By Published On: 10. September 2025Categories: Literaturempfehlungen, Wirtschaft

Der 1925 veröffentlichte Roman von F. Scott Fitzgerald „The Great Gatsby“ kann wohl mit Recht als einer der amerikanischen Literaturklassiker bezeichnet werden. Neben literarischer Finesse bietet dieser auch einen wahrheitsgetreuen Einblick in die wirtschaftliche Situation der USA der 1920er Jahre, dem sogenannten „Jazz Age“. Nach einer Kurzzusammenfassung des Buchinhalts wird auf die wirtschaftliche Situation eingegangen. Eigene Betrachtungen in Bezug auf den Roman werden durch die Aussagen zur amerikanischen Wirtschaft der 1920er Jahre von Zhang und Xiao (2022) belegt.

Abbildung 1: The Jazz Age (Quelle: Eigene Fotografie, Hintergrund von Leonhard Niederwimmer, Nyc New York City Amerika, unter Pixabay-Inhaltslizenz, https://pixabay.com/de/service/license-summary/, https://pixabay.com/de/photos/nyc-new-york-city-amerika-usa-4854718/, bearbeitet)

The Great Gatsby – eine Kurzzusammenfassung

Wie der Buchtitel bereits vermuten lässt, handelt der Roman von einer Hauptfigur namens (Jay) Gatsby; die Geschichte wird allerdings durch den Ich-Erzähler Nick Carraway, der aufgrund seiner Wunschkarriere im Wertpapierhandel in die Nähe vom New York der 1920er Jahre zieht. Dort lebt er zufällig neben der Villa Gatsbys auf der fiktiven Insel West Egg, das Pendant zu der modischeren Insel East Egg, auf welcher seine ebenfalls reichen Bekannten Tom und Daisy Buchanan leben. Gatsby ist das typische Beispiel des Ideals „vom Tellerwäscher zum Millionär“, allerdings weiß niemand (oder will wissen), wie er zu seinem Geld kam; gegen Ende zeigt sich, dass dies auf kriminellen Machenschaften beruht. Der Grund für seinen Aufstieg stellt allerdings einzig und allein seine frühere Liebe zu der damals schon reichen Daisy dar, welche er glaubte durch sein Vermögen gewinnen zu können, allerdings vergeblich. Zu diesem Zweck gibt Gatsby jeden Tag rauschende Partys für Gäste, die er nicht einmal kennt. Kontrastiert wird diese Welt durch das „Valley of Ashes“, in dem der Automechaniker Wilson lebt, mit dessen Frau Tom ein Verhältnis hat. Nach einigen Intrigen endet die Geschichte damit, dass Daisy Wilsons Frau aus Eifersucht überfährt, Gatsby aufgrund seiner Liebe zu Daisy die Schuld auf sich nimmt und Wilson deshalb, angestachelt durch Tom, sowohl sich selbst als auch Gatsby ermordet. Nick versucht, die angeblichen vielen bekannten Gatsbys zur Beerdigung einzuladen, doch außer dessen Vater erscheint fast niemand (Fitzgerald, 1995/1925, S. 5-170).

Die wirtschaftliche Situation

Wie nun die folgende Betrachtung zeigen wird, gibt The Great Gatsby ein recht exaktes Abbild der wirtschaftlichen Situation der USA der 1920er Jahre: Der Grund, dass Nick überhaupt erst nach West Egg zieht, ist der Wertpapierhandel: „[…] so I decided to go east and learn the bond business. Everybody I knew was in the bond business so I supposed it could support one more single man.“ (Fitzgerald, 1995/1925, S. 7). Dieses Zitat zeigt eindrücklich die große Bedeutung des Aktienmarktes zu jener Zeit: Wirtschaft und Wertpapierhandel erreichten unvergleichliche Höhepunkte, begünstigt durch Freihandel, geringe Inflationsraten, die hohe Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Firmen, die „Laissez faire“-Wirtschaftspolitik und den Rückzug der Kriegsanleihen aus dem US-Wertpapiermarkt zusammen mit dem Fluss internationalen Kapitals in diesen. Viele, die in diesem Gewerbe tätig waren, glorifizierten und übertrieben ihren Erfolg und so waren erstmals tausende „Durchschnittsbürger“ im Aktien- oder auch Immobiliengeschäft aktiv; manche wurden tatsächlich über Nacht Millionär. Das Interesse am Wertpapierhandel war unübertroffen und von Optimismus geprägt (Zhang & Xiao, 20022, S. 971-973).

