Verständigung jenseits der Worte
Kommunikation ist nicht immer eindeutig für uns einzuordnen. Und doch erleben wir sie häufig als erstaunlich klar – besonders dann, wenn sie von Hunden ausgeht. Hunde senden uns zahlreiche Signale, doch wir Menschen verstehen diese nicht immer richtig. Oft glauben wir, Zeichen und nonverbale Kommunikation deuten zu können, interpretieren sie jedoch teilweise falsch – mitunter sogar völlig gegensätzlich zur tatsächlichen Bedeutung. Wir gehen davon aus, dass Hunde ähnlich kommunizieren wie wir es tun. Dabei unterscheidet sich ihre Art, zu kommunizieren, grundlegend von unserer.
Das bedeutet jedoch nicht, dass ein gegenseitiges Verstehen ausgeschlossen ist. Im Gegenteil: Wir können lernen, miteinander in Interaktion zu treten und unsere jeweiligen Bedürfnisse deutlich mitzuteilen.
Menschliche vs. tierische Kommunikation – zwei Welten im Dialog
Ein zentraler Unterschied in der Kommunikation liegt in der Sprache. Der Mensch spricht. Unsere Kommunikation dreht sich häufig um andere Menschen oder um Dinge und Ereignisse außerhalb unserer eigenen Person. Wir sprechen über das Jetzt, aber auch über Vergangenheit und Zukunft. Tiere hingegen kommunizieren fast ausschließlich über ihre inneren Zustände oder über konkrete Absichten. Dabei wird unsere gesprochene Sprache zusätzlich von nonverbalen Elementen begleitet – Mimik, Gestik, Tonfall. Und trotz dieser sprachlichen Entwicklung hat der Mensch die uralte Form nonverbaler Kommunikation bewahrt, um beispielsweise Emotionen auszudrücken. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zeigt sich im kulturellen Kontext: In der Menschheitsgeschichte haben sich vielfältige Kulturen entwickelt, die jeweils eigene Sprachen und auch zum Teil unterschiedliche Formen nonverbaler Kommunikation hervorgebracht haben (Argyle, 2013, S. 18).
Sozialverhalten bei Hunden: Körpersprache als Fundament
Tiere – insbesondere Hunde – entwickeln vielfältige soziale Beziehungen. Die erste und grundlegende Bindung entsteht zwischen Jungtier und Elterntier. Doch auch Beziehungen zwischen Weibchen und Männchen, zwischen Freunden oder Feinden gehören zum sozialen Repertoire. Gesteuert werden diese Beziehungen durch eine komplexe und fein abgestimmte nonverbale Kommunikation (Argyle, 2013, S. 43).
Hunde teilen auf diese Weise zentrale Aspekte ihres inneren Zustands mit – etwa ihre sexuelle Bereitschaft oder ihre Position innerhalb der sozialen Hierarchie. Signale von Dominanz oder Unterordnung sind dabei ebenso Teil ihres Ausdrucksrepertoires wie freundschaftliche Gesten. Die nonverbale Kommunikation ist damit nicht nur Mittel zur Verständigung, sondern auch das Fundament sozialer Ordnung und Beziehungspflege im Tierreich (Argyle, 2013, S. 44).
Hund trifft Mensch: Wo Kommunikation scheitert – und wie sie gelingen kann
Die Kommunikation zwischen Tier und Mensch kann herausfordernd sein – insbesondere deshalb, weil beide Spezies über jeweils eigene, komplexe Kommunikationssysteme verfügen. Diese unterschiedlichen Systeme miteinander zu verbinden, erfordert ein hohes Maß an Sensibilität und Aufmerksamkeit. Um Missverständnisse zu vermeiden und Kommunikationssignale nicht fehlzuinterpretieren, müssen beide Seiten lernen, sich aufeinander einzulassen und die Sprache des anderen zu verstehen (Henschel, Winters, Müller, & Bräuer, 2020, S. 1019).
