Traumatische Erlebnisse hinterlassen oft tiefe Spuren – nicht nur in der Seele, sondern auch im Körper. Besonders Frauen, die Gewalt erfahren haben, berichten häufig von langfristigen Folgen: Sie fühlen sich entfremdet vom eigenen Körper, erleben emotionale Taubheit und kämpfen mit der Fähigkeit, sich selbst zu regulieren.
Gewalt gegen Frauen ist leider keine Seltenheit: Laut des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hat in Deutschland bereits jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erlebt. (Statista, 2025)
Yoga, eine jahrtausendealte Praxis, kann hier einen körperzentrierten Zugang zur Heilung bieten. In der Traumatherapie gewinnt Yoga zunehmend an Bedeutung, da es nicht nur körperliche Verspannungen lösen, sondern auch neurobiologische Prozesse beeinflussen kann, die für die Verarbeitung von Trauma entscheidend sind.
Gewalt gegen Frauen – leider eine gesellschaftliche Realität
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im Jahr 2024 vermittelten die Berater des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen in Deutschland rund 19.000 Personen an Beratungsstellen für Frauen und Mädchen weiter. (Statista, 2025)
Anzahl der Weitervermittlungen des Hilfetelefons “Gewalt gegen Frauen“ in Deutschland im Jahr 2024 :

Abbildung: Anzahl der Weitervermittlungen in Deutschland im Jahr 2024 / Quelle: www.statista.com
Was passiert bei Traumata im Gehirn?
Traumatischen Erlebnisse können zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen, welche mit messbaren, chemischen Veränderungen in den Gehirnarealen einhergehen kann. Betroffene leiden in solchen Fällen unter einer gestörten Selbstwahrnehmung oder einer emotionalen Taubheit mit möglichen Symptomen wie Flashbacks, Vermeidungsverhalten, Übererregung und emotionaler Dysregulation.
Neurowissenschaftlich betrachtet sind dabei bestimmte Gehirnareale wie die Amygdala (Angstzentrum), der Hippocampus (Gedächtnis) und der präfrontale Cortex (Regulation) verändert. (van der Kolk, 1994)
Diese Veränderungen beeinflussen, wie wir fühlen, denken und unseren Körper wahrnehmen.
Yoga – mehr als nur Bewegung
Yoga ist eine jahrtausendealte Praxis, die Körper, Geist und Atmung miteinander verbindet. In der Traumatherapie kann Yoga ansetzen, um gekappte Verbindungen im Gehirn wieder aufzubauen, damit die Betroffenen wieder Zugang zu ihren Gefühlen und ihrem Körper bekommen. Diese fehlende Achtsamkeit für den eigenen Körper mit seinen Wahrnehmungen ist oft bei Trauma-Überlebenden zu bemerken. (van der Kolk et al., 2014)
Yoga ist dabei mehr als körperliche Bewegung und umfasst:
- Asanas (Köperhaltungen): fördern Kraft, Flexibilität und Körperbewusstsein,
- Pranayama (Atemübungen): regulieren das Nervensystem und fördern Ruhe,
- Meditation: stärkt die Selbstwahrnehmung und emotionale Klarheit,
- Achtsamkeit: hilft, im gegenwärtigen Moment zu sein und innere Zustände wahr- und anzunehmen.
Achtsamkeit und somatische Wahrnehmung
Ein zentrales Ziel der Traumatherapie ist die Wiederherstellung der Achtsamkeit. Viele Trauma-Überlebenden verlieren die Fähigkeit, ihren Körper bewusst wahrzunehmen. Yoga fördert diese somatische Achtsamkeit, auch Mindfulness and Somatic Awareness genannt, also die Fähigkeit, körperliche Empfindungen zu spüren und mit Emotionen zu verknüpfen.
Besonders der Vagusnerv, ein zentraler Bestandteil des autonomen Nervensystems, spielt hier eine wichtige Rolle. Durch achtsame Bewegung und tiefe Atmung kann Yoga diesen Nerv stimulieren und so zur Regulation von Stress und Angst beitragen.

Neurobiologische Mechanismen von Yoga
Die Wirkung von Yoga auf das Gehirn ist dabei wissenschaftlich belegbar. Bei traumatischen Erlebnissen können Veränderungen der Neurotransmitter hervorgerufen werden, d.h. einer Reduktion der GABA-Werte (Gamma-Aminobuttersäure), welche Einfluss auf die Regulierung von Angst und Stress haben.
