By Published On: 17. Juni 2025Categories: Psychologie

Wir alle denken in Schubladen, lassen uns von Stereotypen leiten und haben Vorurteile. Was genau bedeutet es, in Schubladen zu denken? Wie hilft es uns in unserem Alltag? Wie entstehen Vorurteile und ist es möglich, diese wieder abzulegen?


Begriffserklärung

Hinter dem Begriff „Schubladendenken“ verbirgt sich ein psychologisches und soziologisches Phänomen namens (soziale) Kategorisierung. Damit ist ein kognitiver Prozess gemeint, durch welchen wir Menschen unserer soziale Umgebung einordnen, wobei wir uns selbst und andere in verschiedene Gruppen kategorisieren (Gerrig, 2018, S. 678).

Das Schubladendenken wird oft als negativ angesehen, hat jedoch auch seine positiven Aspekte. Bei der Entscheidungstreffung im Alltag hilft die Kategorisierung komplexe Informationen zu vereinfachen und den Prozess zu beschleunigen. Außerdem hilft sie uns, uns auf Handlungen vorzubereiten. Dadurch dass wir unser Gegenüber oder eine Situation schnell kategorisieren, können wir Erwartungen aufbauen und uns so auf eine Interaktion vorbereiten und anpassen (Ratgeber-Lifestyle, 2024; Helmut Schmidt Universität, 2022).

Stereotype und Vorurteile

Ein Stereotyp entsteht, wenn komplexe Verhaltensweisen und Eigenschaften von Menschen oder Gruppen mental vereinfacht werden. Diese Vereinfachung ist oft nicht wahr oder richtig, schafft aber Orientierungshilfen und ist somit ein normaler gängiger Vorgang. Stereotype können auch als kognitive Struktur angesehen werden. Jede Kultur hat seine eigenen Stereotype, wobei Autostereotype über die eigene Kultur und Heterostereotype, die über andere Kulturen sind. Wir Menschen tendieren dazu, Informationen aus Stereotypen zu wählen, wenn wir in bestimmten Bereichen und Situationen „Datenlücken“ aufweisen (IKUD-Seminare, 2025; Gerrig, 2018, S. 679). Welche Stereotype wir anwenden, wird dadurch beeinflusst, wie wir Menschen kategorisieren. Durch die gewählte Kategorisierung wird das stereotypische Wissen über das Individuum aktiviert. Wenn wir jemandem begegnen, den wir beispielsweise als Mann kategorisieren, aktivieren wir automatisch die Stereotype, die wir über Männer haben und interpretieren sein Verhalten entsprechend. Diese Interpretation passiert oft unbewusst. Eine Kategorisierung läuft automatisch ab, während eine Aktivierung eines Stereotypes kognitiv aufwendiger ist. die Anwendung eines bereits aktivierten Stereotypes passiert jedoch ebenfalls automatisch (Kessler, 2018; S. 43). Vorurteile werden durch Stereotype unterstützt. Diese entstehen, wenn Stereotype auf Individuen übertragen und mit Emotionen besetzt werden. Stereotype basieren auf Erfahrungen und Wahrnehmung, Vorurteile eher auf unreflektierten Meinungen und vorzeitigen, wertenden Urteilen (Breuer, 2016).

Vorurteile sind positive oder negative Einstellungen Personen, Objekten, Gruppen oder Sachverhalten gegenüber. Diese haben, wie schon genannt, selten direkte Erfahrungen als Ursprung, sondern sind generalisiert. Meistens sind negative Vorurteile (z. B. sexistischer oder rassistischer Art) gemeint, wenn über Vorurteile gesprochen wird, da diese gefährlicher und schädigender sind als positive Vorurteile (Gerrig, 2018, S. 677).

Um den Unterschied zwischen Stereotypen und Vorurteilen besser zu verdeutlichen, hier ein Beispiel: „Franzosen essen gerne Baguettes und Croissants“ (Stereotyp, da generalisiert, aber nicht wertend). „Franzosen sind arrogant“ (Vorurteil, wertend).

Wie entstehen Vorurteile?

Eine Art, wie soziale Kategorisierung aussehen kann, ist das beurteilen, ob Menschen wie man selbst oder anders sind. Dabei wird folglich in In-Gruppen und Out-Gruppen geteilt, wobei die Menschen in den In-Gruppen einem ähnlich sind und die in den Out-Gruppen als anders wahrgenommen werden. Schon kleine wahrgenommene Unterscheidungen können zu einer Aufteilung führen (Gerrig, 2018, S. 678). In einer Studie mussten Studierende eine Schätzfrage beantworten. Willkürlich wurde der einen Hälfte gesagt, sie hätten sich überschätzt und der anderen sie hätten sich unterschätzt. Daraufhin durften die Studierenden den anderen aus beiden Gruppen eine Geldbelohnung zuteilen. Denen, welchen sie die gleichen Schätzungen zusprachen, gaben sie mehr Geld. Selbst bei so kleinen unwichtigen Unterschieden, entstehen schon Bevorzugungen. Die meisten Menschen haben positive Gefühle gegenüber der anderen aus ihrer Gruppe und neutrale gegenüber Angehöriger der Out-Gruppe („Eigengruppen-Bias“). Erst wenn die Beurteilung der Out-Gruppen durch erlernte Vorurteile beeinflusst wird, werden die Gefühle dieser Gruppen gegenüber negativ (Gerrig, 2018, S. 679; Breuer, 2016).

