By Published On: 5. September 2022Categories: Psychologie, Wirtschaft

Mit der weltweiten Corona-Pandemie im Jahr 2020 und den einhergehenden Lockdowns schien, die uns bekannte Welt, am Ende zu sein. Mit der Weltwirtschaftskrise und den unvorhersehbaren Folgen eines sterbenden Weltfinanzsystems starten medial überdurchschnittlich alarmierend-verhandelte Weltereignisse (Betz, Bosancic, 2021, S.7-8). Des Weiteren bilden sich Schreckensszenarien wie z.B. die Energiekrise, der Klimawandel, Lebensmittelknappheit und/oder die Angst vor einem Weltkrieg heraus.

Diese Themen werden nicht nur medial verhandelt, sondern legitimieren u.a. auch das alltägliche Handeln. Prepper (abgeleitet vom Englischen „be prepared“) bilden die apokalyptische Szene schlechthin, wobei sich deren Mitglieder durch Wissensaneignung, Training und Bevorratung auf zahlreiche, mögliche Katastrophenszenarien vorbereiten. Vor diesem Hintergrund zeigt sich ein enormer Zuwachs in der Prepper-Szene (Betz, Bosancic, 2021, S.9-10). Fühlt sich der Mensch bedroht und hat Angst, handelt er weder besonnen noch objektiv (Fuchs, 2017, S.31).

Der Faktor Angst

Angst ist eine primäre Emotion, d.h. es ist ein angeborenes Reaktionsmuster, was auf der motorischen, physiologischen und subjektiv-psychologischen Ebene abläuft. Es dient der Auslösung eines adäquaten Bewältigungsverhaltens, z.B. Vermeidung oder Flucht (Bassler, 2003, S.1, 3). Angst wird als Lebensgefühl beschrieben, welches mit Erregung, Beengung und Verzweiflung verbunden ist. Sie wird dadurch gekennzeichnet, dass die willens- und verstandesmäßige Persönlichkeitssteuerung aufgehoben wird (Häcker, Stapf, 2004, S.44).

Nach Villwock (2022, S.155) wird Angst durch drei Psychodynamiken aufgrund der Interaktion zwischen Objekt und Beobachter initiiert:

  • Übertragung: Das beobachtete Phänomen löst Angst aus. Die Beobachtung wird auf den Beobachter übertragen.
  • Gegenübertragung: Die Ängste des Beobachters werden in das beobachtete Phänomen hineininterpretiert.
  • Angstabwehr: Nach Devereux stellen pseudo-objektivierende Methoden eine angstreduzierende Distanz zum erforschendenden Gegenstand dar.

Die diffuse Angst bezieht sich nicht auf eine akute Gefahr, sondern vielmehr auf unklare Zukunftsereignisse oder allgemeine Sorgen und zeigt sich in Zukunftsandrohungen- und –-andeutungen, wobei der Rest der Phantasie überlassen wird (Burghardt, 2015, S.75). Die Angst dient der Entwicklung neuer Sicherheit, Vertrauens und Haltungen, sie kann uns aber auch lähmen und zur Hilflosigkeit führen. Vor allem bei der diffusen Angst, kann sich zur handfesten Furcht, z.B. vor dem Fremden oder Fremden entwickeln. Verfallen wir dieser Angst nicht zu sehr, können sich daraus schöpferische Prozesse entwickeln. Mit der Gefahrenkontrolle sollen die Risiken im Leben ausgeschaltet werden, was aber auch den Verlust der Lebensqualität bedeutet. Ein konstruktiver Angstumgang zeichnet sich durch das vorübergehende Aushalten der Hilflosigkeit, der Wahrnehmung und des guten Umgangs mit dem Ärger sowie dem Fokussieren neuer Möglichkeiten aus (Kast, 2018, S.95-96, S.98-99). Sobald die Bedrohungssituation als Herausforderung neu interpretiert wird, kommen Bewältigungs- bzw. Coping-Strategien zum Einsatz, die der Stresslinderung dienen. Je positiver die Bewältigungsmöglichkeiten eingeschätzt werden, desto geringer wird die Situation als bedrohlich wahrgenommen und umso geringer ist das Stressempfinden. Hierbei werden Herausforderungen durch unsere Einstellung, Denkweise und mithilfe konkreter Handlung überwindbar (Krafft, 2022, S.71-72).

Angstreduktion durch Prepping?

