By Published On: 10. Dezember 2021Categories: Psychologie

Die sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram, Twitter und Co. besitzen heute einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft und verzeichnen einen großen Zuwachs, sowohl im privaten Bereich für einzelne Personen, als auch für Unternehmen, Organisationen und öffentliche bzw. staatliche Einrichtungen, welche den wirtschaftlichen Nutzen des Social-Media-Einsatzes erkennen und nutzen wollen.¹ Das Ergebnis einer Umfrage zur Nutzung von Social Media in Deutschland nach Altersgruppen im Jahr 2020/21 zeigt, dass 88% der 14- bis 19-jährigen befragten Internetnutzer die sozialen Netzwerke nutzen. Der Anteil der 20- bis 29-jährigen Befragten belief sich sogar auf 90%. Mit zunehmendem Alter nahm auch der Anteil der Social-Media-Nutzer ab.² Der Social-Media-Trend ist also besonders bei jungen Menschen weit verbreitet. Doch warum belegen zahlreiche Studien, dass sich immer mehr Social-Media-Nutzer einsam fühlen, obwohl sie jederzeit and jedem Ort miteinander auf verschiedensten Wegen kommunizieren können und immer verbunden sind?³

Social-Media-Beziehungen sind unverbindlicher

Menschen sind ständig über ihre Bildschirme miteinander verbunden, aber gerade deshalb entziehen sie sich den anwesenden Mitmenschen. Die im Netz gepflegten Beziehungen sind unverbindlicher als außerhalb erlebte und werden nur dann aufrecht erhalten, wenn die Kontakte unterhaltsam und positiv erscheinen. Wichtige Beziehungen (strong ties) werden zugunsten unverbindlicher (weak ties) zunehmend vernachlässigt, woraus als logische Folge Einsamkeit entsteht.⁴

Ob sich jemand alleine fühlt ist allerdings subjektiv und schwer zu messen. Der eine ist vielleicht alleine zufrieden, ohne sich selbst einsam zu nennen, der andere fühlt sich inmitten von vielen anderen Menschen sozial isoliert. Brian Primack von der Universität Pittsburgh hat den Einfluss der Online-Nutzung auf das psychische Wohlbefinden im Alter von 19 bis 32 Jahren untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass User, die täglich mehr als zwei Stunden online waren, doppelt so häufig unter Einsamkeit litten als diejenigen, die das Internet weniger als 30 Minuten nutzten. In einer weiteren Studie wurde gezeigt, dass das Social Web an sich zwar nicht einsam macht, aber wie ein Verstärker wirkt. Wer sich bereits alleine fühlt, fühlt sich dort noch einsamer, bzw.: wer wenig Kontakt zu anderen Menschen hat, nutzt deshalb vermehrt Social Media.

Social-Media an sich macht also nicht einsam, jedoch wird es dann problematisch, wenn nur noch online kommuniziert wird. Das befriedigt nicht das tiefe Grundbedürfnis nach echter Nähe, denn die sozialen Netzwerke täuschen nur eine Nähe vor, die in Wirklichkeit gar nicht existiert. Die Menschen sitzen allein vor ihren Geräten und zählen die Likes auf ihren Profilen. Ein Like ist aber nicht das Gleiche wie eine Umarmung. Plattformen wie Instagram stellen hier Risiken dar. Das Leben anderer scheint perfekt und unbeschwert und durch die Anzahl der Likes, Kommentare und Aufrufe ist Anerkennung in solchen Netzwerken ganz genau bezifferbar und für jeden sichtbar, was Stress hervorrufen kann.⁵ Die sozialen Netzwerke fördern auch die Selbstdarstellung in Profilen. Da passiert es ganz schnell, dass Menschen sich mit anderen User aus dem Internet vergleichen. Besonders für Menschen mit geringem Selbstwertgefühl wächst die Gefahr, unter anderem durch die grenzenlos wirkenden Vergleichsmöglichkeiten über fortgesetzt enttäuschte Erwartungen in Neid oder Depression zu verfallen.⁶

Social-Media hilft bei Einsamkeit

Die sozialen Netzwerke bieten jedoch eine gute Möglichkeit, um die realen Beziehungen zu Freunden und Familie aufrecht zu erhalten. So bietet der virtuelle Austausch für manche immer noch mehr als das direkte Umfeld, z.B. ein Gastarbeiter, der täglich über Facebook mit seinen Kindern zuhause in Kontakt steht oder ein Krebspatient, der vor Ort niemanden mit derselben Krankheit kennt, aber Unterstützung in Onlineselbsthilfegruppen findet oder die Oma, die dank WhatsApp und FaceTime ihre Enkel regelmäßig sehen kann. Social Media kann manchen Menschen eine Gemeinschaft bieten, die sie sonst nie gefunden hätten. Gerade auch in dieser (Corona-) Zeit und während des Lockdowns können sie wahre Rettungsanker sein und die Isolation erträglicher machen.⁷

Fazit

Menschen sind in der heutigen Zeit so verbunden wie noch nie, trotzdem belegen verschiedene Studien, dass sich Menschen, die Social-Media nutzen, immer einsamer fühlen. Zum einen sind die im Netz gepflegten Beziehungen unverbindlicher als außerhalb erlebte.⁸ Zum anderen ziehen sich Menschen, die sich bereits einsam fühlen, in die sozialen Netzwerke zurück und werden unter Umständen noch einsamer. Social Media täuscht eine Nähe vor, die nicht existiert.⁹ Für viele sind Social-Media-Netzwerke aber die einzigste Möglichkeit, mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben und das jederzeit und an jedem Ort. Zudem können sich Gemeinschaften bilden, die sonst im realen Leben nicht entstehen würden.¹⁰


¹ Vgl. Gabriel/Röhrs (2017), VI

² Vgl. Rabe (2021)

³ Vgl. Rövekamp (2019)

⁴ Vgl. Wampfler (2019), S. 90

⁵ Vgl. Rövekamp (2019)

⁶ Vgl. Gabriel/Röhrs (2017), S. 228

⁷ Vgl. Hertz (2021), Abschnitt 12

⁸ Vgl. Wampfler (2019), S. 90

⁹ Vgl. Rövekamp (2019)

¹⁰ Vgl. Hertz (2021), Abschnitt 12

Literatur

Gabriel, R./Röhrs, H-P. (2017), Social Media, Springer.

Hertz, N. (2021), Das Zeitalter der Einsamkeit, HarperCollins.

Rabe, L. (2021), Umfrage zur Nutzung von Social Media nach Altersgruppen in Deutschland 2021, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/727354/umfrage/nutzung-von-social-media-in-deutschland-nach-altersgruppen/, abgerufen am 30.10.2021.

Rövekamp, M. (2019), Vernetzt – und doch allein, https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/einsamkeit-im-digitalen-vernetzt-und-doch-allein/24458572.html, abgerufen am 30.10.2021.

Wampfler, P. (2019), Generation „Social Media“, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co.KG

Beitragsbild: Pixabay.com, Mitglied Français, 30.10.2021, URL: https://pixabay.com/de/photos/mobilfunk-frau-nacht-smartphone-4480577/

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