By Published On: 13. Juli 2020Categories: Meine Hochschule und mein Studium

Seit einem guten halben Jahr studiere ich Psychologie im Fernstudium. Während ich intellektuell gut mit den Anforderungen des Studiums zurechtkomme – sicherlich auch, weil ich deutlich studiumserfahrener bin als ein frischgebackener Abiturient und bereits vor Jahren ein anderes Studium abgeschlossen habe, – stellt ein Aspekt des Studiums mich vor große motivationale und disziplinarische Herausforderungen: die „Schreiberei“ einer Vielzahl von Hausarbeiten.

Die Herausforderung

Anders als für fast alle anderen Aspekte eines Studiums wie Lesen, Diskutieren, Lernen, Klausuren-Schreiben oder der Besuch von Präsenzveranstaltungen verfüge ich zum Schreiben von Hausarbeiten kaum über intrinsische Motivation. Und auch die Anfertigung der Hausarbeiten im Rahmen eines Fernstudiums, d.h. weitgehend im sprichwörtlichen „stillen Kämmerlein“, macht es nicht einfacher. Da in (m)einem grundständigen Bachelorstudium für das Anfertigen einer gewöhnlichen Hausarbeit keine eigene Forschung betrieben und nicht empirisch gearbeitet wird, gibt es aus meiner Sicht wenig, über das auf interessante Weise in einer solchen 20-seitigen wissenschaftlichen Arbeit berichtet werden könnte – die Arbeiten bestehen größtenteils aus der paraphrasierenden Wiedergabe existierender Literatur bzw. müssen sogar solcherart verfasst sein, denn freies oder journalistisches Schreiben ist bei einer Psychologie-Hausarbeit (weitgehend) nicht gefragt.

Auch wenn ich aufgrund meiner Berufserfahrung gewohnt bin, stramm und diszipliniert zu arbeiten – manchmal durchaus auch ohne intrinsische Motivation, – ist die Verfassung einer Hausarbeit doch etwas anderes, auch deshalb, weil mich kein vorgegebenes Abgabedatum zur Disziplin zwingt. Im Ergebnis brauchte ich bisher für meine Hausarbeiten oft länger als objektiv gesehen nötig, und das war unbefriedigend. Was also konnte ich tun, um mein Ziel zu erreichen, die Arbeiten in einem entsprechend angemessenen Zeitraum zu verfassen?

Ein erster Ansatzpunkt bestand für mich darin, nicht nur alleine vor mich hin zu studieren, sondern mich möglichst viel mit Familie, Freunden und Kommilitonen auszutauschen. Das hilft, aber es reicht nicht. Nach einem Gespräch mit einem Freund, der ebenfalls bereits vor längerer Zeit ein Studium abgeschlossen hat und momentan nach einer Zeit der Berufstätigkeit nochmals studiert, entschloss ich mich, es mit einem Coach zu probieren.

Coaching

Unter Coaching versteht man „[…] eine prozess- und lösungsorientierte sowie personenzentrierte Beratung […]“[1]. Gleichzeitig ist es ein Modethema, dem eine positive Konnotation anhaftet, da es mit Spitzensport und Hochleistung in Verbindung zu stehen scheint, wenngleich in der Realität eines guten Coachings häufig auch belastende und für den Coachee herausfordernde Themen zu bearbeiten sind.[2] Die Mehrzahl aller Coaching-Methoden stammt ursprünglich aus der Psychotherapie[3] und bei einem Coaching geht es sowohl um Unterstützung zur Erreichung bestimmter Ziele, als auch um die Verbesserung des Wohlbefindens des Coachees[4]. Weiterhin sollte der Coach für den Coachee die Rolle eines Sparringspartners haben.[5] Letzteres war auch mir besonders wichtig und mein Coach und ich haben es so umgesetzt, dass ich jeden Tag, sobald ich mit meiner Arbeit begann, eine Textnachricht an ihn schickte. Das Gleiche tat ich bei Feierabend. Dies sind sehr einfache Maßnahmen, aber sie haben für mich eine positive Wirkung gehabt. Ungefähr jeden zweiten Tag telefonierten wir miteinander, um über bestimmte Themen zu sprechen. Hier war hilfreich, dass mein Coach, der gleichzeitig ein guter Freund und kein hauptberuflicher Coach ist, Geisteswissenschaftler ist und im Gegensatz zu mir gerne wissenschaftlich schreibt. So konnte er mir auch Hilfestellung zum besseren Schreiben geben.

