By Published On: 10. August 2017Categories: Psychologie, Wirtschaft

Oliver Müller leitet bereits seit 10 Jahren die Verkaufsabteilung seiner Firma und ist damit langjähriger und erfahrener Vorgesetzter von 10 Mitarbeitern. Er selbst ist mit seinem Führungsverhalten äußerst zufrieden. Seiner Meinung nach tritt er in Besprechungen mit genau dem richtigen Redeanteil auf, fördert und fordert seine Mitarbeiter individuell und bezieht alle mit ein. Würde man jedoch seine Mitarbeiter befragen, würden deren Antworten seinen widersprechen. Diese empfinden ihn teilweise als sehr aufdringlich und egozentrisch. Sie selbst haben aufgehört, Feedback zu seinem Verhalten oder der Vorgehensweise in Projekten zu geben. Herr Müller fragte zwar immer nett danach, hörte aber tatsächlich nie zu. Die Mitarbeiter haben ihr Arbeitsverhalten angepasst – von der ursprünglichen Motivation bleibt nun nur noch der Dienst nach Vorschrift.

Herr Müller ist kein Einzelfall. Denn bei jedem von uns weichen das Selbst- und das Fremdbild voneinander ab, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. Um diese Abweichungen zu verringern und die einem selbst unbekannten Persönlichkeitsanteile und Verhaltensweisen aufzudecken kann das Johari-Fenster weiterhelfen. Dieses unterteilt die menschlichen Verhaltens- und Persönlichkeitsmerkmale in bewusst und unbewusst mit dem Ziel, die sogenannten „blinde Flecken“ sichtbar zu machen.[1] In den Anteil der bewussten Merkmale fallen all jene Bereiche des persönlichen Verhaltens, welche willentlich preisgegeben werden.[2] Man stellt sich wissentlich und reflektierend nach außen dar und lernt aus seiner Wirkung auf andere. Durch diesen Lerneffekt kann man sich grundsätzlich stetig verbessern.[3] Zu den unbewussten Merkmalen zählen all jene Verhaltens- und Persönlichkeitsaspekte, welche sich der eigenen Selbstwahrnehmung entziehen, von anderen aber wahrgenommen werden. [4] Daher können diese „blinden Flecken“ nur durch Feedback von außen aufgedeckt werden. [5] Dieser Bereich stellt somit die Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild dar. [6]

Wenn man nun also seine Führungskompetenz verbessern möchte muss man auf das Feedback der direkt unterstellten Mitarbeiter hören. Der Gedanke, deren Ansichten wären durch ihre Position nicht wichtig, ist falsch. Denn egal welche berufliche Position man innehat, die „blinden Flecken“ in der Selbstwahrnehmung machen vor niemandem halt.[7] So führt Herr Müllers Auftreten bei seinen Mitarbeitern zu Frustration und einer Art inneren Kündigung. Diese wird Herr Müller durch sein bestehendes Selbstbild im schlechtesten Falle zusätzlich noch falsch interpretieren. Eine falsche Betrachtung der Leistungsbereitschaft und Einsatzfähigkeit der Geführten kann als Folge das Arbeitsklima weiter schädigen. Herr Müllers Kommunikationsverhalten stellt einen seiner „blinden Flecke“ in seinem Johari-Fenster dar. Er zeigt Verhaltensweisen die den Umgang mit seinen Mitarbeitern erschweren, ohne dass er sich dessen bewusst ist. [8] In solche einer Situation hat eine Führungskraft selbst keine Chance sein Verhalten ohne die Annahme von Feedback der Mitarbeiter zu verändern.[9] Als Vorgesetzter muss man die Wichtigkeit von regelmäßigem Feedback der Mitarbeiter anerkennen.[10] Feedback stellt vor dem Hintergrund des Johari-Fensters keine Kritik, sondern eine Quelle, um mehr über selbst zu erfahren und notwendige Veränderungen einzuleiten, dar. [11] Durch diese Rückmeldungen über das wahrgenommene Fremdbild wird sich der Anteil der unbewussten Verhaltens- und Persönlichkeitsmerkmale verringern und stattdessen der Bereich der bewussten Anteile ansteigen.[12] Diese Veränderung wird die Offenheit und Kommunikation positiv beeinflussen und damit wesentliche Komponenten einer guten Führungskompetenz verbessern. [13]