Vorurteile entstehen, wenn Stereotype auf einzelne Menschen bezogen werden. Wenn aus dem Stereotyp, dass Deutsche pünktlich sind, dann in einer individuellen Situation mit einem Nicht-Deutschen ein „Der ist Italiener, natürlich ist er unzuverlässig“ wird, ist dies ein Vorurteil und mit Emotionen behaftet. Schon im Kindesalter mit ungefähr drei Jahren, lernen wir Kategorien zu bilden. Ohne das Verständnis für Gruppen können keine Vorurteile gebildet werden, da diese auf der Zugehörigkeit von bestimmten Gruppen basieren. In Untersuchungen wurde herausgefunden, dass es für uns Menschen einfach ist, eine negative Haltung gegenüber Menschen zu entwickeln, die nicht in „unsere Gruppe“ gehören (Gerrig, 2018, S. 678, Breuer, 2016). Auch die Hirnforschung zeigt, dass die Amygdala, welche für das Angstzentrum verantwortlich ist, bei Fremden aktiver reagiert als bei Menschen der eigenen Gruppe. Vorurteile werden durch das Elternhaus, soziale Medien, das soziale Umfeld, Kultur und eigene persönliche Erfahrungen geprägt und gebildet (Breuer, 2016).

Vorurteile loswerden

Sich von Vorurteilen zu befreien ist nicht einfach, oft reicht zwischenmenschlicher Kontakt nicht aus und einzelne gute Erfahrungen werden leider oft als Ausnahme gesehen („Subtyping“). Eine Metaanalyse von Pettigrew und Trepp aus dem Jahre 2006 mit dem Umfang von 515 Studien bestätigt die Verringerung von Vorurteilen durch Kontaktprogramme. Die sogenannte „Kontakt-Hypothese“ von Gordon Allport zeigt unter welchen Bedingungen der direkte Kontakt unterschiedlicher Gruppen zur Verringerung von Vorurteilen führen kann: Keine Machtgefälle/Statusgleichheit, verfolgen eines gemeinsamen Ziels, Zusammenarbeit und die Unterstützung und Begleitung durch Autoritätspersonen. Durch Reflexion und einem bewussteren Auseinandersetzen mit Vorurteilen ist eine kleine Änderung bei sich selbst jedoch auch schon möglich. Ein Interesse an den unterschiedlichen Einstellungen und Kulturen anderer, sowie der Austausch mit ihnen ist hilfreich. Umso mehr neue Interaktionen und Erfahrungen mit Menschen außerhalb der eigenen Gruppen gemacht wird, umso mehr positive Erfahrungen werden dabei gesammelt und helfen eventuell das eigene Denken zu korrigieren (Gerrig, 2018, S. 683; Breuer, 2016).

Fazit

Hinter dem Begriff „Schubladendenken“ steckt ein kognitiver Prozess, welcher uns darin unterstützt, schnell Urteile fällen zu können und mentale Energie zu sparen. Jedoch ist Schubladendenken oft auch falsch und hat eine schädigende Wirkung, wenn es sich um negative Vorurteile handelt.  Stereotype helfen bei der Vereinfachung der Wahrnehmung, sind jedoch nicht immer korrekt. Vorurteile basieren auf emotionalen, wertenden Meinungen und sind oft negativ. Vorurteile entstehen durch das Bilden von Gruppen und sozialen, kulturellen und persönlichen Erfahrungen. Vorurteile loszuwerden ist eine komplexe Aufgabe, aber nicht unmöglich. Mit Kontaktprogrammen unter bestimmten Bedingungen, Selbstreflexion und positiven Erfahrungen mit Menschen aus Out-Gruppen ist das Ablegen von manchen Vorurteilen möglich.

Literaturverzeichnis

Breuer, I. (2016). Wie Vorurteile unser Denken bestimmen. Abgerufen am 14.05.2025 auf https://www.deutschlandfunk.de/schubladen-im-kopf-wie-vorurteile-unser-denken-bestimmen-100.html

Gerrig, R. J. (2018). In: Psychologie, 1. Auflage, Hallbergmoos

Helmut Schmidt Universität (2022). Soziale Kategorisierung. Abgerufen am 14.05.2025 auf https://www.hsu-hh.de/soziale-kategorisierung

IKUD-Seminare (2025). Stereotyp und Vorurteil – Definition und Begrifflichkeit. Abgerufen am 14.05.2025 auf https://www.ikud-seminare.de/glossar/stereotyp-und-vorurteil.html

Kessler, T.; Fritsche, I. (2018). In: Sozialpsychologie, 1. Ausgabe, Wiesbaden

Ratgeber-Lifestyle (2024): Schubladendenken wissenschaftlich erklärt. Abgerufen am 14.0.2025 auf https://www.ratgeber-lifestyle.de/beitraege/persoenlichkeitsentwicklung/schubladendenken-wissenschaftlich-erklaert.html

TItelbildquelle:

Titelbild von Drew Beamer veröffentlicht am 17. Mai 2021 auf https://unsplash.com/de/fotos/blau-weisse-holzschublade-kJ-OGc1vGwc

Nutzungsbedingungen unter https://unsplash.com/de/lizenz

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