Komplimente oder positive Rückmeldungen lösen nicht bei allen Menschen Freude aus. Im Gegenteil: Viele fühlen sich in solchen Momenten unwohl, reagieren verunsichert oder versuchen, das Lob abzuschwächen. Für manche entsteht sogar das Gefühl, den Erwartungen, die hinter dem Kompliment stehen, nicht gerecht werden zu können.
Psychologische Theorien die im Hintergrund stehen können
Eine der bekanntesten Erklärungen dafür, warum uns innere Widersprüche so schnell aus dem Gleichgewicht bringen, ist die Theorie der kognitiven Dissonanz. Sie beschreibt, dass Menschen danach streben, Gedanken, Überzeugungen und Handlungen in Einklang zu bringen. Entsteht ein Widerspruch, empfinden wir das als eine unangenehme Spannung. Diese Unvereinbarkeit ist nicht immer logisch oder objektiv sein, sie bezieht sich häufig auf unsere eigenen Überzeugungen, Werte oder Hypothesen darüber, wie die Welt oder wir selbst „sein sollten“. Sobald etwas nicht in dieses innere Bild passt, versuchen wir, die Dissonanz abzubauen (Raab et al., 2020, S. 57). Je sicherer sich eine Person ihrer eigenen Überzeugungen ist, desto stärker wird eine widersprüchliche Information als Dissonanz erlebt. Gleichzeitig steigt mit der Intensität der empfundenen Dissonanz auch die Motivation, diesen inneren Widerspruch aufzulösen (Raab et al., 2020, S. 60). Zum Abbau kognitiver Dissonanz nutzen Menschen häufig drei Strategien: Elimination, bei der widersprüchliche Informationen ausgeblendet oder abgewertet werden, Addition, bei der passende, bestätigende Informationen gesucht werden, und Substitution, bei der widersprüchliche Gedanken gezielt durch neue, stimmige ersetzt werden (Raab et al., 2020, S. 50).
Kognitive Dissonanz steht in engem Zusammenhang mit dem Konzept der Selbstverifikation. Die Selbstverifikationstheorie besagt, dass Menschen danach streben, in ihrem Selbstbild bestätigt zu werden – selbst, wenn sie ein negatives Bild von sich selbst haben. Menschen streben vermutlich deshalb nach Bestätigung ihres Selbstbildes, weil solche Rückmeldungen die Welt geordneter und leichter einschätzbar wirken lassen (Swann, 2012, S. 23).
Gründe, warum Komplimente oft schwer anzunehmen sind
Studien zeigen, dass Personen mit niedrigem Selbstwert positive Rückmeldungen nur schwer verinnerlichen können, da diese nicht zu ihrem eigenen, negativen Selbstbild passen. Komplimente stehen für sie im Widerspruch zu der tief verwurzelten Überzeugung, nicht genug wert zu sein. In der Folge reagieren Betroffene nach einem Kompliment häufig mit Selbstzweifeln und einem verringerten Vertrauen in die aufrichtige Wertschätzung durch die andere Person – deutlich stärker als Menschen mit hohem Selbstwert (Kille, et al., 2017, S.47).
Kognitive Dissonanz lässt sich unter anderem dadurch abbauen, dass die Glaubwürdigkeit der Person, die das Kompliment ausspricht, infrage gestellt wird – im Extremfall wird das Lob sogar als unehrlich oder manipulativ wahrgenommen. Eine weitere Strategie besteht darin, das Kompliment bewusst zu ignorieren oder es gar nicht erst richtig wahrzunehmen. Häufig versuchen Betroffene zudem, die widersprüchliche Information mit anderen Gedanken abzuschwächen, indem sie das Lob zum Beispiel dem Zufall oder der Leistung anderer zuschreiben. Zudem kann ein Kompliment auch durch die gezielte Erinnerung an Fehler oder Misserfolge relativiert werden. Diese Reaktionsmuster helfen kurzfristig, den inneren Widerspruch zu reduzieren, verstärken langfristig jedoch die Schwierigkeiten, Lob anzunehmen und das Selbstwertgefühl zu stärken (Raab et al., 2020, S. 55).
Komplimente richtig annehmen – so gelingt es
Komplimente sind nicht nur wertvoll, sie bieten auch die perfekte Gelegenheit, den eigenen Selbstwert zu stärken. Statt sie abzuwerten, kannst du üben, bewusst die positive Sichtweise anderer anzunehmen und dich einen Moment lang selbst so zu sehen.
