Motivation gilt als einer der Schlüsselfaktoren für erfolgreiches Lernen und doch stellt genau sie im Schulalltag oft eine der größten Herausforderungen dar. Schülerinnen und Schüler sind heute täglich mit interaktiven Medien und spielerisch kreativen Reizen konfrontiert, wodurch traditioneller Frontalunterricht häufig als monoton empfunden wird.
Ein möglicher Ansatz, um dem zu begegnen ist Gamification. Damit ist hier die Integration spieltypischer Elemente in schulische Lernprozesse gemeint. Ziel ist nicht, Schule zum Spiel zu machen, sondern gezielt Motivationsmechanismen aus dem Game-Design auf Lernkontexte zu übertragen (Körner et al., 2024, S. 29). Doch wie funktioniert das konkret – und welche Chancen und Grenzen bringt das mit sich?
Was ist Gamification – und wie funktioniert sie?
Gamification, oder auch Gamifizierung genannt, bezeichnet den Einsatz von Spielelementen wie Punkte, Abzeichen, Levels oder Ranglisten in spielfremden Kontexten (Deterding et al., 2011, S. 9). Ziel ist es, Lernende zu motivieren und ihren Lernprozess aktiv zu fördern (Körner, 2024, S. 29). Ein bekanntes Beispiel ist die App „Kahoot“, bei der Lernende Fragen beantworten, Punkte für richtige und schnelle Antwortensammeln und je nach Einstellung gegeneinander oder gemeinsam im Team antreten. Dabei wirken die Spielelemente unterschiedlich auf die Motivation, die entweder intrinsisch (aus Neugier, Interesse oder Freude) oder extrinsisch (durch äußere Anreize wie Belohnungen oder Bewertungen) entsteht (Jansen, 2018, S. 111).
Im Folgenden werden vier typische Spielelemente näher betrachtet:
- Punkte: Punkte, „Skill Points“ sind „die einfachste und schnellste Form, […] Feedback zu geben“ (Sailer, 2016, S. 31). Diese direkte Rückmeldung auf den eigenen Lernprozess erhöht die Zielorientierung („Ich will Level 3 erreichen!“) und die Persistenz, denn auch kleine Fortschritte werden dadurch sichtbar gemacht. Dabei hat eine Studie einen positiven Effekt auf die intrinsische Motivation gezeigt, während eine andere Studie keinen signifikanten Effekt zeigte (Sailer, 2016, S. 31).
- Zeitlimits: Begrenzte Antwortzeiten erzeugen Spannung und fordern eine schnelle Reaktion. Durch die erzeugte Aufregung kann die Aufmerksamkeit gesteigert und der Fokus erhöht werden (Körner et al., 2024, S. 32). Gleichzeitig kann ein Zeitlimit auch Stress auslösen, was sich letztendlich negativ auf die (Lern)Motivation auswirken kann. Das hängt stark von den Lernenden individuell und dem Zeitlimit ab.
- Wettbewerb & Ranglisten: Sobald Lernende über sog. Rankings oder Bestenlisten gegeneinander antreten, entsteht Wettbewerb. Dieser aktiviert vor allem extrinsische Motivation, z.B. durch Anerkennung oder das Bedürfnis „besser als die anderen“ zu sein Sailer (2016, S. 36). Während leistungsorientierte Schüler*innen davon profitieren, besteht für schwächere das Risiko sich abgehängt zu fühlen und demotiviert zu werden.
- Kooperation: Teamrankings fördern im Gegensatz zu Einzelrankings die Zusammenarbeit und die soziale Eingebundenheit, durch die Möglichkeit im Team zu spielen und gemeinsam Punkte zu sammeln (Sailer, 2016, S. 37). Dadurch wird öffentliches individuelles Scheitern vermieden und das Ergebnis der Team-Leistung steht im Mittelpunkt. Studien belegen, dass Teamrankings das Engagement und die Motivation steigern können (Sailer, 2016, S. 38). Allerdings ist eine klare Verantwortungsverteilung wichtig, sonst kann es zum sog. „Trittbrettfahrer-Effekt“ kommen, bei dem sich einzelne weniger aktiv einbringen (Zhang et al., 2023, S. 402).
Einen Überblick über weitere Gamification-Elemente und ihre Wirkung gibt folgende Darstellung der Gamification-Taxonomie nach Toda et al. (2019):

Chancen & Grenzen
Gamification findet besonders auf internationaler Ebene viel Anerkennung. Verschiedene Studien zeigen, dass es positive Effekte in Bezug auf die Motivation, Freude, Benutzerbeteiligung und Lernergebnisse hat (Becker & Metz, 2024, S. 67). Allerdings ist zu beachten, dass die Wirksamkeit von Gamification auf die Motivation und das Engagement von Lernenden immer auch von der Gestaltung und der Umsetzung der Gamification-Elemente, sowie von der Ausrichtung dieser in Bezug auf die intrinsische Motivation und individuellen Ziele der Schüler*innen abhängt (Zakaria et al., 2024, S. 9). Isoliert oder einfach aneinandergereihte Spielelemente stellen nämlich noch keine gelungene Gamifizierung dar (Körner et al., 2024, S. 32). Diefenbach & Müssig (2018) fanden in diesem Zusammenhang heraus, dass der isolierte Einsatz von Punktesysteme sogar unbeabsichtigte Effekte wie Prokrastination auslösen kann.
