By Published On: 12. August 2025Categories: Psychologie

Träumen – ein Thema, mit dem wir uns kaum aktiv auseinandersetzen, das uns jedoch jede Nacht begegnet. Im Schlaf tauchen wir in eine Parallelwelt ein – eine Welt, in der wir aktiv handeln, obwohl unser Körper unbeweglich bleibt (Lüth, & Schredl, 2023, S. 149). 

Die Erinnerung an Träume ist der einzige Zugang, den wir zur psychologischen Betrachtung dieser nächtlichen Erlebnisse haben. Was im sogenannten „Traumbewusstsein“ geschieht, kann erst am Morgen berichtet und reflektiert werden. Die wissenschaftliche Forschung zum Träumen bewegt sich dabei auf zwei Ebenen: der Grundlagenforschung und der anwendungsorientierten Forschung. Besonders faszinierend ist die Fähigkeit des Gehirns, eine vollständige Erfahrungswelt zu erschaffen – ganz ohne äußere Reize (Lüth, & Schredl, 2023, S. 149). 

Universales Phänomen – Träumen als menschliche Konstante

Das Faszinierende am Schlaf ist: Wir alle tun es – jeden Tag aufs Neue. Und dabei spielt es keine Rolle, wo auf der Welt wir leben, welche Sprache wir sprechen, welchen Bildungsstand wir haben oder in welchem sozialen Kontext wir uns bewegen. Schlafen ist universell. Träumen ist universell. Und dabei folgen wir alle demselben natürlichen Prozess.

Immer wieder hört man die Aussage, dass manche Menschen jede Nacht träumen und andere fast nie. Diese Annahme ist allerdings falsch – denn geträumt wird bei allen Menschen, auch wenn nicht jede*r sich daran erinnert. Wie genau dieses nächtliche Träumen abläuft und welche Bedeutung wir den Trauminhalten beimessen können, beleuchten wir im folgenden Artikel (Myers, & DeWall, 2018,  S. 111).

Neurowissenschaftliche Perspektiven – Träume sichtbar machen

Träume zu messen ist komplex. Durch die Kernspintomografie – ein bildgebendes Verfahren – ist es schon länger möglich, Gehirnaktivität auch während des Schlafs zu messen. Allerdings konnte diese bislang nicht eindeutig mit dem konkreten Trauminhalt verknüpft werden. Denn was ein Mensch träumt, lässt sich erst durch die Nacherzählung nach dem Aufwachen erkennen. Zu welchem Zeitpunkt genau welcher Trauminhalt auftrat und wie die Gehirnaktivität zu diesem Zeitpunkt war, ließ sich bislang nicht eindeutig zuordnen (Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, 2011).

Das Max-Planck-Institut und die Charité Berlin konnten 2011 neue Erkenntnisse gewinnen: Die Aktivität des Gehirns konnte während des Träumens gemessen und analysiert werden. Dies wurde durch luzide Träume ermöglicht – also bewusste Träume, in denen das Traum-Ich aktiv gesteuert werden kann. Die Messungen zeigten, dass das Gehirn tatsächlich ähnliche Aktivitäten aufwies wie bei Handlungen, die im Wachzustand ausgeführt werden (Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, 2011).

Die neue Methode zielt darauf ab, die Gehirnaktivität während des Träumens mithilfe bildgebender Verfahren zu erfassen – bei Personen, die luzid träumen. Diese sollen durch gezielte Augenbewegungen anzeigen, zu welchem Zeitpunkt sie willentlich mit dem vereinbarten Traum beginnen. Die Untersuchungen zeigten, dass die träumende Person ähnliche neuronale Aktivierungsmuster aufwies wie bei der tatsächlichen Ausführung der Handlung im Wachzustand (Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, 2011).

Psychologische Perspektiven – Wie wir Träume deuten können

Während die Neurowissenschaften messbare Vorgänge im Gehirn aufzeigen, beschäftigt sich die Psychologie vor allem mit der Bedeutung von Träumen für unser emotionales Erleben und unser Selbstbild. In Schlaflaborstudien hat sich gezeigt, dass ein relevantes Thema, welches eine Person beschäftigt, immer wieder in Träumen vorkommt – und das auch über mehrere Tage hinweg. Das lässt darauf schließen, dass der Mensch von persönlich emotional relevanten Themen träumt (Roesler, 2024, S.34).

Allgemeine Schwierigkeiten der Traumdeutung

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Träumen stützte sich lange Zeit ausschließlich auf subjektive Erzählungen. Genau darin liegt ein zentrales Problem: Traumberichte können fehlerhaft oder verzerrt sein – sie sind niemals objektiv, sondern stets geprägt von individueller Wahrnehmung, Gedächtnislücken und nachträglicher Interpretation.