Sich jedoch nur der Wichtigkeit von Feedback des direkten Umfeldes bewusst zu sein wird nicht ausreichen. Ebenso genügt es nicht, nur nach Feedback zu fragen, dieses aber nicht anzunehmen. Denn jede Rückmeldung, egal wer sie gibt, beschreibt eine zwar subjektive, aber tatsächliche Wahrnehmung einer anderen Person. Es gibt hier kein richtig oder falsch. Daher sollte man nach dem Erhalt einer Rückmeldung nicht in einen Verteidigungsmodus wechseln und in Rechtfertigungen enden, sondern sich stattdessen dafür bedanken.[14] Denn das mindeste was jedes Feedback auslösen sollte ist eine Reflektion über das eigene Verhalten. Bei völligem Unverständnis können Rückfragen die Situation klären: „Wieso habe ich auf Sie aufdringlich gewirkt?“. [15]  Zudem sollte innerhalb eines Teams ein tolerantes Arbeitsklima herrschen. Um dies zu gewährleisten müssen bei der Feedbackvergabe- sowie annahme gewisse Regeln formuliert werden, um ein vertrauensvolles Miteinander zu erreichen. So hilft beispielsweise die Formulierung als Ich-Botschaft, dass eine Rückmeldung nicht per se abgewiesen wird: „Ich empfand Ihr Auftreten in der Teambesprechung nicht angemessen. Meiner Meinung nach hätten Sie Frau Zahn ausreden lassen sollen.“[16]

 

Quellenverzeichnis

[1] Vgl. Schüller, A. M.: 2014, S. 24

[2] Vgl. Krämer, D. et al.: 2015, S. 104f

[3] Vgl. Demann, S.: 2014, S. 23f

[4] Vgl. Krämer, D. et al.: 2015, S. 104f

[5] Vgl. Demann, S.: 2014, S. 23f

[6] Vgl. Menzi, S./ Züger, R.-M.: 2007, S. 38f

[7] Vgl. Von der Linde, B./ Steinweg, S.: 2014, S. 34f

[8] Vgl. Reuthal, K.-P./ Reinhardt, H.: 2013, S. 155

[9] Eigene Darstellung

[10] Vgl. Draht, K.: 2014, S. 56

[11] Vgl. Krämer, D. et al.: 2015, S. 104f

[12] Vgl. Krämer, D. et al.: 2015, S. 107

[13] Vgl. Demann, S.: 2014, S. 23f

[14] Vgl. Menzi, S./ Züger, R.-M.: 2007, S. 38f

[15] Vgl. Brandl, P.: 2015, S. 167ff

[16] Vgl. Brandl, P.: 2015, S. 169

 

Abbildungsverzeichnis

Beitragsbild: https://pixabay.com/de/krawatte-anpassen-anpassung-mann-690084/

https://pixabay.com/de/führung-wort-erfolg-geschäft-1959544/

 

Literatur

Brandl Peter: Kommunikation und was Sie darüber wissen sollten, um sich das Leben leichter zu machen. GABAL. 2015

Demann, Stefanie: Selbstcoaching für Führungskräfte. Standard oder Spitze Selbstcoaching macht den Unterschied. Gabal. 2014

Drath, Karsten: Coaching-Techniken. 1. Auflage. Haufe. 2014

Krämer Daniela, Lammert Kathrein, Weigang Silke: Führen ohne Vorgesetztenfunktion. Prozesse voranbringen, tragfähige Entscheidungen treffen, sich und andere zum Erfolg führen. 1. Auflage. Haufe. 2015

Menzi Susanne, Züger Rita-Maria: Selbsterkenntnis als Führungsperson – Leadership-Basiskompetenz. Theoretische Grundlagen und Methoden mit Beispielen, Praxisaufgaben, Repetitionsfragen und Antworten. 2. Auflage. Compendio Bildungsmedien. 2007

Reuthal Klaus-Peter, Reinhardt Harry: Der selbstständige Mensch und die Konstruktion seiner eigenen Welt. Eine andere Einführung in die Systemtheorie. Duncker & Humblot. 2013

Von der Linde Boris, Steinweg Svea: Psychologie für den Beruf. 2. Auflage. Haufe. 2014

 

Artikel

Schüller, Anne M.: Checkliste. 30 Punkte für eine gute Mitarbeiterführung. In: Der Augenoptiker. Heft 5. 2014. S. 24

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