By Published On: 18. Oktober 2020Categories: Meine Hochschule und mein Studium

Einleitung

Der Abgabetermin für die Hausarbeit steht seit Wochen fest und übermorgen ist schon der besagte Tag. Jedoch ist außer der Überschrift „Hausarbeit“ kein Wort im Dokument aufzufinden.

Viele Studenten kennen diese Situation und müssen, um den Abgabetermin einzuhalten, die kommenden Nächte am Schreibtisch verbringen.  Dies ist mit viel Stress verbunden und die betroffenen Studenten bereuen es, dass sie nicht bereits vor Wochen mit der Hausarbeit begonnen haben. Wenn zusätzlich noch weitere terminierte Anforderungen zu erfüllen sind, dann haben sie endgültig das Gefühl, alles nicht mehr bewältigen zu können. Jedoch nur, weil sie nicht frühzeitig mit der Bearbeitung starteten und dies stattdessen immer wieder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurde. Dieses Phänomen nennt sich Prokrastination und ist im Volksmund auch als „Aufschieberitis„ bekannt. Es stellt sich die Frage, wie Prokrastination entsteht und was Studenten helfen kann, prokrastinierendes Verhalten zu vermeiden und somit das Studium erfolgreich abzuschließen.

 

Was ist Prokrastination?

Der Begriff Prokrastination stammt von dem lateinischen „procrastinare“ ab, was übersetzt verschieben, vertagen oder hinausschieben heißt.  Es existieren viele Definitionen, die versuchen Prokrastination zu erklären. Diese weisen jedoch alle im Grunde die gleichen Merkmale auf. Dazu gehört, dass Betroffene den wichtigen Aktivitäten, die zur Erreichung ihrer Ziele führen, andere Aktivitäten vorziehen. Außerdem gefährdet oder mindert dieses Verhalten die Qualität der erbrachten Leistung. Die Tätigkeit selbst wird dann mit Widerwillen ausgeführt und löst folglich bei dem Betroffenen Unbehagen aus. Dazu kommt  die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation, die durch das Aufschieben selbst ausgelöst wird. Zu betonen ist, dass das Aufschieben bewusst geschieht und sich der Betroffene in diesem Moment über die Konsequenzen der Handlung im Klaren ist.  Diese Kombination verdeutlicht, dass Prokrastination eine komplexe Störung der Handlungskontrolle darstellt, bei der sowohl affektive, kognitive als auch motivationale Faktoren beteiligt sind.[1]

 

Entstehung und Aufrechterhaltung von Prokrastination

Für die Entstehung von Prokrastination sind sowohl die Gedanken, Gefühle als auch das Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend. Diese drei Komponenten wirken wechselseitig und sind sowohl für die Erklärung der Entstehung als auch für die Behandlung relevant.

1. Die Verhaltensebene

Durch das Aufschieben kommt es kurzfristig zu positiven Erlebnissen, beispielsweise weil die unangenehme Aufgabe nicht erledigt werden muss, die Gedanken daran somit vermieden werden und genügend Zeit für angenehmere Aufgaben entsteht. Langfristig schadet dieses Verhalten jedoch dem Betroffenen, da durch das Aufschieben der Stress erhöht wird, durch das schlechte Gewissen und den Zeitdruck. Außerdem besteht die Gefahr, dass die erbrachten Leistungen nicht dem tatsächlichen Können der Person entsprechen und  dadurch sogar persönliche Ziele nicht erreicht werden.

2. Die Emotionsebene

Kurzfristig kommt es durch das Aufschieben zu einem Versuch der Emotionsregulation, da jeder Mensch negative Gefühle vermeiden und zusätzlich die positiven Gefühle steigern möchte. Dies geschieht, indem durch das Aufschieben das unangenehme Gefühl, welches mit unzumutbar erscheinenden Aufgaben einhergeht, verdrängt wird. Langfristig führt das Aufschieben durch Leistungsverschlechterung, Selbstabwertung oder das Nichterreichen von persönlichen Zielen zu negativen Gefühlen, die sogar zu Depressionen führen können.

3. Die kognitive Ebene

Wie bereits beschrieben können Gedanken und Gefühle das Verhalten beeinflussen und dadurch auch prokrastinationsfördernd wirken. Denn die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zur Bewältigung der Aufgabe wirken sich auf die Gefühle aus, die bei dem Gedanken an die Aufgabe empfunden werden und danach richtet sich auch das Verhalten. Des Weiteren entsteht durch negative Gedanken Bewertungs- und Versagensangst, die oft mit einem zu hohen Anspruch an das Ergebnis einhergehen.[2]

 

