By Published On: 4. April 2024Categories: Psychologie
Urheber: eigene Fotografie

Hunde als Therapeuten? Das mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, aber zahlreiche Studien haben gezeigt, dass der Kontakt mit Hunden positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann. Allein die Anwesenheit eines Hundes führt in der Psychotherapie bei Kindern mit psychiatrischen Störungen zu einem verbesserten Sozialverhalten und reduzierte Angst und Stress.[1] Dies macht Hunde zu idealen Partnern integriert in eine Therapie von Traumapatienten. 

In diesem Beitrag wird zunächst erläutert, was unter Traumata und posttraumatischen Belastungsstörungen verstanden wird, welche positive Rolle Hunde in der tiergestützten Traumatherapie einnehmen können, wobei die grundlegende Triade zwischen Therapeut, Hund und Klient einbezogen wird, und welche Perspektiven sich für den Hund als Co-Therapeuten in der Traumatherapie bieten.

Was sind Traumata und posttraumatische Belastungsstörungen?

Die meisten Menschen haben im Laufe ihres Lebens mindestens ein traumatisches Erlebnis. Traumata sind Ereignisse, die „mit drohendem Tod der eigenen oder anderer Personen, erleben vom Tod anderer oder Bedrohung der eigenen physischen Integrität einhergehen“.[2] Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die Variationen des Krankheitsbildes, wobei zwischen akzidentellen und interpersonellen Traumata unterschieden wird:


Typ-I-Traumata Einmalig / kurzfristigTyp-II-Traumata Mehrfach / langfristigMedizinisch bedingte Traumata
Akzidentelle TraumataSchwerer Verkehrsunfall
Akute lebensgefährliche Erkrankungen  (z.B. kardiale, pulmonale Notfälle)

Berufsbedingte Traumata (z.B. Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte)Technische Katastrophen
(z.B. Giftgas-katastrophen)
Chronische lebensbedrohliche / schwerste Krankheiten
(z.B. Malignome, HIV/Aids, Schizophrenie)

Kurzdauernde Katastrophen
(z.B. Wirbelsturm, Brand)
Langdauernde Naturkatastrophen (z.B. Erdbeben, Überschwemmungen)Als notwendig erlebte medizinische Eingriffe (z.B. Defibrillations-behandlung)
Interpersonelle TraumataSexuelle Übergriffe (z.B. Vergewaltigung)Sexuelle und körperliche Gewalt / Missbrauch in der Kindheit bzw. im ErwachsenenalterKomplizierter Behandlungsverlauf nach angenommenem Behandlungsfehler

Kriminelle bzw. körperliche GewaltKriegserleben

Ziviles Gewalterleben (z.B. Banküberfall)Geiselhaft


Folter, politische Inhaftierung
Tabelle 1: Arten traumatischer Ereignisse, Quelle: In Anlehnung an Maercker (2019), S.16.

Viele Menschen können diese tiefgreifenden Erlebnisse in angemessener Zeit erfolgreich verarbeiten, andere dagegen entwickeln posttraumatische Reaktionen wie die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Die Diagnose PTBS wird konstatiert, wenn die Diagnosekriterien nach ICD-10 oder DSM-5 erfüllt sind. Der Störung liegt mindestens ein Trauma zugrunde sowie ein Symptomquartett bestehend aus Intrusionen, Hypersarousal, emotionaler Taubheit und phobischem Vermeidungsverhalten. PTBS belegt in Deutschland Platz vier der häufigsten Störungsbilder.[3] 

Welchen positiven Einfluss können Hunde in der Traumatherapie ausüben?

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Ein wichtiger Aspekt des Einsatzes von Hunden in der Traumatherapie ist ihre Fähigkeit, Stress zu reduzieren. Es wurde festgestellt, dass allein das Streicheln eines Hundes den Cortisolspiegel senken kann, ein Hormon, das Stress und Angst fördert. Durch die Interaktion mit einem Hund können Menschen eine tiefere Entspannung erleben und sich sicherer und geborgener fühlen. Zudem zeigen Forschungsergebnisse, dass Hunde positive Effekte auf depressive Symptome, Gefühle der Einsamkeit[4] und sogar auf körperliche Schmerzen erzielen können. Der Oxytocin-Level, das auch als Glückshormon bezeichnet wird, steigt bei PTBS-Patienten im Umgang mit Hunden signifikant an.[5]

Hunde können Betroffenen helfen, das Vertrauen und die zwischenmenschliche Bindung zu stärken. Für Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, kann es schwierig sein, anderen Menschen zu vertrauen oder sich sicher zu fühlen. Hunde sind jedoch von Natur aus loyal und einfühlsam. Sie bringen eine hohe Sensibilität für menschliche Stimmungen mit.[6] Ihre bedingungslose Liebe kann traumatisierten Menschen helfen, wieder Vertrauen und positive Beziehungen zu anderen aufzubauen. 