Es gibt einerseits Menschen, bei denen das Preppen, das Leben beherrscht sowie alle Entscheidungen bestimmt und andererseits Leute die lediglich Vorsorge für zwei Wochen betreiben. Es besteht die Gefahr einer expansiven Dynamik: Mithilfe des Preppens soll Sicherheit geschaffen werden, aber je mehr man sich mit den Vorbereitungen auseinandersetzt, desto mehr potenzielle Gefahren werden sichtbar, die erneut Unsicherheit schaffen. Die Gründe, warum man mit dem Preppen beginnt sind individuell: einschneidende Erlebnisse, Erfahrungen der Eltern und Großeltern, Mangelerfahrungen oder Situationen wie der Ukrainekonflikt oder die Weltwirtschaftskrise, wobei Letzteres zeigt, wie fragil die Gesellschaft ist. Vor diesem Hintergrund will der Prepper unabhängig von der arbeitsteiligen Gesellschaft sein und zum Experten werden (Luy, 2021, S.15). Nach eigenen Aussagen eines Preppers, ist Angst „ein kraftvoller Motivator. Und wenn man sich mit der Materie beschäftigt, geht die Angst auch weg.“. Vor allem in der Corona-Krise haben sich die Katastrophen-Szenarien auf den Normalbürger übertragen, was sich z.B. durch die Hamsterkäufe zeigte. Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe schlägt vor, dass sich jeder Bürger einen 10tägigen Lebensmittel- und Trinkwasservorrat anlegen soll. Dennoch besteht die Gefahr, von der individuellen Vorsorge in faschistische und nihilistische Ideologien überzugehen (Keller, 2021, S.25, S.30-32, S.34-35). Dahingegen spricht eine Umfrage von 2018 innerhalb der Gesamtbevölkerung dafür, dass emotional stabilere, gewissenhaftere und offenere Menschen, größere Vorräte anlegen. Weitere Studien bestätigen, dass Personen, die für die Krise sensibilisiert sind, in die entsprechende Vorsorge investieren. Dennoch ist es schwierig zu entscheiden, was eine ernsthaft, existenzielle Bedrohung, bei einer nicht unmittelbaren Gefahr darstellt. Wir urteilen via Heuristiken, d.h. automatische Denkprozesse mit denen wir Entscheidungen mit begrenzen Wissen und wenig Zeit treffen, welche aber zu Urteilsverzerrungen führen. Dabei ist die Tendenz groß, uns von akutem und hervorstechenden beeinflussen zu lassen, was bedeutet dass der Mensch eher krisen- als vernunftinduziert ist (Clavadetscher, 2020, S.74).

Fazit

Prepping ist so individuell wie der Prepper selbst, was eine Stigmatisierung ausschließt, denn es gibt nicht den/die Prepper/in. Jeder Mensch hat unterschiedliche Beweggründe, die einerseits aus der Vergangenheit gründen und in den jetzigen unsicheren Zeiten, befeuert durch verschiedene Krisen gefestigt werden. An der Krisenvorsorge an sich, ist nichts auszusetzen, vor allem wenn dadurch Stress abgebaut und Ruhe und Gelassenheit gefördert werden. Wird man allerdings von der Angst beherrscht, wobei Prepping zum Lebensmittelpunkt wird, erfolgt keine Entlastung sondern Belastung: die Angst wird immer weiter befeuert, was im schlimmsten Fall zu einer Angststörung oder zur Radikalisierung des Individuums führen kann. Hier ist das richtige Maß entscheidend.


Literatur

Bassler, M. (2003). Angst und Angststörungen. In: Adler, Hermann, Köhle, Schonecke, Von Uexkuell, Wesiack (Hrsg.). Psychosomatische Medizin. 6. Auflage. München: Verlag Urban & Fischer.

Betz, G. J., Bosancic, S. (2021). Einleitung. In: Betz, Bosancic (Hrsg.) Apokalyptische Zeiten. Endzeit- und Katastrophenwissen gesellschaftlicher Zukünfte. Weinheim, Basel: Beltz Verlag.

Burghardt, B. (2015). Gelassenheit gewinnen – 30 Bilder für ein starkes Selbst. Wie Sie ihren inneren Reichtum neu entdecken. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler.

Clavadetscher, L. (2020). Im Bunker brennt noch Licht. In: Schweizer Monat 1072, Dezember 2019/ Januar 2020, 71-74.

Fuchs, M. (2017). Ist es ethisch geboten vorzusorgen? Preppen, das Gesellschaftsmodell der Zukunft?. Masterarbeit. Graz: Karl-Franzens-Universität.

Häcker H.O., Stapf, K. H. (Hrsg.)(2004). Dorsch – Psychologisches Wörterbuch. 14. Auflage. Bern: Verlag Hans Huber.

Kast, V. (2018). Angst – Ressentiment – Hoffnung. Emotionspsychologische/ psychotherapeutische Perspektiven. In: Der Psychotherapeut 63: 95-104. Heidelberg, St. Gallen, München: Springer Medizin Verlag GmbH.

Keller, G. (2021). Prepper. Bereit für den Untergang.1. Auflage. Berlin: Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH.

Krafft, A. (2022). Unsere Hoffnungen, unsere Zukunft. Erkenntnisse aus dem Hoffnungsbarometer. Berlin: Springer Verlag.

Luy, M. (2021). Vorbereitet auf den Zusammenbruch der Gesellschaft. In: RUBIN 1/21, 13-15.

Villwock, B. (2022). Der „subjektive Faktor“ – Angst, Angstabwehr und Hoffnung in den Berichten an den Club of Rome. In: Schäfer, Steinmüller, Zweck (Hrsg.) Gefühlte Zukunft. Emotionen als methodische Herausforderung für die Zukunftsforschung.

Beitragsbild

Mikolajczyk, T. (2016). Abgerufen am 05.08.2022 unter https://pixabay.com/de/photos/gas-eine-gasmaske-maske-filter-1639242/.

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