Wirtschaftlicher Wohlstand im Allgemeinen ist auch eines der vorherrschenden Motive in The Great Gatsby: Fast alle der beschriebenen Charaktere leben in prächtigen Villen, Gatsby selbst in einer „factual imitation of some Hotel de Ville in Normandy“ (Fitzgerald, 1995/1925, S. 9), die Buchanans in einem „Georgian Colonial Mansion“ (Fitzgerald, 1995/1925, S. 11). Darüber hinaus sind selbstverständlich Gatsbys Partys ein Paradebeispiel: „There was music from my neighbor`s house through the summer nights. In his blue gardens men and girls came and went like moths among the whisperings and the champagne and the stars.“ (Fitzgerald, 1995/1925, S. 41). In der Tat waren die USA die größte Volkswirtschaft des 20. Jahrhunderts, von den neuen Entwicklungen in der Industrie und dem bereits erwähnten Wachstum der Aktienmärkte profitierte vor allem die Mittelschicht durch neue Stellungen und höhere Gehälter. Der Konsum war damit geboren (was die Wirtschaft selbstverständlich zusätzlich befeuerte). Die Menschen strebten zunehmend, ihre Wünsche mit materiellen Gütern zu befriedigen; Geld spielte eine übergeordnete Rolle und die traditionellen religiösen Werte gerieten immer mehr ins Wanken (Zang & Xiao, 2022, S. 970-971), was auch Gatsbys ausgedehnte, von exzessivem Alkoholgebrauch geprägten Partys, bei denen sich im Grunde keiner für den anderen interessiert, zeigen (z.B. Fitzgerald, 1995/1925, S. 41-60). Hier sind auch die zunehmend kriminellen Strömungen, vor allem vor dem Hintergrund der Prohibition zu erwähnen, die an Gatsbys Lebensführung und Bekanntschaften deutlich werden (z.B. „No, he´s a gambler.“, Fitzgerald, 1995/1925, S. 72). Bezüglich der bereits erwähnten Konsum- und auch Wirtschaftsexpansion ist auch die große Bedeutung des Automobils anzuführen, das sowohl ungeahntes Wachstum für die Volkswirtschaft bot, als auch ein zentrales Statussymbol der Bürger war (Zang & Xiao, 1995/1925, S. 970-971). In the Great Gatsby werden Autos ausgesprochen häufig erwähnt, Gatsby selbst fährt beispielsweise einen Rolls Royce (Fitzgerald, 1995/1925, S. 41).

Doch dieser Wohlstand und Materialismus, mit dem die 1920er Jahre allzu häufig verbunden werden, betrafen tatsächlich nur einen kleinen Bevölkerungsanteil, vielmehr prägte sich eine immer stärker werdende Kluft zwischen arm und reich heraus (Zhang & Xiao, 2022, S. 972). Diese Tatsache und den Wunsch des Aufholens der unteren Bevölkerungsschichten porträtiert Fitzgerald mit dem Mechaniker Wilson, der sich durch den Verkauf von Toms Wagen Wohlstand erhofft, wie auch durch den New Yorker Außenbezirk, in dem er lebt und welcher von Nick stets als „the valley of ashes“ bezeichnet wird (Fitzgerald, 1995/1925, S. 26).

Ein weiteres vielgelobtes Phänomen, nicht nur dieser Zeit, das Fitzgerald in seinem Roman kritisiert, ist der American Dream, für den und dessen Scheitern Gatsby als Sinnbild steht: Er schaffte es quasi „vom Tellerwäscher zum Millionär“, was ihn allerdings nie glücklich machte und zwischenmenschliche Beziehungen nie ersetzen konnte. Das Scheitern dieses Traums zeigt Gatsbys Tod und die Tatsache, dass dieser fast niemand (vor allem nicht Daisy) interessierte (Fitzgerald, 1995/1925, S. 152-164).

Somit wird The Great Gatsby nicht nur zu einem wahrheitsgetreuen Portrait der Wirtschaft der 1920er Jahre, sondern auch der sozialen Missstände, basierend auf fehlender Menschlichkeit bedingt durch übertriebenen Materialismus. Das Werk ist also eine wichtige Lektüre für jeden, der sich für die 1920er Jahre und ihre Entwicklungen interessiert. Die Stimmung dieser Zeit und des ganzen Buchs fasst eine Aussage Nicks gegen Ende des Romans sehr treffend zusammen (Fitzgerald, 1995/1925, S. 165):

„I see it as a night scene by El Greco: a hundred houses, at once conventional and grotesque, crouching under a sullen, overhanging sky and a lustreless moon. In the foreground four solemn men in dress suits are walking along the sidewalk with a stretcher on which lies a drunken woman in a white evening dress. Her hand, which dangles over the side, sparkels cold with jewels. Gravely the men turn in at a house-the wrong house. But no one knows the woman´s name, and non one cares.“

Literaturverzeichnis

Fitzgerald, F. S. (1995) (Originalarbeit veröffentlicht 1925). The Great Gatsby. Stuttgart: Klett.

Zhang, C. & Xiao, M. (2022). Economic Dynamics and Consumer Culture in The Great Gatsby*. Journal of Literature and Art Studies, 10, S. 968-980.doi:10.17265/2159-5836/2022.10.002

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