Emotionen spielen eine entscheidende Rolle beim Lernen. Ob Freude, Angst oder Frustration – unsere Gefühlslage beeinflusst, wie gut wir Informationen aufnehmen, speichern und abrufen können. Aber wie genau beeinflussen unsere Gefühle die Lernleistung und lässt sich das Lernpotenzial durch Emotionsregulation steigern?
Wie Emotionen das Lernen beeinflussen
Grundsätzlich rufen positive Emotionen ein Annäherungs- und negative Emotionen ein Vermeidungsverhalten hervor (Eder & Brosch, 2024). Emotionen beeinflussen das Lernen jedoch auf eine differenziertere Weise. Positive und negative Emotionen können unterschiedliche Auswirkungen auf unsere kognitive Leistung haben (Muñoz-Najar, Montemurro, & Ceric, 2024). Die drei zentralen Aspekte des Lernens – Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis – werden maßgeblich durch Emotionen beeinflusst (Cea, 2024, S. 624).
Positive Emotionen und Lernen
Glückliche und motivierte Menschen lernen oft effizienter, da positive Emotionen wie Freude oder Überraschung eine hohe physiologische Aktivierung bewirken (Mou, Xin, Song, Xiang, & Tang, 2023). Dadurch steigt die Aufmerksamkeit, sodass Menschen in positiver Stimmung neue Informationen schneller aufnehmen. Zudem fördern positive Emotionen die Konsolidierung von Wissen im Langzeitgedächtnis, was das Erinnern und Abrufen von Informationen erleichtert (Sendera & Sendera, 2023, S.168). Darüber hinaus steigert eine gute Laune die kognitive Flexibilität und Innovationskraft, wodurch kreative Denkprozesse und Problemlösungsfähigkeiten verbessert werden (Cea, 2024, S. 624).
Negative Emotionen und ihre Auswirkungen auf das Lernen
Starke negative Emotionen wie Angst oder Stress können sich hingegen hinderlich auf das Lernen auswirken (Mou, Xin, Song, Xiang, & Tang, 2023). Sie aktivieren das Stresssystem des Körpers, wodurch das Hormon Cortisol ausgeschüttet wird, das wiederum die Aktivität im präfrontalen Kortex hemmt und den Lernprozess beeinträchtigt (Cea, 2024, S. 625). Stress kann auch Gedankenkreisen begünstigen, wodurch die kognitive Kapazität für das eigentliche Lernen verringert wird. Zu hohe Stresslevel können zusätzlich den Zugriff auf bereits gespeicherte Informationen erschweren. Angst und Unsicherheit tragen außerdem dazu bei, dass Lernende vorsichtiger agieren und weniger risikofreudig neue Lösungswege ausprobieren. Jedoch kann ein gewisses Maß an Angst, Stress und sogar Pessimismus auch förderlich für das Lernen sein. Dabei sind das Erregungsniveau und die Art der Aufgabe entscheidend. Analytische Aufgaben scheinen mit leicht negativen Emotionen besser zu gelingen. Kreatives Denken dagegen fällt in positiver Stimmung leichter (Cea, 2024, S. 625).
Strategien zur Emotionsregulation beim Lernen
Da Emotionen einen so großen Einfluss auf das Lernen haben, kann es hilfreich sein, gezielte Strategien zu entwickeln, um die eigene Gefühlslage zu optimieren. Eine Studie mit Highschool-Schülern zeigte, dass die Fähigkeit, Emotionen effektiv zu regulieren, neben kognitiven und persönlichen Faktoren zu dem verlässlichsten Indikator für akademischen Erfolg zählt (Di Fabio & Palazzeschi, 2009). Emotionsregulation umfasst alle Prozesse, die darauf abzielen, die Entstehung, Intensität, Dauer und Ausdruck von Emotionen zu steuern (Sendera & Sendera, 2023).
- Emotionale Intelligenz stärken
Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz, können ihre Gefühle besser verstehen und regulieren (Momm, 2024). Dazu gehören:
- Selbstreflexion: Erkennen, welche Emotionen das Lernen beeinflussen.
- Emotionen bewertungsfrei akzeptieren (Sendera & Sendera, 2023).
- Empathie: Sich selbst in schwierigen Lernsituationen verstehen.
- Emotionale Kontrolle: Bewusst Techniken anwenden, um Emotionen zu kontrollieren (Cea, 2024, S. 625).
- Stressmanagement-Techniken
Um negative Emotionen wie Angst oder Ärger zu reduzieren und die Lernleistung zu verbessern, helfen folgende Techniken:
- Atemübungen und Meditation: Tiefes Atmen kann das Nervensystem beruhigen und die Konzentration steigern.
