„Was du heute kannst besorgen, dass verschiebe nicht auf morgen“, leichter gesagt als getan oder? Für viele Menschen ist das Aufschieben unangenehmer Aufgaben längst zu einer tief verwurzelten Gewohnheit geworden. Dieses Phänomen wird in der Psychologie als Prokrastination bezeichnet. Aber was genau bedeutet das, und welche Auswirkungen hat dieses Verhalten auf unsere Gesundheit? Diese Fragestellungen werden im Folgenden näher erläutert.
Grundlagen
Prokrastination bedeutet nicht „weises Unterlassen“, sondern vielmehr das unnötige Aufschieben wichtiger geplanter Aufgaben, ohne die negativen Konsequenzen zu beachten. Menschen, die prokrastinieren, entscheiden sich oft für weniger wichtige Aktivitäten und ziehen diese den wesentlichen und zentralen Aufgaben vor. Dadurch entsteht ein Teufelskreis: Der Druck einer unangenehmen Aufgabe wird durch Ablenkung mit kurzfristigen Belohnungen gemildert, wodurch das Gehirn dieses Verhalten verinnerlicht. Dieses anfangs harmlos wirkende Verhaltensmuster verfestigt sich und wird zur schlechten Gewohnheit.[1] Etwa 20 % der Menschen prokrastinieren regelmäßig, bei Studierenden kann dieser Prozentsatz sogar auf bis zu 50 % ansteigen.[2] Den schwerwiegenden Auswirkungen von Prokrastination sind sich allerdings nur die wenigsten Menschen bewusst.
Auswirkungen
Ein Modell, welches sich mit den Auswirkungen von Prokrastination auf die Gesundheit beschäftigt, ist das Prokrastination-Gesundheitsmodell von Fuschia M. Sirois. Die britische Psychologin differenziert hierbei zwischen drei verschiedenen Prozessen: Zum einen die direkte Auswirkung von Prokrastination auf die Gesundheit, zum anderen zwei indirekte Prozesse, wie folgende Grafik zeigt.

Abbildung 1: Das Prokrastination-Gesundheitsmodell von Sirois (Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Gusy et al. 2022, S.229)
Die direkte Wirkung von Prokrastination auf die Gesundheit lässt sich dadurch erklären, dass das durch das ständige Aufschieben verringerte Zeitfenster zum Erledigen bevorstehender Arbeiten, zu einer schlechteren Qualität der Arbeiten führt. Daraus können schlechte Bewertungen und Misserfolge resultieren, was wiederum das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen kann. Der erste indirekte Prozess entsteht durch den erhöhten Stress, der durch Prokrastination ausgelöst wird. Sirois vermutet, dass sich prokrastinierende Personen ständig unterbewusst im Klaren darüber sind, dass ihnen noch viele unerledigte Aufgaben bevorstehen. Dieses ständige Bewusstsein aktiviert physiologische Systeme wie beispielsweise das autonome Nervensystem, welches eine entscheidende Rolle in der Entwicklung von Krankheiten spielt. Dieser Prozess wurde bereits mehrfach wissenschaftlich bestätigt. Der zweite indirekte Prozess verläuft über ungesunde Verhaltensweisen, die zu körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen bis hin zu chronischen Krankheiten führen können. Die Psychologin nimmt an, dass prokrastinierende Menschen weniger dazu neigen, gesundheitsfördernde Maßnahmen zu ergreifen, da sie über eine geringere Selbstwirksamkeit in Bezug auf ihre Gesundheit verfügen. Prokrastination reduziert also gesundheitsförderliches Verhalten und führt so indirekt zu Befindensbeeinträchtigungen und einem erhöhten Krankheitsrisiko. Sirois nennt als Beispiel eine ungesunde Ernährung, die Übergewicht und ein erhöhtes Diabetesrisiko verursachen kann. Auch Schlafstörungen und eine verminderte kardiovaskuläre Gesundheit werden als mögliche Folgen angeführt. Allerdings sind die Forschungsergebnisse über die Auswirkungen von Prokrastination auf die Gesundheit, vermittelt durch ungesunde Verhaltensweisen, uneindeutig.[3]Der zweite indirekte Prozess im Prokrastination-Gesundheitsmodell von Sirois erscheint mir in seiner Argumentation zu verkürzt. Zwar ist es plausibel, dass Prokrastination mit einer geringeren Selbstwirksamkeit einhergehen kann, allerdings reduziert diese Sichtweise die Problematik auf eine rein individuelle Verantwortung und ignoriert damit größere gesellschaftliche und strukturelle Einflussfaktoren. Die Annahme, dass prokrastinierende Personen per se weniger gesundheitsbewusst handeln, ist zudem eine Generalisierung, die individuellen Unterschieden nicht gerecht wird. Des Weiteren bleibt unklar, ob Prokrastination tatsächlich kausal für ungesunde Verhaltensweisen verantwortlich ist oder ob es sich dabei lediglich um eine Korrelation handelt. Eine differenziertere Perspektive, die neben individuellen Verhaltensweisen auch externe Lebensumstände einbezieht, wäre daher notwendig, um ein vollständiges Bild der Problematik zu erhalten.
