By Published On: 5. August 2025Categories: Psychologie

Prokrastination – vielen bekannt als „Aufschieberitis“ – beschreibt das freiwillige Aufschieben wichtiger oder geplanter Aufgaben, obwohl man weiß, dass daraus eher Nachteile entstehen (Klingsieck, 2013, S. 26). Wer kennt das nicht? Ganz offen: Bis diese Zeilen entstanden sind, vergingen Tage – gefüllt mit Putzen, Uni-Aufgaben und der Suche nach dem perfekten Titelbild, nur nicht mit Schreiben.

Warum prokrastinieren wir denn überhaupt?

Bevor wir verstehen, warum wir Aufgaben (un)gern aufschieben, hilft ein Blick auf die Definition von Prokrastination. Die Forschung ist sich uneins: Manche sehen nur dysfunktionales Aufschieben, andere zählen auch bewusste Verzögerungen dazu (Klingsieck, 2013, S. 25). Unabhängig davon zeigen sich folgende typische Merkmale der Prokrastination: ein innerer Widerwille gegenüber der Aufgabe, das Ausweichen auf unwichtige Tätigkeiten, ständiges Grübeln, Unbehagen, zunehmender Stress und qualitative Einbußen der Leistung durch das Aufschieben (Engberding et al., 2017, S. 417).

Die verschiedenen Forschungsansätze zur Prokrastination lassen sich mehreren psychologischen Perspektiven zuordnen (Klingsieck & Fries, 2012, S. 183). Das lerntheoretische Modell liefert vor allem Erklärungen dafür, warum sich Prokrastination hartnäckig hält. Durch das Aufschieben verspüren wir kurzfristig Erleichterung – das wirkt als positive Verstärkung. Gleichzeitig vermeiden wir die unangenehme Aufgabe, was als negative Verstärkung zusätzlich belohnt wird. Langfristig führt dieses Muster jedoch zu negativen Gefühlen wie Schuld oder Stress, die wiederum die Abneigung gegenüber der Aufgabe verstärken – ein Teufelskreis entsteht (Engberding et al., 2017, S. 419). Aus motivations- und volitionspsychologischer Sicht ist Prokrastination ein Versagen von Motivation oder Willenskraft – eine Lücke zwischen Absicht und Handlung. Wer intrinsisch motiviert, selbstbestimmt oder im Flow arbeitet, schiebt seltener auf. Auch Selbstwirksamkeit, innere Kontrollüberzeugung und klare Lernziele wirken dem entgegen, während schwache Selbstregulation, geringe Selbstkontrolle und schlechtes Zeitmanagement das Aufschieben begünstigen (Klingsieck, 2013, S. 27). Die differentielle Psychologie sieht Prokrastination als stabile Persönlichkeitseigenschaft, die mit den Big Five, aber auch mit Angst, Perfektionismus und Depression verbunden ist (Klingsieck & Fries, 2012, S. 183). Häufig tritt sie bei geringer Gewissenhaftigkeit und hohem Neurotizismus auf. Auch Perfektionismus, niedriges Selbstwertgefühl, pessimistisches Denken und ein unsicheres Selbstkonzept begünstigen Aufschiebeverhalten. Oft wird es zudem als „Self-Handicapping“ verstanden – dem bewussten Aufschieben, um Misserfolge vorab zu rechtfertigen und das Selbstwertgefühl zu schützen. (Klingsieck, 2013, S. 26).

Praktische Methoden, wie wir Prokrastination entgegenwirken können

Um Aufschieben zu überwinden, helfen oft schon kleine, alltagstaugliche Strategien. Eine davon ist, große Aufgaben in überschaubare Schritte zu unterteilen – so wirkt der Einstieg weniger abschreckend, und mit jedem kleinen Fortschritt wächst die Motivation weiter (Rajan & Mukhija, 2024). Auch eine grobe Planung des Tages oder der nächsten Tage kann unterstützend wirken. Es gibt kein Patentrezept für das perfekte Zeitmanagement – entscheidend ist, dass die Struktur zur eigenen Arbeitsweise passt, sei es digital, analog oder mit simplen Notizzetteln am Kühlschrank. Hilfreich kann auch die Unterstützung durch andere sein. Wer sich mit jemandem zusammenschließt, verabredet sich gewissermaßen zur gegenseitigen Verantwortung. Gemeinsame Ziele und regelmäßiges Feedback stärken nicht nur die Verbindlichkeit, sondern auch das Durchhaltevermögen (Koppenborg & Klingsieck, 2022). Ein bewusster Umgang mit Ablenkungen ist ebenfalls zentral – insbesondere mit dem Smartphone. Es reicht oft schon, es außer Reichweite zu legen. Studien zeigen: Allein der Gedanke daran kann die Konzentration unterbrechen (Rajan & Mukhija, 2024). Eine bewährte Methode ist außerdem die Pomodoro-Technik: 25 Minuten konzentriertes Arbeiten, gefolgt von 5 Minuten Pause. Dieses klare Zeitraster hilft, fokussiert zu bleiben, ohne sich zu überfordern (Kraft, 2024).