Handlungsempfehlungen für den Einsatz von Gamification
Besonders entscheidend ist daher nicht nur was, sondern wie gamifiziert wird. Erfolgreiche Gamification braucht ein durchdachtes Gesamtkonzept, ein Ansatz, den Kapp (2012) als „Game Thinking“ beschreibt (S. 11; nach Körner et al., 2024, S. 33-35):
- Meaningful Play: Lernenden muss erkennbar gemacht werden, dass ihr Handeln bedeutsam ist und sichtbare Auswirkungen auf ihren weiteren Lernprozess hat, z.B. könnten Schüler*innen aus verschiedenen Lernpfaden selbst wählen. Ihre Wahl bestimmt dann die nächste Aufgabe.
- Feedback: Prozessbezogenes Feedback steigert die Motivation. Lernende sollten während dem Lernen Hinweise darauf erhalten, ob ihre Entscheidung zielführen war, wie z.B. bei einem digitalen Lernquiz, indem Schüler*innen nicht nur „richtig/falsch“ hören, sondern Hinweise wie: „Fast! Denk nochmal an die Definition …“ bekommen.
- Gameplay Balance: Herausforderungen sollten so gestaltet werden, dass Einsatz und Risiko angemessen belohnt werden. Dabei ist es wichtig, dass Fehler passieren dürfen – sie sind sogar erwünscht, da sie ein wichtiger Bestandteil des Lernens sind. So kann etwa ein Fehlversuch als eigenes „Lernlevel“ sichtbar gemacht werden, während Belohnungen gezielt für den Mut vergeben werden, sich einer schwierigen Aufgabe überhaupt zu stellen.
- Flow: Sobald Aufgaben im individuellen Anforderungsbereich liegen, entsteht ein Zustand vertiefter Konzentration: das sog. Flow-Erlebnis. Die Aufgabenstellung muss sich an unterschiedliche Lernvoraussetzungen orientieren, z.B. durch wählbare Hilfestellungen in Form von „Lern-Joker“ oder ein offener Aufgabenraum, der individuelle Interessen und Stärken der Schüler*innen beinhaltet.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gamification schulisches Lernen motivierender, interaktiver und wirksamer machen kann, wenn sie bewusst, durchdacht und mit Blick auf die Lernenden eingesetzt wird. Sobald Spielelemente sinnvoll kombiniert, eingebettet und mit klaren individuellen pädagogischen Zielen verbunden werden, entsteht nicht nur kurzfristiger Spielreiz, sondern Lernmotivation, Lernengagement und Lernerfolg.
Literaturverzeichnis
Becker, S. & Metz, A. (2024). Serious Games und Gamification in der schulischen Bildung. Wiesbaden: Springer.
Deterding, S., Dixon, D., Khaled, R. & Nacke, L. (2011). From Game Design Elements to Gamefulness: Defining Gamification. In: Proceedings of the 15th International Academic MindTrek Conference: Envisioning Future Media Environments, S. 9–15. ACM. doi: 10.1145/2181037.2181040.
Diefenbach, S. & Müssig, A. (2018). Counterproductive effects of gamification: An analysis on the example of the gamified task manager Habitica. International Journal of Human-Computer Studies, 127, S. 190–210. doi: https:// doi.org/10.1016/j.ijhcs.2018.09.004.
Jansen, M. (2018). Motivation und Volition (Aufl. 1). Studienbrief der SRH Fernhochschule, Riedlingen.
Kapp, K. M. (2012). The Gamification of Learning and Instruction Game-Based Methods and Strategies for Training and Education. San Francisco, CA: Pfeiffer.
Körner, S., Bonn, B. & Staller, M. S. (2024). Gamification in der Hochschullehre. Ein praktischer Leitfaden für Dozent*innen. Wiesbaden: Springer.
Sailer, M. (2016). Die Wirkung von Gamification auf Motivation und Leistung. Empirische Studien im Kontext manueller Arbeitsprozesse. Wiesbaden: Springer.
Toda, A., Klock, A. C. T., Oliveira W. & Palomino P. T. (2019). Analysing gamification elements in educational environments using an existing Gamification taxonomy. Smart Learning Environments, 6(1). doi: 10.1186/s40561-019-0106-1.
Zakaria, A. L. J., Bouayad, A. & Malki, M. O. C. (2024). A systematic review of gamification in MOOCs: Effects on student motivation, engagement, and dropout rates. Sidi Mohamed Ben Abdellah University. Journal of Educators, 21(2), S. 196-208.
Zhang, J., Jiang, Q., Lowry, P. B., Zhang, W. & Zhang, X. (2023). Explaining the outcomes of social gamification: A longitudinal field experiment. Journal of Management Information Systems, 40(2), S. 401–439. doi: https://doi.org/10.1080/07421222.2023.2196776.
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