Handlungsempfehlungen
Die gute Nachricht ist: Der Teufelskreis der Prokrastination kann durchaus durchbrochen werden. Eine erste effektive Maßnahme zur Überwindung von Prokrastination ist, jegliche Form der Ablenkung abzustellen. Ob soziale Medien, Fernsehen oder das klingelnde Handy – Ablenkungen gibt es überall. Daher ist es entscheidend, bewusst Grenzen gegenüber unterbrechenden Personen, Anrufen oder anderen fremden Interessen zu setzen. Prokrastination tritt außerdem vermehrt auf, wenn die angestrebten Ergebnisse bzw. Erfolge noch in weiter Ferne liegen. Um dem entgegenzuwirken, ist es sinnvoll, zukünftige Erfolge zu visualisieren. Eine konkrete Vision des Erfolgs steigert die intrinsische Motivation und kann somit als Anstoß dienen, sich an die Arbeit zu machen.[4] Weiters steigert auch das Setzen von Zwischenzielen und das Erreichen von Zwischenerfolgen die Motivation. Ein weiterer wichtiger Schritt im Überwinden von Prokrastination ist zudem das Setzen klarer Prioritäten. Wer sich nicht im Klaren darüber ist, welche Aufgabe am wichtigsten ist bzw. welche als erstes bearbeitet werden sollte, neigt dazu, alle Aufgaben hinauszuzögern. Konkrete Ziele und Prioritäten sind daher essenziell, um Prokrastination zu vermeiden.[5]
Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass Prokrastination ein vielschichtiges Phänomen ist, welches viele Menschen, vor allem Studierende, betrifft. Allerdings wird es oft verharmlost und die meisten Betroffenen sind sich den schwerwiegenden Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit nicht bewusst. Es mag anfangs schwer sein, alte Gewohnheiten abzulegen. Doch der erste Schritt ist der wichtigste: Erkennen, dass Prokrastination nicht einfach „Faulheit“ ist, sondern ein verfestigtes Verhaltensmuster, welches wir aktiv verändern können. Wer sich diesem Prozess stellt, investiert nicht nur in die Erledigung von Aufgaben, sondern vor allem in die eigene Lebensqualität und Gesundheit.
Fußnoten
[1] Vgl. Becker (2024), S. 172-173.
[2] Vgl. Becker (2024), S.168.
[3] Vgl. Gusy et al. (2023), S. 228.
[4] Vgl. Becker (2024), S. 173-174.
[5] Vgl. Häfner/ Hofmann (2022), S. 43-45.
Literaturverzeichnis
Becker, F. (2024). Positive Psychologie – Wege zu Erfolg, Resilienz und Glück, Berlin, Heidelberg.
Gusy, B. et al. (2022), Get it done – schadet Aufschieben der Gesundheit?, Prävention und Gesundheitsförderung, 18. Jg, Nr. 4, S. 228–233.
Häfner, A./ Hofmann, S. (2022), Zeitmanagement für Führungskräfte – Wie arbeite ich als Führungskraft effektiv und effizient?, Berlin, Heidelberg.
Titelbildquelle
Titelbild von Mohamed Hassan veröffentlicht am 26.07.2024 über https://pixabay.com/vectors/procrastination-time-watch-hours-8917804/, abgerufen am 26.03.2025.
Nutzungsbedingungen unter https://pixabay.com/service/license-summary/, abgerufen am 26.03.2025.