By Published On: 15. August 2024Categories: Gesundheit, Psychologie

In unserer hektischen Welt sehnen wir uns oft nach echter Lebendigkeit und tiefer Verbundenheit mit uns selbst und anderen. Wenn diese Fähigkeit eingeschränkt ist, leidet unser Wohlbefinden – oft ohne, dass wir die wahren Ursachen erkennen. Innere Barrieren, die uns daran hindern, entstehen häufig durch zutiefst traumatische Erfahrungen in der Kindheit. Das Neuroaffektive Beziehungsmodell (NARM) hilft, diese Hindernisse zu identifizieren und unterstützt uns dabei, mit unserem inneren Kind in Kontakt zu treten und gesunde Ausdrucksformen von Lebendigkeit zu finden. Entdecke, wie dieses Modell dir helfen kann, deine Verbindung zu stärken und deine Lebensfreude neu zu entfachen (Heller & LaPierre, 2012a).

Was genau ist die NARM- Methode ?

Das Neuroaffektive Beziehungsmodell (NARM), entwickelt von Laurence Heller, ist ein innovativer psychotherapeutischer Ansatz, der auf den neuesten Erkenntnissen der Neurowissenschaften und Psychologie basiert. Durch die Kombination aus somatischer Achtsamkeit und psychodynamischer Analyse bietet es eine umfassende Methode zur Bearbeitung von Entwicklungs- und Beziehungstraumata. Im Kern betrachtet NARM, wie unser Körper und unser Nervensystem unsere Emotionen und Beziehungen beeinflussen. Anders als traditionell vergangenheitsbezogene psychodynamische Ansätze, fokussiert sich NARM dabei auf das aktuelle Erleben und die Art und Weise, wie alte Bewältigungsmechanismen gegenwärtige Erfahrungen beeinflussen. Ziel ist dabei, die Fähigkeit zu emotionaler Regulation und zwischenmenschlicher Verbindung zu stärken, indem es Dysregulationen (z.B. des Nervensystems, Identitätsverzerrungen etc.), die durch Entwicklungs- und Schocktraumata entstanden sind, adressiert, da diese grundlegende Körperfunktionen wie Schlaf, Verdauung, Herzfrequenz und Blutdruck stören können (Alexander 2023; Doerne & Heller, 2020; Heller & LaPierre, 2012b, S.1-6; Heller & LaPierre, 2020).

Die 5 zentralen Kernbedürfnisse

NARM identifiziert fünf biologisch basierte Kernbedürfnisse, die entscheidend für körperliches und emotionales Wohlbefinden sind. Diese Bedürfnisse sind eng mit den Schlüsselkompetenzen verknüpft, die für ein stabiles Selbstwertgefühl, intakte Beziehungsfähigkeit sowie die Regulierung von Emotionen und biologischen Prozessen erforderlich sind (Heller, L. o.D.; Heller & LaPierre, 2012b, S.2):

  • Verbindung Als Teil der Welt sind wir in Kontakt mit unserem Körper und unseren Gefühlen und können stabile Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen.
  • Einstimmung Wir wissen, was wir benötigen und sind in der Lage, diese Bedürfnisse zu erfüllen.
  • Vertrauen Wir vertrauen uns und anderen und können gesunde Abhängigkeiten zulassen.
  • Autonomie Wir können klare Grenzen setzen, ohne uns schuldig oder ängstlich zu fühlen.
  • Liebe/Sexualität Unser Herz ist offen für liebevolle Beziehungen und wir sind fähig, diese mit einer erfüllenden Sexualität zu vereinen.

Die Erfüllung unserer grundlegenden Bedürfnisse in der frühen Kindheit ist entscheidend für die Entwicklung von Fähigkeiten, die uns im Erwachsenenalter helfen, diese Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen. Wenn diese zentralen Bedürfnisse vollständig befriedigt werden, erleben wir uns als authentisch und sind in der Lage, stabile und gesunde Beziehungen aufzubauen. Diese Erfahrung vermittelt uns ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen, sowohl gegenüber uns selbst als auch in Bezug auf unsere Umwelt. Sie unterstützt unsere persönliche Weiterentwicklung und sorgt für eine tiefere, emotionale und soziale Verbundenheit, während wir gleichzeitig flexibel und gut reguliert bleiben (Heller, o.D.; Heller & LaPierre, 2012a).

Die 5 adaptiven Überlebensstrategien

Unzureichend erfüllte Grundbedürfnisse führen zu psychischen und physischen Symptomen. Dieser Mangel veranlasst die Entwicklung fünf entsprechender adaptiver Überlebensstrategien, die als Bewältigungsmechanismus dazu dienen, in der frühen Entwicklung mit den Herausforderungen (z.B. Dysregulation, Isolation) umzugehen (Heller, o.D.; Heller & LaPierre, 2012a):

  • Kontakt- Überlebensstrategie
  • Einstimmungs- Überlebensstrategie
  • Vertrauens-Überlebensstrategie
  • Autonomie-Überlebensstrategie
  • Liebe/Sexualitäts- Überlebensstrategie

Wenn im Erwachsenenalter die adaptiven Überlebensstrategien dominieren, führt dies zu einer zunehmenden Entfremdung vom eigenen Körper, einer verzerrten Selbstwahrnehmung und einer eingeschränkten Fähigkeit zur Selbstregulation. Die Identifikation mit diesen Überlebensmustern, die ursprünglich durch externe Einflüsse geformt und später verinnerlicht wurden, blockiert bzw. schränkt unsere Erfahrung von innerer Lebendigkeit ein. Oft empfinden wir Angst davor, diese einengenden Muster abzulegen, obwohl sie uns in gewisser Weise behindern. Die Analyse und das Verständnis dieser Überlebensstrategien offenbart jedoch grundlegende Prinzipien, die als zentrale Ansatzpunkte für Therapie und persönliches Wachstum dienen können. NARM nutzt diese Prinzipien, um gezielt an den Kernfähigkeiten zu arbeiten und den Entwicklungsprozess zu unterstützen (Heller & LaPierre, 2012a; Heller & LaPierre, 2012b, S.4; Pflaum, 2019, S. 191).

