Die Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufgrund von Lernstörungen wie Legasthenie, Dyskalkulie oder AD(H)S ist auch in Luxemburg deutlich angestiegen, wie aus dem Bericht des luxemburgischen Ministeriums für Bildung hervorgeht. (Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse, 2024) Dieser Anstieg lässt sich nicht allein durch verbesserte diagnostische Verfahren erklären, sondernsicherlich auch an einem gestiegenen Bewusstsein für diese Problematiken.
Schüler mit vorhandenen Problemen im Schreiben, Lesen oder Rechnen stehen oft vor der Herausforderung, Wörter zu entziffern, Sätze zu verstehen oder zu rechnen. Die Schulen, ihrerseits, stehen vor der Herausforderung, diese Schüler individuell zu unterstützen.
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, wie das Nachbarland Luxemburg mit diesen Anforderungen im Rahmen einer inklusiven Bildungspolitik umgeht.
Ein inklusives Bildungssystem mit 9 Kompetenzzentren
Das luxemburgische Ministerium für Bildung, das Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse (MENJE), hat zur Unterstützung von Schülern mit besonderem Förderbedarf verschiedene Kompetenzzentren ins Leben gerufen, die jeweils ein Spezialgebiet abdecken und für die Integration in das bestehende Schulsystem sorgen. Die 9 spezialisierten psychopädagogischen Kompetenzzentren richten sich an Schüler mit besonderem Förderbedarf und ihre Eltern, die zusätzlich zu den in der Grund- oder Sekundarschule angebotenen Leistungen spezialisierte Dienste in Anspruch nehmen möchten. Es geht darum, möglichst viele Schüler in regulären Klassen zu beschulen und ihnen hier die nötige Unterstützung zukommen zu lassen. Weniger als 1 % der Schüler in Luxemburg werden so in einer spezialisierten Bildungseinrichtung unterrichtet, was die hohe Inklusionsrate belegt. (Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse, 2025)

Ein Kompetenzzentrum für Lernentwicklung
Das Kompetenzzentrum, welches sich zum Beispiel auf Lernentwicklung spezialisiert hat, ist das Centre pour le développement des apprentissages Grande-Duchesse Maria Teresa (CDA). Dieses ist für den Bereich der Lernstörungen, sowie für verschiedene Aufmerksamkeitsstörungen zuständig. Hier arbeiten Fachleute aus verschiedenen Disziplinen eng zusammen, um gemeinsam maßgeschneiderte Förderkonzepte zu entwickeln, dies in Zusammenarbeit mit den Eltern und Lehrkräften.
Herausforderung Mehrsprachigkeit
Dabei ist die Diagnose einer Lernstörung nicht immer einfach, besonders in einem mehrsprachigen und multikulturellen Kontext wie dem des Großherzogtums Luxemburg. Da es außerdem keine standardisierten Tests gibt, die auf diesen spezifischen Kontext zugeschnitten sind, ist die Aufgabe noch schwieriger. Das CDA beteiligt sich deshalb aktiv an der Forschung zu diesem Thema. (Centre pour le développement des apprentissages Grande-Duchesse Maria Teresa, 2025)
Des Weiteren wird, nach einer 4-jährigen Pilotphase, das Projekt „ALPHA – zesumme wuessen“ ab dem Schuljahr 2026/2027 gestartet werden, welches eine Alphabetisierung im Grundschulalter landesweit sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch anbieten wird, um diese inklusiver zu gestalten. (https://alpha.script.lu/de)
Digitale Hilfsmittel in den Schulen
Ein weiterer Schwerpunkt im Kontext der Hilfestellung bei Lernstörungen, resp. -schwierigkeiten liegt in dem Einsatz technologischer Hilfsmittel, die diese Schüler in ihrem schulischen Alltag unterstützen können. Diese können zur Kompensation vorhandener Schwächen angeboten werden, so wie etwa Tablets oder Laptops mit speziellen Apps, aber auch eine Sprachausgabe-Software (Vorlesefunktion). Bei einer diagnostizierten Lese- und Rechtschreibstörung ist es für den Schüler hilfreich, den Text sowohl visuell, als auch auditiv zu erfassen. Des Weiteren eignet sich ein Textverarbeitungsprogramm mit Rechtschreibprüfung, um auf falsch geschriebene Wörter aufmerksam zu machen.