Ein weiteres wichtiges Element beim Coaching sind Zielvereinbarungen, wobei Zielschwierigkeit, -spezifität und -bindung als erfolgsrelevante Merkmale angesehen werden.[6] Ohne mich bewusst mit solchen theoretischen Überlegungen zu befassen, war mir klar, dass ich mein Ziel schriftlich und formalisiert festhalten wollte. Noch bevor ich mir einen Coach suchte, formulierte ich daher mein Ziel und die Konsequenz bei dessen Nichterreichen in Form einer Coaching-Vereinbarung, die im Kern zweierlei beinhaltet: zum einen als zeitliches Ziel das selbst gesetzte Abgabedatum meiner Hausarbeit, zum anderen die „disziplinierende“ Konsequenz, wenn ich mein Ziel nicht erreiche (meine Coaching-Vereinbarung ist hier nachlesbar). Der erste Anwendungsfall meines Coaching-Versuchs war erfolgreich und ich habe meine Arbeit zum vereinbarten Termin abgegeben.

Fazit

Mit meiner Abneigung gegenüber Hausarbeiten bin ich nicht allein[7], aber in meinem aktuellen Studium führt kein Weg daran vorbei. Eine Strategie, um diese Herausforderung zu bewältigen, kann die Zusammenarbeit mit einem Coach sein. Mir war dabei wichtig, dass der Coach meine Zielerreichung überwacht, mir „in den Hintern tritt“, wenn es nötig ist, und als kluger Gesprächs- und Sparrings-Partner zur Verfügung steht.

Nach meiner aus der bisherigen Erfahrung resultierenden Einschätzung sind psychologische Interventionen im Rahmen eines Coachings besonders dann erfolgreich, wenn der Klient sie sich selber ausgesucht (und ausgedacht) hat. Denn eine von einem Coach von außen herangetragene Intervention hat den Nachteil, dass der Coachee möglicherweise nicht wirklich hinter der „verlangten“ Verhaltensänderung steht, was zu einer geringeren Wirksamkeit führt. Ähnlich sieht es Fahr (2017), wenn er schreibt „Für die Lösungen sind die Klienten zuständig, der Coach unterstützt sie bei der Suche“[8]. Für mich war es zielführend, eine vertragliche Zielvereinbarung selbst zu formulieren, um mein aktuelles Studiumsziel zu erreichen. Vielleicht ist dies auch für manch andere Studierende der richtige Weg. Für mich heißt es jetzt: Auf zur nächsten Hausarbeit – mit Coaching-Vereinbarung!

 

[1] Fahr (2017), S. 7
[2] Vgl. Fahr (2017), S. 1
[3] Vgl. Middendorf (2019), S. 3
[4] Vgl. Grant (2007), S. 250
[5] Vgl. Schawel/Billing (2018), S. 77
[6] Vgl. Brauer (2005), S. 40
[7] Vgl. hierzu z.B. Tipker (2017) und Senff (2020) mit ihren gleich lautenden Forderungen „Schafft die Hausarbeiten ab!“.
[8] Fahr (2017), S. 4

 

Literatur:

Brauer, Y. (2005), Wie Zielvereinbarungen im Coaching helfen, Wirtschaftspsychologie aktuell, Jg. 3, Nr. 1, S. 40-43.

Fahr, U. (2017), Coaching an der Hochschule, 1. Aufl., Wiesbaden: Springer.

Grant, A. M. (2007), A languishing-flourishing model of goal-striving and mental health for coaching populations, International Coaching Psychology Review, Jg. 2, Nr. 3, S. 250-264.

Middendorf, J. (2019), Lösungsorientiertes Coaching – Kurzzeit-Coaching für die Praxis, 2. Aufl., Wiesbaden: Springer.

Tipker, C. (2017), Schafft die Hausarbeiten ab!, https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/uni-dozent-fordert-schafft-die-hausarbeiten-ab-a-1134566.html, abgerufen am 12.07.2020.

Schawel, C./Billing, F. (2018), Top 100 Management Tools – Das wichtigste Buch eines Managers Von ABC-Analyse bis Zielvereinbarung, 6. Aufl., Wiesbaden: Springer Gabler.

Senff, M. (2020), Schafft die Hausarbeiten ab!, https://www.bento.de/future/hausarbeit-schreiben-bringt-weder-studierenden-noch-dozierenden-was-a-195a5aa7-e87b-456d-916f-598fa84aa351, abgerufen am 12.07.2020.

 

Beitragsbild von Pete Linforth auf Pixabay, https://pixabay.com/images/id-2738523/

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