Yoga für Frauen mit PTBS
Beide Gruppen zeigten zu Beginn der Studie eine Abnahme der PTBS-Symptome, aber nur die Yoga-Gruppe zeigte eine Verbesserung nach Beendigung der Behandlung. Die Yoga-Gruppe zeigte auch eine klinisch signifikante Verringerung der PTBS-Symptome.
Die Teilnehmerinnen berichteten, dass sie durch Yoga lernten, körperliche Anzeichen von Angst zu erkennen und zu tolerieren.
Die Konfrontation mit Angstreaktionen ist ein wichtiger Bestandteil bei der Heilung von Traumata. Das Üben von Achtsamkeit durch Yoga ermöglichte den Teilnehmerinnen, ihre Angst wahrzunehmen und sich dieser kontrolliert auszusetzen. (van der Kolk et al., 2014)
Fazit
Yoga kann Frauen, die Gewalt erlebt haben, helfen, sich wieder selbst wahrzunehmen – mit Mitgefühl, Geduld und Achtsamkeit. In diesen Fällen kann Yoga ein wertvoller Bestandteil der Therapie sein – als Ergänzung zu Gesprächen, Medikamenten oder anderen therapeutischen Ansätzen (Psychotherapie, EMDR…).
Denn Yoga befasst sich sowohl mit den psychologischen als auch mit den physiologischen Aspekten von Traumata.
Besonders für jene Betroffene, die auf klassische Therapieformen nicht ansprechen oder einen körperzentrierten Zugang zur Heilung suchen, kann Yoga neue Türen öffnen.
Obwohl o.g. Studien positive Effekte von Yoga auf die psychische Gesundheit nach traumatischen Erlebnissen zeigen, wurden diese durch kleine Stichproben und teils unzuverlässige Messinstrumente eingeschränkt. Ich bin überzeugt, dass weitere Forschungen mit standardisierten Interventionsmethoden entscheidend dazu beitragen könnten, den Einfluss von Yoga auf neurobiologischen Mechanismen im Gehirn und seinen Einfluss auf den Körper zu verstehen. Damit jahrtausendealte Heilkunst auf modernen, wissenschaftlichen Stand gebracht werden kann.
Wichtiger Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine ärztliche oder therapeutische Beratung. Bei psychischen Beschwerden oder traumatischen Erfahrungen wenden Sie sich bitte an medizinisches Fachpersonal.
Zusätzliche Information:
Das Hilfetelefon – Beratung und Hilfe für Frauen – ist ein bundesweites, anonymes und kostenfreies Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder aktuell erleben. Es ist rund um die Uhr erreichbar – 365 Tage im Jahr. (Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, 2025)
📞 Telefonnummer: 116 016 🌐 Online-Beratung & weitere Infos: www.hilfetelefon.de
Literaturverzeichnis
Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. (2025). Das Hilfetelefon. www.hilfetelefon.de
Statista. (Mai 2025). Anzahl der Weitervermittlungen des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ in Deutschland im Jahr 2024. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1315536/umfrage/gewalt-gegen-frauen-vermittlungsorte-des-hilfetelefons/
Telles, S., Singh, N. & Balkrishna, A. (2012). Managing Mental Health Disorders Resulting from Trauma through Yoga: A Review. Depression research and treatment, 2012(1), 401513. https://doi.org/10.1155/2012/401513
van der Kolk, B. (1994). The body keeps the score: memory and the evolving psychobiology of posttraumatic stress. https://www.researchgate.net/publication/13844895_The_Body_Keeps_the_Score_Memory_and_the_Evolving_Psychobiology_of_Posttraumatic_Stress
van der Kolk, B., Stone, L., West, J., Rhodes, A., Emerson, D., Suvak, M. & Spinazzola, J. (2014). Yoga as an adjunctive treatment for posttraumatic stress disorder: a randomized controlled trial. https://www.besselvanderkolk.com/uploads/docs/Yoga-F-J-Clin-Psychiat-1.pdf
Bildquelle
Titelbild von von YogiVinh. Titel: Yoga, Meditation, Park image. Veröffentlicht am 14. August 2022. Abgerufen am 12.08.2025. Auf pixabay unter: https://pixabay.com/photos/yoga-meditation-park-people-7383494/ Lizenzzusammenfassung: https://pixabay.com/de/service/license-summary/.
Textbild von Pexels. Titel: Beach, Yoga, Sunset image. Veröffentlicht am 18. November 2016. Abgerufen am 11.08.2025. Auf pixabay unter: https://pixabay.com/photos/beach-yoga-sunset-silhouette-1835213/ Lizenzzusammenfassung: https://pixabay.com/de/service/license-summary/.