By Published On: 22. Februar 2023Categories: Gesundheit, Psychologie

Selbstzweifel hat jeder Mensch schon einmal erlebt. So kommt es hin und wieder zu Fragen, wie „Bin ich gut genug?“, „Habe ich für die Klausur genug gelernt?“ Oder „Hätte ich für XY mehr arbeiten müssen?“. Personen, die an dem Impostor-Syndrom leiden, stellen ihr Können dauerhaft in Frage, was zu ernsthaften Problemen führen kann. Nun stellt sich die Frage, was ist das Impostor-Syndrom genau und welche Möglichkeiten gibt es, diese schwerwiegenden Selbstzweifel entgegenzuwirken?

Was ist das Impostor-Syndrom?

Das Impostor-Syndrom wird im deutschen als das Hochstapler-Syndrom oder Hochstapler-Phänomen bezeichnet. Es beschreibt das Gefühl der Unzulänglichkeit im Studium oder im Job. Betroffene sind der Meinung, ihren Erfolg nur durch Zufall erlangt zu haben. Aus diesem Grund können sie sich nicht mit ihrem Erfolg identifizieren und werden von dem Gefühl geplagt, diesen nicht zu verdienen. Daraus resultiert, dass die Betroffenen sich selbst als Hochstapler wahrnehmen und Angst davor haben, aufgrund ihrer vermeintlichen Inkompetenz entlarvt zu werden (Akbaba et al., 2022; Schröder, 2022).

Dem Phänomen liegt eine verzerrte Selbstwahrnehmung zugrunde. Denn Betroffene Gewichten ihre Schwächen und Defizite zu stark und ihre Stärken sind ihnen nicht ausreichend bewusst. Zudem werten sie ihre Fähigkeiten für selbstverständlich und überschätzen die Fähigkeiten ihrer Mitmenschen, dadurch entsteht das Gefühl der Unterlegenheit. Des Weiteren entsteht das anhaltende Gefühl der Unzulänglichkeit, da Betroffene ständig einen zu hohen Anspruch an sich selbst haben. Dies ändert sich auch nicht, wenn Betroffene Erfolge erzielen. Daraus ergibt sich eine paradoxe Situation, da der ersehnte Erfolg nicht die erwartete Freude und den Stolz hervorruft, sondern tendenziell von Angst und Unbehagen begleitet wird (Lemper-Pychlau, 2015). 

Außerdem können Menschen, die an dem Impostor-Syndrom leiden, nur schlecht mit Fehlern ihrerseits umgehen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie diese nicht als Verbesserungsmöglichkeit betrachten, sondern lediglich als Abwertung ihrer persönlichen Fähigkeiten wahrnehmen. Daraus resultiert das stetig wachsende Gefühl der Hilflosigkeit, woraus auch die Selbstzweifel bezüglich ihrer Leistung wachsen (Akbaba et al., 2022).

Wer entdeckte das Phänomen?

Im Jahr 1978 entdeckten die Psychologinnen Pauline Rose Clance und Suzanne Imes vom Oberlin College in Ohio im Rahmen ihrer therapeutischen Arbeit das Impostor-Syndrom. Sie stellten fest, dass insbesondere erfolgreiche Frauen sich selbst nicht als intelligent bezeichneten und sich von anderen überschätzt fühlten. 

Bei einer Untersuchung wurden über 150 erfolgreiche Frauen aus verschiedenen Disziplinen befragt. Diese Frauen fielen in ihren Jobs durch hervorragende Ergebnisse in Leistungstests auf, waren überdurchschnittlich gut ausgebildet oder wurden häufig für ihre Arbeit ausgezeichnet. Dennoch wurden diese Frauen von dem Gefühl geplagt, ihren Erfolg nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten erlangt zu haben. Dadurch beschrieben sie sich selbst als kognitive Hochstapler und fürchteten, dass ihre in ihren Augen geringe Leistungsfähigkeit enttarnt werden könnte („Impostor-Syndrom“, 2022; Wächter, 2015). Clance und Imes erklärten sich die Ergebnisse mit frühkindlichen Dynamiken und der späteren Beeinflussung durch gesellschaftlichen und geschlechtsspezifischen Stereotypen. 

Welche Ursachen gibt es?

Es wird vermutet, dass die Ursachen für das Syndrom in der Kindheit der Betroffenen liegen. So könnte es sein, dass die Betroffenen „im Schatten eines Geschwisters aufwachsen“. D.h. wenn eine Schwester oder ein Bruder bereits die Rolle des intelligenten Familienmitglieds zugeschrieben wurde und sie eher als einfühlsam oder charmant charakterisiert wurden. In dieser Rolle gefangen, versuchen diese Frauen vergeblich zu beweisen, dass sie auch intelligent sind. Aus der Kindheitserfahrung hat sich die Motivation gebildet, die eigene Intelligenz fortwährend anhand hoher Leistungen und Perfektionismus zu beweisen. Gleichzeitig hat sich das Gefühl festgesetzt, dass die Familie doch recht hatte und sie deshalb sich als Hochstapler fühlen. Ein weiterer möglicher Grund könnte durch ein problematisches Leistungs-Liebe-Verhältnis entstehen. Dabei bekommen Betroffene in ihrem Elternhaus vermittelt, in jeglicher Hinsicht perfekt sein zu müssen und nur bei konstant guter Leistung Liebe zu erfahren. Diese Erwartungshaltung kollidiert mit den eigenen Grenzen, Schwächen und Selbstzweifeln. Daraus ergibt sich das Gefühl, den überhöhten Erwartungen nicht gerecht werden zu können.