- Negative Glaubenssätze transformieren
Unsere zentralen Überzeugungen über uns selbst entstehen häufig aus Erfahrungen der Kindheit oder aus Meinungen anderer, die wir ungeprüft übernommen haben. Auch wenn diese Gedanken oft wie Tatsachen wirken, sind es meist nur erlernte Bewertungen, die unser Selbstbild langfristig prägen. Um diese Glaubenssätze zu hinterfragen, sollte man sich bewusst machen, woher sie kommen und prüfen, ob sie heute noch sinnvoll oder hilfreich sind (Lemper-Pychlau & Schneider-Blümchen, 2013, S. 12).
- Stärkung des Selbstwertes
Das eigene Selbstwertgefühl lässt sich auf vielfältige Weise stärken. Ein erster Schritt besteht darin, wie bereits erwähnt, innere Glaubenssätze kritisch zu hinterfragen, übermäßige Selbstkritik abzubauen und sich selbst Fehler mit mehr Mitgefühl und Achtsamkeit zuzugestehen. Auch die Dissonanz-Theorie zeigt: Wer versucht, möglichst authentisch zu leben und den eigenen Werten treu zu bleiben, kann dadurch langfristig seine Selbstachtung festigen (Lemper-Pychlau & Schneider-Blümchen, 2013, S. 11).
- Lernen sich zu bedanken
Die wohl angemessenste Reaktion auf ein Kompliment ist, schlicht Dankbarkeit zu zeigen – ein einfaches „Danke“ passt in den meisten Situationen. Gleichzeitig sollte man versuchen, sich nicht selbst kleinzureden. Wenn andere zum eigenen Erfolg beigetragen haben, kann man das natürlich gerne erwähnen, ohne das eigene Lob dabei abzuwerten.
- Lob konkretisieren
Eine Studie zeigt, dass Menschen mit geringem Selbstwert Komplimente fast genauso gut annehmen können wie Personen mit hohem Selbstwert – vorausgesetzt, sie denken konkret. Das bedeutet: Wird ein Lob greifbar und auf konkrete Situationen oder Eigenschaften bezogen, fällt es deutlich leichter, es anzunehmen (Kille, et al., 2017, S.48). Bekommt man zum Beispiel ein Kompliment für einen gelungenen Vortrag, hilft es, gezielt nachzufragen, was genau daran überzeugt hat. In Partnerschaften kann es zudem sinnvoll sein, den Partner oder die Partnerin darauf hinzuweisen, Komplimente möglichst konkret zu formulieren – also nicht nur „Du bist toll“, sondern gezielt auf bestimmte Verhaltensweisen oder Eigenschaften bezogen. So wird Anerkennung spürbarer und glaubwürdiger.
Fazit
Komplimente anzunehmen fällt vielen Menschen schwer, vor allem, wenn die positive Rückmeldung nicht zum eigenen Selbstbild passt. Die Theorie der kognitiven Dissonanz erklärt, warum solche Situationen schnell innere Spannung erzeugen. Wer lernt, negative Glaubenssätze zu hinterfragen und seinen Selbstwert gezielt zu, kann diesen inneren Widerspruch langfristig auflösen – und beginnt, die eigene positive Wirkung Schritt für Schritt selbst zu glauben.
Literaturverzeichnis
Kille, D. R., Eibach, R. P., Wood, J. V. & Holmes, J. G. (2017). Sho can´t take a compliment? The role of construal level and self-esteem in accepting positive feedback from close other. Journal of Experimental Social Psychology, 68, S. 40-49
Lemper-Pychlau, M. & Schneider-Blümchen, S. (2013). Alltagsintelligenz: 24 Tools für Ihren täglichen Erfolg. Wiesbaden: Springer
Raab, G., Unger, A. & Unger, F. (2022). Marktpsychologie: Grundlagen und Anwendung. 5. Auflage. Wiesbaden: Springer
Swann, W. B. (2012). Self-Verification Theory. In Lange, P. A. M., Kruglanski, A. W. & Higgins, E. T. (Hrsg.), Handbook of theories of social psychology: Volume Two (S. 23-42). London: SAGE Publications
Titelbildquelle
Titelbild von Laura Chouette, veröffentlicht am 17. Mai 2021, Zugriff am 08.07.2025, verfügbar unter
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