- Progressive Muskelentspannung: An- und Entspannung der Muskulatur im Wechsel hilft, die Muskeln zu lockern.
- Bewegung: Sport setzt Endorphine frei und reduziert Stresshormone (Sendera & Sendera, 2023, S. 153, 162).
- Positive Emotionen gezielt fördern
- Visualisierung: Sich an vergangenen Lernerfolg zu erinnern, kann Motivation und
Freude am Lernen steigern (Sendera & Sendera, 2023). - Zielsetzung: Realistische, klar definierte und messbare Ziele steigern die Motivation
und Selbstwirksamkeit und sind förderlich für das Selbstbild. - Erfolge feiern: Sich nach erreichten Zielen angemessen belohnen (Momm, 2024).
- Umgang mit negativen Emotionen
Die Art und Weise, wie wir eine Situation bewerten, beeinflusst unsere emotionale Reaktion darauf. Kognitiv zu reevaluieren bedeutet, bewusst die eigenen Gedanken zu hinterfragen und eine förderliche Perspektive einzunehmen, um den Emotionsgehalt einer Situation zu verändern (Eder & Brosch, 2024):
- Kognitive Umstrukturierung: Negative Gedanken („Ich kann das nicht“) durch positive Affirmationen („Ich schaffe das“) ersetzen.
- Neubewertung von Herausforderungen: Anstatt eine schwierige Aufgabe als Bedrohung zu sehen, kann sie als Möglichkeit zum Wachstum betrachtet werden.
- Körperhaltung korrigieren: Eine aufrechte Haltung stärkt das Selbstbewusstsein und reduziert Stress.
- Realistische Ziele setzen: Kleine, erreichbare Ziele verhindern Überforderung und erhöhen den Glauben an die eigene Kompetenz.
- Fokus auf Lernfortschritt: Statt sich auf Fehler zu konzentrieren, die eigenen Fortschritte anerkennen (Sendera & Sendera, 2023).
Fazit
Emotionen sind ein entscheidender Faktor für erfolgreiches Lernen. Während positive Emotionen die Motivation, Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung steigern können, müssen negative Emotionen wie Angst und Stress nicht per se hinderlich sein. Entscheidend ist das Erregungsniveau und auch die Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation, um ein optimales individuelles Lernklima zu schaffen. Wer seine Emotionen bewusst steuert, schafft eine starke Grundlage für lebenslanges Lernen und persönliche Weiterentwicklung. Da emotionale Regulation nicht nur das Lernen, sondern viele Lebensbereiche positiv beeinflusst, bleibt ihre Bedeutung weit über den Bildungskontext hinaus relevant.
Literaturverzeichnis
Cea, I. (2024). Die somatischen Wurzeln der Affektivität: Hin zu einer körperzentrierten Bildung. In P. Fossa, & C. Cortés-Rivera, Affektivität und Lernen – Ein Brückenschlag zwischen Neurowissenschaften, Kultur- und Kognitionspsychologie (S. 619-650). Berlin: Springer-Verlag.
Di Fabio, A., & Palazzeschi, L. (April 2009). An in-depth look at scholastic success: Fluid intelligence, personality traits or emotional intelligence?, Personality and Individual Differences. Elsevier, 46(5 – 6), S. 581-585. doi.org/10.1016/j.paid.2008.12.012
Eder, A. B., & Brosch, T. (2024). Emotion. In M. Rieger, & J. Müsseler, Allgemeine Psychologie (S. 221-251). Berlin: Springer-Verlag.
Mou, X., Xin, Y., Song, Y., Xiang, J., & Tang, Y. (16. November 2023). An empirical study on learners’ learning emotion and learning effect in offline learning environment. PLOS One. doi:https://doi.org/10.1371/journal.pone.0294407
Momm, C. (2024). Emotionen begeistert leben – Wie Spitzensportler und andere Top Performer erfolgreich handeln. Berlin: Springer-Verlag.
Muñoz-Najar, A., Montemurro, M. Gana, S., & Ceric, F. (2024). Emotionale Salienz und Lernen. In P. Fossa, & C. Cortés-Rivera (Hrsg.), Affektivität und Lernen – Ein Brückenschlag zwischen Neurowissenschaften, Kultur- und Kognitionspsychologie (S. 553-576). Berlin: Springer-Verlag.
Sendera, A., & Sendera, G. (2023). Körperorientiertes Skillstraining – Grundlagen und praktische Übungen für Körperskills. Berlin: Springer-Verlag.
Titelbildquelle
Jeshoots-com. (18. Januar 2018). Laptop-Frau-Bildung-Lernen-jung. Abgerufen am 15. Januar 2025 von Pixabay: https://pixabay.com/de/photos/laptop-frau-bildung-lernen-jung-3087585/
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