Persönliche Gründe für Prokrastination erkennen

Bei Studenten, die unter Prokrastination leiden, ist es meist sinnvoll, zuerst eigenständig die Ursachen für das Verhalten zu ermitteln. Dazu ist es wichtig, einige Fragen zu klären, wie beispielsweise, welche Aufgaben regelmäßig aufgeschoben werden oder wie das Aufschieben genau aussieht. Wird gar nicht erst angefangen zu schreiben oder feilt der Betroffene tagelang an einer einzelnen Textpassage, um diese zu perfektionieren? Außerdem kann es hilfreich sein, wenn der Betroffene sich vor Augen führt, was passiert, wenn er sofort mit der Bearbeitung beginnt und diese nicht aufschiebt. Hier können sowohl positive als auch negative Aspekte genannt werden. Es ist zudem wichtig, dass der Betroffene sich das Gefühl vorstellt, welches entsteht, wenn sofort mit der Bearbeitung begonnen wird.
Die Beantwortung dieser Fragen kann schon einen ersten sachlichen Hinweis darauf liefern, wo ein Problem besteht. Meist existiert zusätzlich ein Auslöser, der dann zur tatsächlichen Prokrastination führt. Hierbei kann es sich beispielsweise um das Gefühl handeln, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein oder noch etwas Zeit zu benötigen, um einen besseren Überblick zu bekommen. Auch negative Erfahrungen mit ähnlichen Aufgaben können dazu führen, dass der Betroffene demotiviert ist und die Bearbeitung aufschiebt. Ein persönliches oder ein fachliches Problem können den Betroffenen blockieren.[3]
Durch diese eigenständig durchgeführte Verhaltens- und Problemanalyse entsteht durch Selbstbeobachtung ein Überblick, der typische Denkweisen und Verhaltensmuster widergibt[4]. Diese Einsicht ist bereits der erste Schritt zur Verbesserung der Symptome. Die ausfindig gemachten Ursachen müssen zusätzlich individuell angegangen werden.[5]

 

Hilfreiche Tipps gegen Prokrastination

1 . Ziele definieren

Um die Konzentration auf die Aufgaben zu lenken, die für die Erreichung der persönlichen Ziele am wichtigsten sind, müssen diese genau festgelegt werden. Danach ist es einfacher, an der Realisierung zu arbeiten und nebensächliche Dinge nicht in den Vordergrund zu stellen.[6]

2. Fortschritte dokumentieren

Für Menschen, die an Prokrastination leiden, ist es wichtig, dass sie sich die Fortschritte bewusst machen, um nicht das Gefühl zu haben, gar nicht voran zu kommen. Dies kann beispielsweise anhand einer Have-done-Liste sichtbar gemacht werden.

3. Regelmäßig belohnen

Es ist wichtig, dass die gemachten Fortschritte belohnt werden, sobald ein Etappenziel erreicht wurde. Als Belohnung kann alles fungieren, das dem Betroffenen gefällt, zum Beispiel ein Spaziergang oder eine Kaffeepause.

4. Routinen entwickeln

Der bestehende innere Widerstand wird verkleinert, indem Routinen aufgebaut werden. Wenn Aufgaben regelmäßig verrichtet werden, so entsteht ein Automatismus und es muss keine aktive Motivation aufgebaut werden, um die Aufgabe anzugehen.

5. Selbstbestätigung

Durch negative Erfahrungen entsteht ein negatives Selbstbild, welches für ungute Gefühle während des Schreibens sorgt oder gar daran hindert, die Aufgabe zu beginnen. Positive Botschaften wie beispielsweise „Ich werde eine gute Hausarbeit schreiben“ führen dazu, dass diese negative Grundhaltung durchbrochen wird.[7]

 

Fazit

Bei Prokrastination handelt es sich um die Angewohnheit unangenehm erscheinende Aufgaben aufzuschieben. Dabei kann es sich um Tätigkeiten aller Lebensbereiche handeln. Bei Studenten kommt es durch das Aufschieben zu Misserfolgen oder sogar dem Nichterreichen des angestrebten Abschlusses. Durch Selbstbeobachtung können sowohl das Verhalten als auch die Gedanken analysiert und in Frage gestellt werden.  Anschließend ist die Bearbeitung dieser erkannten problematischen Gedanken und Verhaltensweisen sinnvoll, um neue Denk- und Verhaltensmuster zu entwickeln. Prokrastination kann sowohl durch Selbsthilfe als auch durch die professionelle Hilfe eines Psychotherapeuten behandelt werden.

 

[1] Vgl. Höcker/Engberding/Rist (2013), S. 10

[2] Vgl. Höcker/Engberding/ Rist (2017), S. 27-33

[3] Vgl. Folz (2020), S. 29-31

[4] Vgl. Fydrich (2009), S. 323

[5] Vgl. Folz (2020), S. 31

[6] Vgl. Baus (2015), S. 37

[7] Vgl. Folz (2020), S. 46-50

 

Literatur

Baus, L. (2015): Selbstmanagement: Die Arbeit ist ein ewiger Fluss. Gelassener arbeiten und besser leben. 1. Auflage, Wiesbaden: Springer Verlag.

Folz, K. (2020): Zeitmanagement bei der Abschlussarbeit. Perfektes Timing für die Bachelor- und Masterthesis. 1. Auflage, Wiesbaden: Springer Verlag.

Fydrich, T. (2009): Arbeitsstörungen und Prokrastination. Psychotherapeut. · Nr. 54, S. 318–325, Berlin: Springer Medizin Verlag.

Höcker, A./Engberding, M./Rist, F. (2013): Prokrastination. Mein Manual zur Behandlung des pathologischen Aufschiebens. 1. Auflage, Göttingen: Hogrefe Verlag.

Höcker, A./Engberding, M./Rist, F. (2017): Heute fange ich wirklich an! Prokrastination und Aufschieben überwinden. Ein Ratgeber. 1. Auflage, Göttingen: Hogrefe Verlag.

 

Bildquelle:
https://pixabay.com/de/photos/zeitschrift-schreiben-leere-seiten-2850091/ 

Teile diesen Artikel