By Published On: 8. August 2021Categories: Pädagogik, Psychologie

Lernen wird oft mit der Schule, Universität oder anderen Bildungsinstituten in Verbindung gebracht. Dabei fallen häufig Stichworte wie ,,Büffeln‘‘ oder ,,Pauken‘‘ und Glaubenssätze wie ,,Lernen erfolgt nur durch Schweiß!‘‘ und ,,Lernen frustriert!‘‘ sind keine Seltenheit. Das Lernen hat häufig ein schlechtes und mit Anstrengung verbundenes Image, welches uns dazu verleitet, in der Freizeit eher weniger Zeit damit zu investieren. Denn wer entscheidet sich schon gerne für mühsame Aktivitäten? So entsteht eine klare Einteilung zwischen der Bildung in Institutionen und der Zeit, die wir frei gestalten können. Doch das ist ein Trugschluss. Unser Gehirn ist regelrecht dazu ausgerichtet, um zu lernen – ob wir wollen oder nicht. Diese Fähigkeit wurde uns in die Wiege gelegt. Bereits Säuglinge erkunden aktiv ihre Umgebung, um die Welt zu begreifen. Lernen hat hier allerdings noch keinen bitteren Beigeschmack, sondern wird aktiv und scheinbar mühelos betrieben.[1] Lernen ist daher nicht nur das Auswendiglernen von Lerninhalten, sondern kann beispielsweise auch das Erlernen von Verhalten umfassen.[2] Doch eins trifft auf alle Lernprozesse zu: unser Gehirn verändert sich dabei und diese Weiterentwicklung findet ein Leben lang statt.[3]

Lernen und neuronale Netzwerke

Die Gehirnforschung erlaubt einen Blick auf das Gehirn beim Lernen. Daraus entstehen Erkenntnisse, welche für nachhaltiges und anwendungsorientiertes Lernen relevant sind.[4]  Dazu schauen wir uns die neuronalen Netzwerke an. Neuronale Netzwerke sind Systeme, die Informationen verarbeiten. Diese werden aus einer großen Zahl einfacher Schalteinheiten zusammengefügt. Diese Netzwerke verarbeiten Informationen durch Aktivierung bzw. Hemmung von Neuronen. Lernen ist daher ein Anpassungsvorgang im Zentralnervensystem an die Lebenserfahrung eines Organismus.[5]

Lernen und Emotionen

Neutrales Material wird in Abhängigkeit des emotionalen Zustands in anderen Bereichen des Gehirns gespeichert.  Der emotionale Kontext hat damit einen Einfluss auf die spätere Erinnerungsleistung. Wörter, die in einem positiven emotionalen Kontext gespeichert werden, können am besten erinnert werden und zum Problemlösen angewendet werden. D.h. Lernen sollte in einer stimmigen emotionalen Atmosphäre erfolgen. [6] Aufmerksames, motiviertes und emotionales Lernen ist effektiv.[7]

Lernen und Neuronale Plastizität

Die wesentliche Grundlage für das Lernen und Gedächtnis stellt die funktionsabhängige neuronale Plastizität dar. Das Gehirn unterliegt nicht nur genetischer Determinierungen durch die phylogenetische Evolution, sondern auch der individuellen Erfahrung (Epigenese). Neuronale Plastizität liegt in jeder Lebensphase eines Menschen vor, was beispielsweise den Erfolg von Psychotherapie erklärt. Kortikale Landkarten können durch neue und bedeutsame Erfahrungen im erwachsenen Gehirn umorganisiert werden.[8] Dies kann durch Gespräche im therapeutischen Gespräch, aber auch durch deine innere Stimme im Kopf erfolgen. Gespräche mit uns selbst äußern sich durch Gedanken. Gedanken setzen sich als Meinungen und Überzeugungen in unserem Gehirn fest. Dabei können die gleichen Gedanken immer wiederkehren und sich unserem Bewusstsein aufdrängen. Dadurch, dass Gedanken kommen und gehen können, ergibt sich auch die Folge, dass diese komplexen materiellen Strukturen unseres Gehirns verändert werden können. Neuronale Vernetzungen zwischen Nervenzellen werden jedoch durch positive Überzeugungen und positive Gedanken anders verändert als durch negative Gedanken. Menschen, die kreisende Gedanken über mangelnde Fähigkeiten (z.B. Lernen für eine Prüfung) von einer Zielerreichung (z.B. das Bestehen einer Prüfung) aufweisen, erreichen die Ziele dadurch nicht. Die Gedanken führen lediglich dazu, dass das Denken bestätigt wird und daher auch gefestigt wird. Positives Denken bewirkt hingegen weniger Stressreaktionen.[9]

Fazit

Lernen wirkt vielleicht manchmal mühsam auf uns, zumindest wenn wir es so bewerten. Denn letztendlich lernen wir immer, auch ohne, dass wir es bewusst wahrnehmen. Das Gehirn führt diese Fähigkeit aus und bietet durch die neuronale Plastizität einige Möglichkeiten Lernprozesse zu optimieren, um sich selbst weiterzuentwickeln.


[1] Vgl. Spitzer, M.: 2005, S.2-3

[2] Vgl. Bak, P.M.: 2019, S.4

[3] Vgl. Frick-Salzmann, A. et al.: 2018, S.24

[4] Vgl. Spitzer, M.: 2005, S.7-8

[5] Vgl. Spitzer, M.: 2004, S.47-48

[6] Vgl. Spitzer, M.: 2005, S.8-9

[7] Vgl. Spitzer, M.: 2004, S.50

[8] Vgl. Schiepek, G. et al.: 2004, S.9-10

[9] Vgl. Rüegg, J.C.: 2004, S.350-351

Literatur 

Bak, P., 2019. Lernen, Motivation und Emotion. Allgemeine Psychologie II – das Wichtigste, prägnant und anwendungsorientiert. Berlin, Heidelberg: Springer.

Frick-Salzmann, A. et al., 2018. Gehirn – Gedächtnis – Lernen. In: H. Schloffer, E. Prang & A. Frick-Salzmann, Hrsg. Arbeitsbuch Gedächtnistraining. 100 Übungen für die Einzel- und Gruppenaktivierung von älteren Menschen. Berlin, Heidelberg: Springer, pp. 19-25.

Schiepek, G. et al., 2004. Neurobiologie der Psychotherapie – Ansatzpunkte für das Verständnis und die methodische Erfassung komplexer biopsychischer Veränderungsprozesse. In: G. Schiepek, Hrsg. Neurobiologie der Psychotherapie. Stuttgart: Schattauer, pp. 1-27.

Spitzer, M., 2005. In: OECD, Hrsg. Wie funktioniert das Gehirn? Auf dem Weg zu einer neuen Lernwissenschaft. Stuttgart: Schattauer.

Rüegg, J., 2004. Psychosomatik, Psychotherapie und neuronale Plastizität – Wie Worte wirken. Heidelberg: Springer.

Beitragsbild von Gerd Altmann auf Pixabay. Zugriff am 02. August 2021, von https://pixabay.com/de/illustrations/künstliche-intelligenz-gehirn-hirn-4389372/

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