Einleitung
Dieser Beitrag beleuchtet, wie sich Einsamkeit und soziale Isolation im digitalen Zeitalter entwickeln. Er untersucht sowohl die Risiken einer Vereinsamung durch digitale Medien als auch die Chancen, die digitale Begegnungsräume für soziale Teilhabe bieten können. Dabei wird auch auf spezifische Herausforderungen für Menschen mit Fluchterfahrung eingegangen.
Einsamkeit und soziale Isolation zählen zu den zentralen Herausforderungen moderner Gesellschaften. Durch die Digitalisierung haben sich Kommunikationsformen und soziale Kontakte tiefgreifend verändert. Während digitale Medien neue Wege eröffnen, soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten oder neu zu knüpfen, wird gleichzeitig diskutiert, ob sie auch zu einer Verstärkung von Einsamkeit beitragen können. Der folgende Beitrag geht der Frage nach, welche Chancen und Risiken digitale Formate in diesem Kontext bieten und welche Rolle sie für besonders vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Menschen mit Fluchterfahrung spielen können.
Einsamkeit im digitalen Zeitalter
Krotz (2007, zitiert nach Bosse, Schluchter & Zorn, 2018, S. 19) zufolge sind Alltags- und Lebenswelten sowie die Gesellschaft insgesamt zunehmend von Medien und medialer Kommunikation durchdrungen. Medien wirkten demnach in nahezu alle Bereiche des Alltags und Lebens hinein, gestalteten deren Strukturen mit und beeinflussten das Denken und Handeln der Menschen. Vor diesem Hintergrund spreche Krotz von einer Mediatisierung der Gesellschaft. Angesichts dieser medialen Entwicklungen werde der Anspruch von Inklusion immer stärker an Medien und mediale Infrastrukturen geknüpft. Medien und mediale Infrastrukturen müssten daher in ihrer Bedeutung für Strukturen und Prozesse von Inklusion und Exklusion analysiert und reflektiert werden. (Bosse et al., 2019, S. 19)
Die Nutzung digitaler Medien hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Menschen kommunizieren über Textnachrichten, E-Mails, Videoanrufe und verschiedene Plattformen. Gleichzeitig berichten viele über ein Gefühl der Vereinsamung trotz häufiger digitaler Interaktionen. Digitale Kommunikation kann dazu führen, dass tiefere soziale Bindungen durch oberflächliche Kontakte ersetzt werden. Kurze, schnelle Nachrichten und unpersönliche Online-Interaktionen reichen oft nicht aus, um emotionale Nähe aufzubauen, die für das Wohlbefinden wichtig ist.
Nowland, Necka und Cacioppo zeigen, dass die Nutzung sozialer Internetplattformen sowohl das Potenzial hat, Einsamkeit zu lindern, als auch das Risiko birgt, sie zu verstärken. Während soziale Interaktionen im Internet Menschen helfen können, wieder Verbindung zu anderen aufzunehmen, kann eine zu starke Abhängigkeit von digitalen Kontakten paradoxerweise auch die Vereinsamung verstärken. (Nowland et al., 2018, S. 137)
Auch vulnerable Gruppen sind von dieser Entwicklung betroffen. Ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Fluchterfahrung stoßen auf besondere Herausforderungen: Technologische Hürden, fehlende Sprachkenntnisse oder mangelnder Zugang zu digitaler Infrastruktur können den Aufbau stabiler sozialer Netzwerke erschweren und die Gefahr der Isolation verstärken.
Chancen durch digitale Begegnungsräume
Trotz dieser Risiken bieten digitale Formate auch neue Möglichkeiten, Einsamkeit zu begegnen und soziale Kontakte zu pflegen. Verschiedene digitale Begegnungsräume sind entstanden, die speziell darauf ausgerichtet sind, Menschen miteinander zu verbinden. Virtuelle Cafés, bei denen sich Teilnehmende per Videochat treffen, schaffen Gelegenheiten für ungezwungene Gespräche. Auch virtuelle Selbsthilfegruppen bieten Raum für den Austausch über persönliche Themen und gemeinsame Erfahrungen.