Die Domestikation: Warum Hunde uns so gut lesen können
Hunde haben sich im Laufe ihrer Domestikation zunehmend darin entwickelt, menschliche Kommunikation zu interpretieren – sogar in Situationen, in denen der Mensch keine bewusste Absicht zur Mitteilung verfolgt. Dieses feine Gespür für menschliche Signale zeigt sich etwa in der Fähigkeit, bestimmte Informationen aus unserem Verhalten oder unserer Körpersprache zu lesen (Henschel, Winters, Müller, & Bräuer, 2020, S. 1020).
Doch Kommunikation verläuft nicht nur einseitig. Hunde sind ebenso in der Lage, selbst aktiv mitzuteilen, was sie wahrnehmen oder benötigen. Sie nutzen dabei insbesondere Lautäußerungen und gezielte Blicke. Ein wiederholter Blickwechsel – etwa zwischen einem Menschen und einem bestimmten Punkt im Raum – kann eine Art „Zeigegeste“ darstellen. Studien belegen, dass dieses Blickverhalten in genau dieser Form nur in Anwesenheit eines Menschen gezeigt wird. Dies stützt die Annahme, dass Hunde bestimmte kommunikative Strategien speziell für die Verständigung mit dem Menschen entwickelt haben (Henschel, Winters, Müller, & Bräuer, 2020, S. 1020).
Da die Domestizierung des Hundes in enger Verbindung mit dem Menschen stattgefunden hat, könnte diese gemeinsame Entwicklung – eine Art konvergente Evolution – dazu geführt haben, dass sich bei Hunden menschenähnliche Kommunikationsformen stärker ausgeprägt haben. Obwohl Hunde und Menschen keine direkte evolutionäre Linie teilen, lebten sie über Jahrtausende hinweg miteinander. Daraus könnten sich evolutionäre Veränderungen im neuronalen System der Hunde ergeben haben, die das Erleben von Zugehörigkeit fördern (Nagasawa, Mitsui, En, Ohtani, Ohta, Sakuma, Onaka, Mogi, & Kikusui, 2015, S. 333).
Kognitive Fähigkeiten von Hunden: Perspektivübernahme und soziale Sensibilität
Die Domestikation hat nicht nur die Kommunikation zwischen Menschen und Hund geprägt, sondern auch die kognitiven Fähigkeiten der Hunde weiterentwickelt. So verhalten sich Hunde in Situationen, in denen ihnen etwas verboten wurde, unterschiedlich – abhängig davon, ob ein Mensch anwesend ist, ob dieser ihnen zugewandt ist oder ob seine Augen geschlossen sind. Dieses Verhalten deutet darauf hin, dass Hunde die visuelle Aufmerksamkeit des Menschen bewusst wahrnehmen und ihr eigenes Handeln entsprechend anpassen (Kaminski, Call & Tomasello, 2004, S. 216).
Fazit: Die Kunst des gegenseitigen Verstehens
Die Kommunikation zwischen Menschen und Hund ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis einer langen gemeinsamen Geschichte. Ihre Tiefe beruht auf biologischen, sozialen und emotionalen Faktoren. Wenn wir lernen, genauer hinzuhören – auch jenseits der Worte –, eröffnen sich uns neue Wege der Verständigung, geprägt von Vertrauen, Nähe und gegenseitiger Wahrnehmung.
Literaturverzeichnis
Kaminski, J., Call, J., & Tomasello, M. (2004). Body orientation and face orientation: Two factors controlling apes’ and humans’ use of referential gestures. Journal of Comparative Psychology, 118(2), 216-223.
Nagasawa, M., Mitsui, S., En, S., Ohtani, N., Ohta, M., Sakuma, Y., Onaka, T., Mogi, K., & Kikusui, T. (2015). Oxytocin-gaze positive loop and the coevolution of human-dog bonds. Science, 348(6232), 333–336. https://doi.org/10.1126/science.1261022
Titelbildquelle
StephenCh. (2020, 7. November). Kid Dog Outdoors Little Girl Girl [Foto]. Pixabay.Abgerufen von https://pixabay.com/photos/kid-dog-outdoors-little-girl-girl-5718703/ (pixabay.com)
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