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Ein weiterer wichtiger Aspekt des Einsatzes von Hunden in der Traumatherapie ist ihre Fähigkeit, Menschen zu helfen, sich im Moment zu verankern. Traumapatienten können oft von belastenden Erinnerungen oder Flashbacks überwältigt werden. Hunde können als Anker dienen, die den Fokus auf den gegenwärtigen Moment lenken, was Sicherheit bietet.[7]

Schließlich können Hunde die Kommunikation stärken, da viele in ihrer Gegenwart sich entspannter und offener zeigen. Durch die Interaktion mit dem Hund lernen sie, ihre Gefühle auszudrücken und eine Verbundenheit zum anderen zu fühlen. Das neugewonnene Vertrauen in Kommunikation wirkt auch dem Gefühl der Sinnlosigkeit entgegen, was häufig Symptom einer depressiven Erkrankung ist.[8]

Welche Herausforderungen erfordert die Triade Therapeut – Hund – Klient?

Die Besonderheit dieses therapeutischen Ansatzes ist das veränderte Beziehungsgeflecht. Durch den Einbezug eines Hundes wird aus einer Dyade Therapeut – Klient eine Triade. Dies gestaltet den therapeutischen Prozess dynamischer, vielschichtiger und kreativer, gleichzeitig aber auch komplexer und schwerer in der Steuerung. Der Therapeut hat nicht nur den Klienten im Blick, sondern auch den Hund. Für den Hund ergeben sich zwei unterschiedliche Beziehungen: zum einen die primäre zu seiner Bezugsperson, zum anderen die sekundäre soziale Beziehung zu dem Klienten. Während die primäre Beziehung exklusiv ist und auf einer sicheren Bindung basiert, gestaltet sich die Beziehung zum Klienten nicht exklusiv und Bindungsaspekte spielen aus der Perspektive des Hundes keine Rolle.[9] An dieser Stelle soll auf die Komplexität dieser Dreiecksbeziehung hingewiesen werden, die durch Einbindung eines Tiertrainers noch um eine vierte Person ergänzt werden kann und von allen Beteiligten sehr viel fordert.

Perspektiven für den Hund als Co-Therapeut

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In Deutschland ist die hundegestützte Therapie bei Patienten mit Traumafolgeerkrankungen wie PTBS noch wenig verbreitet. Auch wenn diese Form der Therapie nicht als alleinstehende Intervention einer Behandlung von Traumapatienten betrachtet werden sollte, so kann sie erfolgreich als Ergänzung von oder in Verbindung mit anderen therapeutischen Verfahren angewendet werden. Die Heiligenfeld Kliniken bieten bereits seit Jahren im Rahmen der „tierbegleiteten Therapie“ die Möglichkeit für Patienten, ihren Hund mitzubringen und diesen in die Therapie einzubeziehen. Die klinischen Maßzahlen weisen eine deutlich stärkere Verbesserung auf, verglichen mit Behandlungen ohne Hund.[10] 

Insgesamt bietet der Einsatz von Hunden in der Traumatherapie eine einzigartige und wirkungsvolle Möglichkeit für die Betroffenen, Vertrauen aufzubauen, sich auf Bindungen wieder einzulassen und Kommunikation neu auszurichten. Die selbstlose Bindung zu Menschen machen Hunde zu wertvollen Partner in der therapeutischen Arbeit.

[1] Vgl. Julius et. al (2014), S. 66.

[2] Beetz, Schöfmann (2021), S. 355.

[3] Vgl. Bültmann, Sobottka (2017), S. 5.

[4] Vgl. Wohlfarth, Mutschler (2022), S. 46.

[5] Vgl. Allard, Sobottka, Doll-Degenhardt et. al (2017), S. 49.

[6] Vgl. Blesch (2020), S. 83.

[7] Vgl. Wohlfarth, Mutschler (2022), S. 46.

[8] Vgl. Blesch (2020), S. 87.

[9] Vgl. Wohlfarth, Mutschler (2022), S. 40 – S. 41.

[10] Vgl. Heiligenfelder Zentrum für Tierbegleitete Therapie. Zugriff am 31.01.2024. https://www.heiligenfeld.de/kliniken/heiligenfelder-zentrum-fuer-tierbegleitete-therapie.

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