Für Menschen mit Fluchterfahrung können digitale Plattformen eine wichtige Brücke sein, um neue soziale Kontakte in der Ankunftsgesellschaft zu knüpfen und bestehende Verbindungen zu Familie und Freunden im Herkunftsland aufrechtzuerhalten. Online-Angebote, die mehrsprachig gestaltet sind und kulturelle Sensibilität berücksichtigen, unterstützen dabei, Zugang zu digitalen Gemeinschaften zu finden.
Darüber hinaus ermöglichen digitale Plattformen Kontakte über große Entfernungen hinweg. Besonders für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, in ländlichen Regionen oder in Übergangssituationen – wie bei einer Flucht oder einem Neuanfang – können Online-Formate eine wichtige Verbindung zur Außenwelt darstellen.
Nähe trotz digitaler Distanz?
Ob digitale Formate echte soziale Nähe schaffen können, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Entscheidend ist, dass die Interaktion nicht oberflächlich bleibt, sondern einen persönlichen Austausch ermöglicht. Formate, die auf wechselseitigem Zuhören, gemeinsamen Aktivitäten oder individuellen Gesprächen basieren, fördern das Gefühl von Verbundenheit deutlich stärker als reine Informationsweitergabe.
Schulz beschreibt, dass der soziale Kontext einen differenzierten Einfluss auf die Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung (MmgB) hat. Neben der Familie spielen auch Beziehungspartner, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen, das Personal von Wohneinrichtungen und weitere Akteur:innen eine Rolle. Diese Akteur:innen wirken aus verschiedenen Rollen heraus auf die digitale Teilhabe und sozialen Praktiken von MmgB ein. Sie erweitern etwa als Unterstützer:innen die digitalen Kompetenzen, helfen bei der Nutzung von Technologien und fördern somit die sozialen Praktiken. In ihrer Rolle als Aufklärer:innen vermitteln sie Wissen über digitale Technologien, während sie als Legitimator:innen die Verfügbarkeit und Nutzung dieser Technologien beeinflussen. (Schulz, S. 292)
Gleichzeitig bleibt digitale Kommunikation in vielerlei Hinsicht begrenzt: Nonverbale Signale wie Mimik, Gestik oder kleine soziale Rituale sind schwerer zu vermitteln. Auch spontane Begegnungen, wie sie im Alltag entstehen, lassen sich digital oft nur eingeschränkt ersetzen. Dennoch zeigen viele Erfahrungen, dass bewusst gestaltete digitale Räume soziale Nähe fördern können – insbesondere dann, wenn sie gezielt auf Interaktion und persönliche Ansprache ausgerichtet sind.
Zusammenfassung: Digitale Medien zwischen Risiko und Chance
Digitale Technologien bieten sowohl Risiken als auch Chancen in Bezug auf Einsamkeit und soziale Isolation. Während oberflächliche Kontakte und technologische Barrieren Vereinsamung verstärken können, schaffen gezielt gestaltete digitale Begegnungsräume Möglichkeiten für echte soziale Teilhabe. Besonders für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, für ältere Menschen und für Menschen mit Fluchterfahrung können diese digitalen Angebote eine wichtige Ressource sein.
Fazit
Die Digitalisierung verändert die sozialen Beziehungen grundlegend. Sie kann dazu beitragen, Isolation zu überwinden, wenn die Formate bewusst auf persönliche Nähe und echte Interaktion ausgerichtet werden. Gleichzeitig bleibt es wichtig, auch über digitale Infrastrukturen hinaus analoge Begegnungsräume zu erhalten und auszubauen, um allen Menschen unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen soziale Teilhabe zu ermöglichen.
Quellen
Bosse, I., Schluchter, J.‑R. & Zorn, I. (Hrsg.). (2019). Handbuch Inklusion und Medienbildung. Beltz Juventa. http://www.content-select.com/index.php?id=bib_view&ean=9783779950875
Nowland, R., Necka, E. A. & Cacioppo, J. T. (2018). Loneliness and Social Internet Use: Pathways to Reconnection in a Digital World? Perspectives on psychological science : a journal of the Association for Psychological Science, 13(1). https://doi.org/10.1177/1745691617713052
Schulz, A. C. (2024). Potenziale der Digitalisierung für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung [Dissertation, Springer Fachmedien Wiesbaden]. K10plus.
Bildquellen
Titelbild: von JeongGuHyeok, Titel: keyboard-621830_1280 veröffentlicht am 3. Februar 2015, abgerufen am 02.05.2025, auf pixabay, unter:
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