Diese methodischen Einschränkungen machen die Traumforschung bis heute zu einem komplexen und herausfordernden Feld. 

Die strukturale Traumdeutung: Beziehung statt Symbol

Ein moderner Zugang zur Traumdeutung ist der strukturale Ansatz, der sich auf die Beziehung des Traum-Ichs zu den Traumelementen konzentriert – nicht auf deren symbolische Bedeutung. Relevanter als einzelne Traumbilder ist die Frage: Wie verhält sich das Traum-Ich innerhalb der Szene? Nimmt es eine passive, beobachtende Haltung ein – oder handelt es aktiv? Dieser Ansatz hat seine Wurzeln in den Arbeiten von Carl Gustav Jung und wurde von Roesler empirisch weiterentwickelt (Roesler, 2024, S. 35). Die strukturale Analyse ermöglicht es, Träume systematisch und unabhängig von kulturellen Codes zu verstehen – und dadurch therapeutisch nutzbar zu machen.

Veränderung des Traum-Ichs im therapeutischen Prozess

Interessanterweise zeigt sich in der psychotherapeutischen Arbeit, dass sich das Traum-Ich über die Zeit hinweg verändern kann – parallel zur emotionalen Entwicklung der Patientinnen. Edell-Simmons und Hilsenroth fanden heraus, dass Patientinnen mit posttraumatischer Belastungsstörung nach erfolgreicher Therapie von einem passiven zu einem aktiv handelnden Traum-Ich wechselten (Roesler, 2024, S. 34).

Auch in der LAC-Studie zur Langzeitbehandlung von Depressionen wurde eine ähnliche Entwicklung sichtbar: Die geträumte Hauptfigur wurde zunehmend handlungsfähig und konnte im Traum Probleme lösen – ein Hinweis auf innere Heilungsprozesse. „Problemlösungen im Traum enthalten Hinweise auf Wendepunkte in der psychoanalytischen Behandlung und therapeutische Veränderungen“ (Leuzinger-Bohleber, 2013, S. 267).

Fazit – Träume als Spiegel der Psyche

Träume sind ein vielschichtiges Phänomen – biologisch messbar, psychologisch bedeutsam und kulturell tief verwurzelt. Aktuelle Forschungen zeigen eindrucksvoll, wie eng unser nächtliches Erleben mit der emotionalen Realität verknüpft ist. Besonders vielversprechend sind neue Ansätze, bei denen durch gezielte Reize während der Schlafphase – insbesondere in luziden Traumzuständen – eine direkte Interaktion mit Träumenden gelingt (Konkoly, Appel, Chabani, Oudiette, Dresler, & Paller, 2021, S. 1417). Auch wenn viele Fragen noch offen bleiben, steht fest: Träume bieten enormes Potenzial – sei es zur Selbsterkenntnis, zur therapeutischen Unterstützung oder als kreative Quelle für Problemlösungen. Sie sind weit mehr als bloßes „neuronales Rauschen“ – vielmehr ein faszinierendes Fenster zur Seele.


Literaturverzeichnis

Konkoly, K. R., Appel, K., Chabani, E., Oudiette, D., Dresler, M., & Paller, K. A. (2021). Real-time dialogue between experimenters and dreamers during REM sleep. Current Biology, 31(7), 1417–1427. https://doi.org/10.1016/j.cub.2021.01.026

Leuzinger-Bohleber, M. (2013). Embodiment – Traum(a) – Depression. In B. Janta, B. Unruh & S. Walz-Pawlita (Hrsg.), Der Traum. Psychosozial: Gießen.

Lüth, K., & Schredl, M. (2023). Träume in Forschung und Praxis. Somnologie, 27(3), 149–150. https://doi.org/10.1007/s11818-023-00420-9

Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. (2011, 28. Oktober). Wissenschaftler messen erstmals Trauminhalte: Träume aktivieren das Gehirn ähnlich wie eine tatsächlich ausgeführte Handlung. https://www.cbs.mpg.de/trauminhalte

Myers, D. G., & DeWall, C. N. (2018). Psychologie (4. Aufl.). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66765-1

Roesler, C. (2024). Strukturale Traumanalyse: Empirisch fundiertes Modell für eine zeitgemäße psychotherapeutische Traumarbeit. Psychotherapie, 70(1), 33–40. https://doi.org/10.1007/s00278-024-00739-0

Titelbildquelle

BiljaST. (2020, 7. Februar). Dream Clouds Sleep Text Fantasy [Foto]. Pixabay. Abgerufen von https://pixabay.com/photos/dream-clouds-sleep-text-fantasy-4827288/ 

Nutzungsbedingungen: https://pixabay.com/service/license-summary/, abgerufen am: 11.07.2025.

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