Scham- und stolzbasierte Identifikationen

Jede adaptive Überlebensstruktur beruht auf tief verwurzelten Schamidentifikationen, die sich entwickeln, um Mängel im frühen Umfeld zu erklären. In der Regel entwickeln Menschen als Reaktion darauf auch stolzbasierte Identifikationen, die ein Idealbild des Selbst darstellen oder reflektieren, wie sie von anderen wahrgenommen werden möchten. Diese werden oft als Abwehrmechanismus, Verleugnung oder Widerstand betrachtet und sind ein Versuch, Scham in vermeintliche Tugend umzuwandeln, um sich vor den schmerzhaften, schambasierten Identifikationen, zu schützen. Ironischerweise verstärken sie diese jedoch häufig (Heller & LaPierre, 2012b, S.14-15).

Nach der NARM-Theorie sind beide Identifikationen letztlich Illusionen, auch wenn sie sich sehr real anfühlen. Es ist wichtig, nicht nur die stolzbasierten Abwehrmechanismen zu behandeln, sondern auch die zugrundeliegenden Schamidentifikationen zu erkennen, andernfalls kann der therapeutische Prozess belastend und weniger effektiv sein (Heller & LaPierre, 2020, S.27).

Therapieansatz

Ein wesentliches Merkmal von NARM ist die Integration und Förderung von Achtsamkeit. Durch bewusstes, nicht wertendes Wahrnehmen der eigenen Gefühle, Bedürfnisse und körperlichen Empfindungen, können Klienten ein tieferes Verständnis für ihre inneren Blockaden entwickeln und damit alte, unbewusste Muster erkennen und verändern sowie hinderliche Selbstzweifel und destruktive Verhaltensweisen überwinden. Der Ansatz geht davon aus, dass Menschen nicht aufgrund von Unfähigkeit oder Schuld leiden, sondern weil sie Strategien entwickelt haben, um in schwierigen Situationen zu überleben (Doerne & Heller, 2020). Durch das gezielte Arbeiten mit dem gegenwärtigen Moment und den bestehenden Ressourcen ermöglicht NARM eine effektive Heilung von Entwicklungs- und Beziehungstraumata und trägt dazu bei, ein erfülltes und lebenswertes Leben zu führen. (Alexander, 2023; Danke, 2021).

Fazit

Zusammenfassend zeigt sich, dass Trauma oft dazu führt, dass wir uns von unserem Körper entfernen – sei es durch übermäßiges Grübeln oder durch das Betäuben körperlicher Empfindungen. Erkennst du dich in diesen Überlebensmustern wieder? Dann erfahre im zweiten Teil mehr darüber. Der Weg zu Heilung beginnt mit dem Bewusstsein und dem Mut, sich selbst ehrlich zu begegnen. NARM bietet dabei wertvolle Werkzeuge und den unterstützenden Rahmen, um diesen Weg zu gehen und eine authentischere Verbindung zu einem selbst und zu anderen zu finden. Beginne noch heute, deine eigene Reise zu einem erfüllteren Leben – erkenne deine Bedürfnisse, nimm deine Gefühle ernst und entdecke neue Wege der Selbstverbindung (Heller & LaPierre, 2012b, S.13).

Abbildung:

Titelbild: eigene Grafik, erstellt mit Microsoft Copilot

Tabelle: eigene Darstellung in Anlehnung an: Heller & LaPierre, 2020, S.28

Quellen:

Alexander (2023). NARM. Traumawissen. Zugriff am 28.07.2024. Verfügbar unter https://traumawissen.de/narm/

Danke, I. (2021). Der verlassene Zwilling: Das Trauma des vorgeburtlichen Geschwisterverlustes, Wege zur emotionalen und spirituellen Heilung. München: Kailash Verlag.

Doerne, A. & Heller, L. (2020). Befreiung von Scham und Schuld- alte Überlebensstrategien auflösen und Lebenskraft gewinnen. München: Kösel-Verlag.

Heller, L. & LaPierre, A. (2012a). Entwicklungstrauma heilen: Alte Überlebensstrategien lösen, Selbstregulierung und Beziehungsfähigkeit stärken (1. Aufl.). München: Kösel-Verlag.

Heller, L. & LaPierre, A. (2012b). Healing Developmental Trauma: How early Trauma affects Self-Regulation, Self-Image, and the Capacity for Relationship. Berkeley, California: North Atlantic Books.

Heller, L. & LaPierre, A. (2020). Entwicklungstrauma heilen: Alte Überlebensstrategien lösen, Selbstregulierung und Beziehungsfähigkeit stärken (7.Aufl.). München: Kösel-Verlag.

Heller, L. (o.D.). Einführung in das NeuroAffective Relational Model (NARM). NARM: Heilung von Entwicklungstraumata. Zugriff am 27.07.2024. Verfügbar unter https://drlaurenceheller.com/narm-introduction/

Pflaum, M. (2019). Körper und Geist. Norderstedt: BoD.

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