Um Zeitverlust zu vermeiden, ist es empfehlenswert, vor dem Einsatz eines Tablets oder Laptops ein Tipptraining zu absolvieren.
Diese technischen Hilfsmittel können per geändertes Gesetz vom 20. Juli 2018 zur Förderung der schulischen Inklusion, als angemessene Vorkehrung für diese Schüler landesweit durch eine Kommission, der Commission des aménagements raisonnables, festgehalten werden. Sie erhalten somit einen legalen Anspruch auf diese Hilfsmittel, auch im Fall eines Schulwechsels innerhalb Luxemburgs.
Hilfestellung direkt vor Ort im Klassenzimmer
Schüler mit Förderbedarf können – mit diesen digitalen Hilfsmitteln ausgestattet – besser in den Schulalltag integriert werden. Im Jahr 2024 war Luxemburg stark geprägt von der Stärkung der Betreuung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch die Entwicklung von Teams zur Unterstützung dieser Schüler im Sekundarbereich, den Équipes de soutien des élèves à besoins spécifiques (ESEB) und der Einstellung einer neuen Kategorie von Mitarbeitern im Grundschulbereich, den Assistenten für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (A-EBS).
Diese Assistenten spielen eine wesentliche Rolle bei der Unterstützung der spezialisierten Lehrer (I-EBS) bei ihren Aufgaben. Sie leisten den betroffenen Schülern wertvolle Hilfe, insbesondere indem sie sie bei alltäglichen Verrichtungen unterstützen. Diese Initiative zielt darauf ab, die Begleitung von Schülern mit besonderen Bedürfnissen zu verbessern, indem ihnen eine angemessene Unterstützung angeboten und ihre Integration in das schulische Umfeld erleichtert wird. (Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse, 2024)
Um bei eintretenden Schwierigkeiten sofort Hilfestellung zu bekommen, wird dem Schüler in seiner Schule eine Referenzperson zugewiesen, die bei diversen Anfragen zur schulischen Inklusion unterstützend zur Seite steht.
Fazit: Ein Modell mit Vorbildcharakter
Luxemburg zeigt, wie ein inklusives Bildungssystem mit klaren Strukturen, interdisziplinärer Zusammenarbeit und technischer Unterstützung gelingen kann. Besonders bemerkenswert ist der ganzheitliche Ansatz: von der Diagnose über die individuelle Förderung bis hin zur rechtlichen Absicherung. Meiner Meinung nach hat sich der Bereich der Inklusion und Teilhabe für Schüler in Luxemburg, seit Einrichtung der psychopädagogischen Kompetenzzentren für die schulische Inklusion im Jahr 2018, positiv entwickelt. Auch wenn die Schulen nach wie vor großen Herausforderungen stehen, ist die Inklusion mittlerweile ein fester Begriff in jeder Schule geworden und nicht mehr wegzudenken.
Literaturverzeichnis
Centre pour le développement des apprentissages Grande-Duchesse Maria Teresa. (2025). CDA – Centre pour le développement des apprentissages Grande-Duchesse Maria Teresa. https://cc-cda.lu/de. Abgerufen am 02/08/2025.
Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse (Hrsg.). (mars 2024). Rapport d’activité.
Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse. (2025). Schulische Inklusion in Luxemburg: Eine Schule für alle. https://men.public.lu/de/systeme-educatif/eleves-besoins-specifiques/inclusion-scolaire.html. Abgerufen am 02/08/2025.
Bildquelle
Titelbild von NWimagesbySabrinaE/ Titel: Boy, Book, Reading image. Veröffentlicht am 10. November 2020. Abgerufen am 02.08.2025. Auf pixabay unter: https://pixabay.com/photos/boy-book-reading-literature-read-5731001/Lizenzzusammenfassung: https://pixabay.com/de/service/license-summary/.
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