Strategien aus der Psychologie zur nachhaltigen Vermeidung von Prokrastination

Belohnung ist ein starker Motivationsfaktor – das zeigt sich bereits bei der Pomodoro-Technik, wo die Pause als gezielter Anreiz wirkt. Dieses Prinzip lässt sich leicht übertragen: Kleine Belohnungen nach einzelnen Etappen oder ein größeres Ziel am Ende können helfen, am Ball zu bleiben. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Umgang mit inneren Blockaden. Selbstzweifel und irrationale Gedanken – etwa die Angst, nicht gut genug zu sein – fördern das Aufschieben. Wer solche Denkmuster erkennt und hinterfragt, kann sie langfristig abbauen und durch realistischere, hilfreichere Überzeugungen ersetzen (Duru et al., 2023). Auch Achtsamkeit und Selbstmitgefühl spielen eine Rolle. Wer frühzeitig Misserfolge befürchtet und sich selbst stark kritisiert, gerät schneller in den Kreislauf aus Schuldgefühlen und Aufschieben. Achtsamkeit – also das bewusste, nicht wertende Wahrnehmen des Moments – kann hier einen Gegenpol bilden. Genauso wichtig ist es, sich selbst mit mehr Nachsicht zu begegnen. Selbstmitgefühl lässt sich üben – und kann ein wirksames Mittel gegen Prokrastination sein (Sirois, 2013).

Fazit

Prokrastination ist ein weit verbreitetes Phänomen, das auf verschiedene psychologische Faktoren zurückzuführen ist. Studien zeigen, dass sowohl Persönlichkeitsmerkmale als auch motivationale und kognitive Prozesse eine zentrale Rolle spielen. Die gute Nachricht: Wir sind dem Aufschieben nicht hilflos ausgeliefert. Voraussetzung für einen erfolgreichen Umgang mit Prokrastination ist, die individuellen Hintergründe zu verstehen und gezielt darauf einzugehen. Die in diesem Artikel vorgestellten Methoden bieten dafür erste konkrete Ansätze – oder können als Inspiration dienen, eigene Strategien zu entwickeln. Also Schluss mit dem Aufschieben – denn irgendwann ist auch „Morgen“ ausgebucht.

Literaturverzeichnis

Duru, E., Balkis, M. & Duru, S. (2023). Procrastination among adults: The role of self-doubt, fear of the negative evaluation, and irrational/rational beliefs, Journal of Evidence-Based Psychotherapie, 23, S. 79-97

Engberding, M., Höcker, A. & Rist, F. (2017). Prokrastination: Ursachen, Auswirkungen, Behandlungsmodule. Psychotherapeut, 62, S. 417-421

Klingsieck, K. B. (2013). Procrastination: When good things don´t come to those who wait, European Psychologist, 18, S. 24-34

Klingsieck, K. B. & Fries, S. (2012). Allgemeine Prokrastination. Diagnostica, 58, S. 182-193

Koppenborg, M. & Klingsieck, K. B. (2022). Group work and student procrastination, Learning and Individual Differences, 94

Kraft, N. C. (2024). Coaching für HR-Profis: Grundlagen, Praxisanleitungen und Fallbeispiele. Berlin: Springer

Rajan, G. & Mukhija, J. (2024). Understanding the psychology behind procrastination at work: The art of the last-minute scramlbe! Sights in Plus: Monthly HR Magazine, 07, S. 50-52

Sirois, F. M. (2013): Procrastination and stress: Exploring the role of self-compassion. Self and Identity, 13, S. 128-145

Wiegartz, P. S. & Gyoerkoe, K. L. (2010). The Worrier´s Guide to Overcoming Procrastination. Oakland: New Harbinger Publications

Titelbildquelle

Titelbild von Annie Spratt, veröffentlicht am 8. Februar 2022, Zugriff am 08.07.2025, verfügbar unter

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