Außerdem können diese Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster in der hochschulischen Sozialisation und durch professionsbedingte Einflussfaktoren reaktiviert werden oder erst dort entstehen (Klinkhammer, 2012). Laut Zorn (2005) kann das akademische Umfeld das Impostor-Syndrom „nähren“. Hierfür nennt er folgende Gründe: ein zu geringes Mentoring der Studenten, eine wissenschaftliche Isolation und eine Höherbewertung der Ergebnisse im Vergleich zum Prozess (Wächter, 2015). Aus den zuvor vorgestellten Ursachen können Betroffene eine überdimensionale Vorstellung von Kompetenz entwickeln, wodurch auch eine große Furcht vor negative Kritik entstehen kann. 

Wie lässt sich das Impostor-Syndrom charakterisieren?

Im Allgemeinen zeichnen sich Menschen mit dem Impostor-Syndrom durch folgende Merkmale aus: Sie gelten als beliebte Mitarbeiter, da sie einen hohen Anspruch an sich selbst besitzen, meist überdurchschnittlich qualifiziert sind und sehr gute Ergebnisse produzieren, ohne sich dabei in den Vordergrund drängen zu wollen. Allerdings können sich bei Betroffenen Prokrastination, Perfektionismus oder ein blinder Aktionismus entwickeln. Dies entsteht dadurch, dass sie sich fortwährend in Frage stellen und Situationen meiden oder überspielen, denen sie nicht gewachsen sind („Impostor-Syndrom“, 2022). 

In diesem Zusammenhang konnten im Rahmen des Impostor-Syndroms zwei Coping-Mechanismen beobachtet werden, die die Betroffenen im Laufe der Zeit entwickeln. Einige Betroffene werden durch das Syndrom fleißiger und sorgfältiger beim Bearbeiten von Aufgaben. Aufgrund dieses Phänomens überlassen sie nichts dem Zufall und bereiten deshalb alles akribisch vor. Dieser Coping-Mechanismus bietet eine Chance für Betroffene, da sie dadurch immer besser werden und zunehmend von ihrem Mangel-Gefühl profitieren können. Dies bestätigt auch Sonja Rohrmann , denn nach ihrer Erfahrung machen manche Betroffene sich das Syndrom als „Skill“ zunutze. Bei anderen Betroffenen führt das Impostor-Syndroms dazu, sie zunehmend zu lähmen. Dies mündet in eine stark ausgeprägte Prokrastination. Außerdem beschäftigen sich diese Betroffene zu sehr mit der Tatsache, dass sie versagen werden und machen sich häufig kleiner, als sie sind, um einer zwangsläufigen Enttäuschung aktiv zuvorzukommen. Dieser Coping-Mechanismus birgt eine große Gefahr (Schröder, 2022).

Wie kann das Impostor-Syndrom überwunden werden?

Um den gefährlichen Selbstzweifeln des Impostor-Syndroms entgegenwirken zu können, sollten vier Schritte beachtet werden:

  1. Austauschen
  2. Aufschreiben
  3. Akzeptanz
  4. Coaching

Zunächst ist es sinnvoll für Betroffene, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. So werden vielen Betroffenen klar, dass sie erstens nicht allein sind mit ihren Zweifeln und Ängsten und zweitens auch Menschen, die für höchst kompetent gehalten werden, auch an diesem Syndrom leiden können. Außerdem wird das eigene Problem innerhalb einer Gruppe kleiner und weniger andersartig. Außerdem ist es empfehlenswert, ein Erfolgstagebuch zu führen. Das kann dabei helfen, das eigene Selbstwert zu stärken und zudem das Impostor-Syndrom entlarven. Die Akzeptanz des Syndroms kann Betroffenen dabei helfen, ihre Schwächen in Stärken umzuwandeln. So können sich Schwächen zu potenten Motivatoren oder Karriere-Boostern entwickeln. Zudem ist es ratsam, einen Coach hinzuzuziehen. Dieser kann einem Betroffenen Klarheit darüber verschaffen, wie die eigenen (professionellen) Fähigkeiten einzuordnen sind (Schröder, 2022).


Literaturverzeichnis

Akbaba, Y., Buchner, T., Heinemann, A. M. B., Pokitsch, D., & Thoma, N. (Hrsg.). (2022). Lehren und Lernen in Differenzverhältnissen: Interdisziplinäre und Intersektionale Betrachtungen. Springer VS.

Impostor-Syndrom. (2022). In Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. Werner Stangl.

Klinkhammer, M. (2012). Das „Hochstaplersyndrom“ bei Promovierenden: Hintergründe, Auswirkungen und Gegenstrategien im Coaching. Zeitschrift für Beratung und Studium: Handlungsfelder, Praxisbeispiele und Lösungskonzepte2|2012.

Lemper-Pychlau, M. (2015). Erfolgsfaktor gesunder Stolz: Wie Sie Ihre Selbstzweifel loswerden und Ihr Leben genießen. Springer Gabler.

Schröder, T. (2022). Hochsensibilität-Jobchance oder Karrierkiller in der VUCA-Welt: Erfahrungen aus Coaching, Leistungssport und Job. Springer Gabler.

Wächter, F. (2015). Hochstapeln in der Denkerklause. Mythen und Gelehrte in „besonderen“ Organisationen. EHS Dresden.


Bildquelle

Photo by Annie Spratt on Unsplash, https://unsplash.com/photos/d_mzrEx6ytY, abgerufen am 08.12.2022

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