unterschiede gerechtfertigt, oder zeigen sie eine systematische Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt auf?

Theorieansätze

Um die Ursachen für den Gender Pay besser verstehen zu können, ist es zunächst essenziell, sich mit den Theorieansätzen zur geschlechtsspezifischen Entlohnung auseinanderzusetzen. Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen lässt sich zu einem großen Teil durch geschlechtsspezifische Unterschiede im Humankapital erklären, welches entscheidend für die Bestimmung der Lohnhöhe ist. Humankapital bezieht sich sowohl auf das Wissen und die Fähigkeiten, die durch formale Bildung, wie zum Beispiel Schul- und Universitätsabschlüsse, als auch durch informelle Bildung, wie Berufserfahrung, erworben werden. Prinzipiell steigt das Humankapital kontinuierlich mit dem Alter und der Zeit im Arbeitsmarkt an. Bei Frauen hingegen wird die Steigerung des Humankapitals häufig durch familienbedingte Pausierung der Erwerbstätigkeit, beispielsweise in der Elternzeit, unterbrochen, während es bei den Männern weiter ansteigt. Dies hat meist zur Folge, dass Frauen niedrigere Löhne in Kauf nehmen müssen.[3] Basierend auf der Humankapitaltheorie wird außerdem die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern in bestimmten Berufen, mit der sogenannten Selbstselektion erklärt. Demnach wird angenommen, dass die Berufswahl von Frauen stark davon abhängt, wie gut der Beruf sich mit familiären Verpflichtungen vereinbaren lässt, und ob beispielsweise die Möglichkeit auf Teilzeitarbeit besteht. Diese unterschiedliche Eingebundenheit von Frauen und Männer im Berufsalltag tragen außerdem zu geschlechtsungleichen beruflichen Aufstiegschancen bei. 

Die Humankapitaltheorie stößt an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die allgemeine Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, unabhängig von Faktoren wie Berufserfahrung oder Berufsfeld zu erklären. Es ist fraglich, ob die beobachtete Häufigkeit von Frauen in schlechter bezahlten Berufen wirklich zur Erklärung „gerechtfertigter“ Lohnunterschiede herangezogen werden kann. Vielmehr könnte die unterschiedliche Verteilung in bestimmten Berufen und Tätigkeitsfeldern die Folge von Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt sein. Laut mehreren Studien sind Frauen bereits zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn mit geringerer Entlohnung im Vergleich zu Männern „gefangen“. Bereits Anfang der 1980er Jahre wurde widerlegt, dass Frauen, die eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit planen, häufiger klassische „Frauenberufe“ wählen als andere Frauen, was der Selbstselektionsthese widerspricht. In der Soziologie wird deshalb angenommen, dass weibliche Arbeit kulturell generell abgewertet wird. Zusätzlich zeigt sich, dass die Arbeit von Frauen innerhalb derselben Berufsgruppe, grundsätzlich weniger geschätzt und gefördert wird, was als „allokative Diskriminierung“ bezeichnet wird. Diese Abwertung weiblicher Arbeit ist ein weiterer zentraler Faktor für die geringere Bezahlung.[4] Es ist essenziell, Berufe, die traditionell von Frauen dominiert werden, gesellschaftlich und finanziell aufzuwerten. Die Pandemie hat gezeigt, wie unverzichtbar Tätigkeiten in Pflege und Erziehung sind – warum spiegelt sich das nicht in der Bezahlung wider?

Lösungsansätze

Um den Gender Pay Gap zu minimieren, ist es essenziell, die oben genannten Ursachen zu verstehen und gezielt darauf einzugehen. Eine erste entscheidende Maßnahme ist die Förderung der Kinderbetreuung. Durch den Ausbau und die leichtere Zugänglichkeit von Kindertagesstätten können Frauen, schneller ins Berufsleben zurückzukehren und somit ihre Einkommenssituation verbessern. Weiters kann auch die Einführung von Partnermonaten zur Verbesserung des Gender Pay Gaps beitragen. Die gesteigerte Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung ermöglicht es Frauen zum einen früher wieder ihrem Beruf nachzugehen, zum anderen kann dadurch auch die traditionelle Rollenverteilung verändert und eine gerechtere Aufteilung in der Kinderbetreuung erzielt werden.[5]

Fazit

Der Gender Pay Gap stellt trotz zahlreicher Bestrebungen nach Gleichberechtigung ein zentrales Problem im Leben von Frauen dar. Obwohl Frauen oft eine genauso gute oder sogar eine bessere Bildung erhalten, verdienen sie im Durchschnitt weniger als Männer. Diese geschlechtsspezifische Lohnlücke kann unter anderem auf unterbrochene Erwerbstätigkeit durch familiäre Verpflichtungen, geschlechtsspezifische Segregation und Diskriminierung zurückgeführt werden. Es ist wichtig, diese Ungleichheit in Zukunft durch gezielte Maßnahmen, wie dem Ausbau der Kinderbetreuung langfristig zu bekämpfen, um endlich eine Gerechtigkeit in der Entlohnung von Frauen herzustellen. 


Fußnoten

[1] Vgl. Klenner/ Schulz/ Lillemeier (2016), S.5-6. 

[2] Vgl. Statistisches Bundesamt (2024)

[3] Vgl. Fuchs et al. (2019), S.3. 

[4] Vgl. Busch/Holst (2010), S. 91-93. 

[5] Vgl. Paus et al. (2024), S.3. 

Literaturverzeichnis

Busch, A./ Holst, E. (2010), Der Gender Pay Gap in Führungspositionen: Warum die Humankapitaltheorie zu kurz greift, Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 19. Jg., Nr. 2, S. 19–20.

Fuchs, M./ Rossen, A./ Weyh, A./ Wydra-Somaggio, G. (2019), Gender-Pay-Gap von Vollzeitbeschäftigten auf Kreisebene: Unterschiede in der Lohnlücke erklären sich vor allem durch die Betriebslandschaft vor Ort, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg.

Klenner, C./ Schulz, S./ Lillemeier, S. (2016), Gender Pay Gap: die geschlechtsspezifische Lohnlücke und ihre Ursachen, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI), Düsseldorf.

Paus, L. et al. (2024), Gender Gaps – Reformoptionen der (Steuer-)Politik, ifo Schnelldienst, 77. Jg., Nr. 8, S. 3–31.

Statistisches Bundesamt (2024), Gender Pay Gap in Europa und Deutschland, https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Bevoelkerung-Arbeit Soziales/Arbeitsmarkt/GenderPayGap.html, abgerufen am 23.03.2025.

Titelbildquelle

Titelbild von Sora Shimazaki, veröffentlicht am 23.10.2020 über https://www.pexels.com/de-de/foto/ernten-sie-schwarzen-jobkandidaten-der-lebenslauf-an-hr-mitarbeiter-weitergibt-5673502/, abgerufen am 23.03.2025.

Nutzungsbedingungen unter https://www.pexels.com/de-de/lizenz/, abgerufen am 23.03.2025.

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